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Energiewende
"Gut ist keiner von denen vorbereitet"

Die Neuausrichtung von Eon sei keine große Überraschung, sagte Felix Matthes vom Öko-Institut Berlin im DLF. Zugleich warnte er die anderen Stromkonzerne: Keiner von denen habe es geschafft, sich auf die Herausforderungen der Energiewende vernünftig vorzubereiten.

Felix Matthes im Gespräch mit Jule Reimer |
    Das von Eon betriebene Kernkraftwerk in Grohnde an der Weser bei Hameln
    Das von Eon betriebene Kernkraftwerk in Grohnde an der Weser bei Hameln (imago / Rust)
    Jule Reimer: Der Energiekonzern Eon richtet sich neu aus: Gestern hat der Aufsichtsrat des Unternehmens eine neue Konzernstrategie beschlossen: Künftig will sich der Energieversorger auf Ökostrom konzentrieren, auf Energienetze und sogenannte Kundenlösungen. Die Geschäftsfelder konventionelle Erzeugung, also Gas, Kohle und Atomkraft, sowie Energiehandel sollen in eine neue, eigenständige Gesellschaft überführt werden.
    Felix Matthes, Energieexperte beim Öko-Istitut in Berlin, hat Sie dieser Schritt überrascht?
    Felix Matthes: Nein. Er lag eigentlich schon länger in der Luft, weil in den Geschäftsfeldern, in denen Eon jetzt neu verstärkt aktiv werden will, waren ja andere auch schon aktiv, amerikanische Unternehmen, Energiedaten Googles sozusagen, aber eben auch deutsche Unternehmen wie Lichtblick mit dem Schwarmstrom, und das ist ein Wertschöpfungsfeld, wo man Geld verdienen kann.
    Reimer: Wie funktioniert das? Erklären Sie uns das ein bisschen genauer.
    Matthes: Wir sind ja in einer neuen Welt demnächst. Die alte Welt bestand aus großen Grundlastkraftwerken, Mittellastkraftwerken, Spitzenlastkraftwerken und die hat man betrieben und hat den Strom verkauft.
    Wir kommen jetzt in eine sehr viel vielfältigere Welt, die in jeder viertel Stunde anders aussieht, viel Sonne, wenig Sonne, viel Wind, wenig Wind, viel Speicher, wenig Speicher, viel Kundenflexibilität, wenig Kundenflexibilität, und die muss koordiniert werden zukünftig über Datennetze oder über technische Anlagen und so weiter und so fort.
    Das heißt, wir haben ein Feld, wo das Geld nicht mehr zu verdienen ist mit großen Investitionen, die dann zurückgezahlt werden, sondern mit Koordination in der Zukunft von intelligenten Heizungssystemen, mit Solarsystemen und Windsystemen und das Ganze mit Netzen. Sie haben verstanden, dass das ein wesentliches Geschäftsfeld der Zukunft ist, und wenn man auf dieses Geschäftsfeld sich nicht konzentriert und Strukturen aufbaut und Mentalitäten aufbaut, wie man damit umgehen kann, dann wird das Geschäft der Zukunft von anderen gemacht. Von daher war es zwangsläufig eigentlich.
    Reimer: Die Atomgegner-Initiative "ausgestrahlt" hat die Sorge, dass sich Eon mit dieser Ausgliederung der Verantwortung für die Rückstellungen für den Abriss der AKWs und Atommülllagerung entziehen könnte. Ist das zu streng?
    Matthes: Ich glaube, es ist nicht belastbar, weil am Ende des Tages ja in dieser sogenannten neuen Gesellschaft, in der die alten Aktivitäten gebündelt werden, spielt ja Atom nur eine relativ kleine Rolle. Da sind alle anderen Kraftwerke drin. Da ist die gesamte Gas- und Ölförderung drin. Da ist der gesamte Energiehandel drin. Ich glaube nicht, dass das gedacht ist oder ein Weg ist, um sich aus der Verantwortung oder der Haftung für die Atomentsorgung rauszustehlen. Das ist, glaube ich, ein unbegründeter Vorwurf.
    "Energiewende ist nicht eine deutsche Spinnerei"
    Reimer: Wie gut ist Eon bislang bei den Erneuerbaren Energien aufgestellt?
    Matthes: Sehr unterschiedlich. Insbesondere bei den größeren Projekten wie Offshore-Windparks, insbesondere im Ausland, haben die eine Menge Geld investiert.
    Wo sie eine Lücke haben, sind die mittleren bis kleineren Anlagen, die gerade eben so koordinationsintensiv sind, und das ist, glaube ich, genau dieser Mentalitätswandel.
    Früher hat man im Bereich der Erneuerbaren Energien die Projekte gemacht, die so ähnlich waren wie große Kohle- oder Gaskraftwerke, und man hat begriffen, dass das nicht ausreicht, sondern dass man in die Koordination rein muss, dass man in die mittleren bis kleineren Anlagen rein muss, und wenn man dann mit den Netzen zu tun hat, dass sich da eine ganz gute Grundlage ergibt.
    Von daher ist das schon eine sehr interessante Nachricht, dass nämlich ein milliardenschwerer Konzern, der auch nicht nur in Deutschland aktiv ist, die Strukturen sehr ernst zu nehmen beginnt, die mit der Energiewende kommen. Das heißt, Energiewende ist nicht eine deutsche Spinnerei, sondern ist ein, ich sage jetzt mal, technologischer oder systemarer Megatrend, mit dem man in Zukunft Geld verdienen kann.
    "Gut ist keiner von denen vorbereitet"
    Reimer: Und wenn Sie mal die großen Stromversorger in Deutschland vergleichen, zum Beispiel die Baden-Württemberger ENBW, Vattenfall, wer ist da am besten vorbereitet Ihrer Ansicht nach?
    Matthes: Gut ist keiner von denen vorbereitet. Ich glaube, am schlechtesten ist Vattenfall vorbereitet, weil sie sehr stark nur auf Braunkohle setzen und letztendlich es nicht geschafft haben, im großen Stil in andere Geschäftsfelder reinzukommen. RWE hat es versucht, das zu machen mit Innogy - sie haben eine Tochter für Erneuerbare Energien -, ist aber auch in den gleichen schwerfälligen Strukturen noch drin. Bei ENBW ist der Druck am größten und da ist auch schon am meisten passiert.
    Die spannende Frage ist ja nicht nur, ob man diese flexiblen neuen Strukturen will, sondern ob man sie kann, und das ist weithin offen. Im Übrigen auch bei Eon, weil die Mentalität der Mitarbeiter und die Entscheidungsstrukturen für diese neue Welt sind ganz andere als in der alten Welt, und die Frage ist, ob man schnell genug diese aufbauen kann, weil andere stehen auch schon auf der Türschwelle.
    Reimer: Eon gliedert die fossilen Energien aus und will sich auf Ökostrom konzentrieren - Informationen dazu von Felix Matthes vom Öko-Institut in Berlin. Danke schön.
    Matthes: Gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.