Stefan Römermann: Jahrelang wurde verhandelt und gefeilscht, im April wurde sie dann endlich verabschiedet: die Europäische Datenschutz-Grundverordnung, der neue einheitliche Rahmen für das Datenschutzrecht in ganz Europa. Jetzt müssen die deutschen Vorschriften angepasst werden. Der Referentenentwurf für das neue Bundesdatenschutzgesetz, der wurde gestern bekannt. Darüber sprechen möchte ich jetzt mit Peter Schaar, ehemaliger Bundesbeauftragter für den Datenschutz und jetzt Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz.
Herr Schaar, wenn ich das richtig verstanden habe, dann wird das alte Bundesdatenschutzgesetz ja jetzt nicht einfach nur geändert, sondern wir bekommen sogar ein ganz neues Datenschutzgesetz: das Allgemeine Bundesdatenschutzgesetz. Ist das nur alter Wein in neuen Schläuchen, oder ändert sich da jetzt wirklich so viel?
Peter Schaar: Da soll sich sehr viel ändern. Manches davon ist, sage ich mal, eine logische Konsequenz des neuen europäischen Rechtsrahmens, der Datenschutz-Grundverordnung, aber manches davon geht da ganz eindeutig auf die Kappe des Bundesinnenministeriums. Und ich war schon etwas erschrocken, als ich diesen Entwurf gelesen habe, denn da soll der Datenschutz, wo es irgendwie möglich ist, abgebaut beziehungsweise aufgeweicht werden, und genau das ist ja eigentlich nicht die Intention der Europäischen Datenschutzverordnung. Da geht es ja darum, ein möglichst hohes Datenschutzniveau in Europa zu schaffen, und jetzt steuert der Bundesinnenminister dagegen. Das ist sehr schwer verständlich.
"Sehr grenzwertige Verhaltensweise"
Römermann: Es gab doch in dieser Datenschutz-Grundverordnung auch Ausnahmen, dass man ein höheres Datenschutzniveau halten kann. Oder habe ich das falsch verstanden?
Schaar: Ja, das ist eine ganz interessante Entwicklung. Sowohl Herr Friedrich, damals Bundesinnenminister, als auch Herr de Maizière haben gesagt, wir brauchen jetzt Ausnahmen, damit wir unser hohes Datenschutzniveau in Deutschland halten können.
Römermann: Und jetzt passiert das Gegenteil.
Schaar: Dann hat sich das Bundesinnenministerium beziehungsweise die Bundesregierung damit durchgesetzt, und jetzt werden die Ausnahmen dafür genutzt, um das Datenschutzniveau abzusenken, und zwar unter das Niveau, was in Europa vorgesehen ist. Ich muss schon sagen: Das ist schon eine sehr grenzwertige Verhaltensweise.
Römermann: Wo sind denn die Hauptproblemfelder? Wo würden Sie sagen sind die zwei, drei Dinge, die am schlimmsten sind oder die Sie am meisten stören?
Schaar: Zum einen geht es darum, dass staatliche Stellen pauschal sehr viel mehr Datenverarbeitungsbefugnisse erhalten sollen als bisher, und insbesondere die Geheimdienste sollen mehr Daten erheben können und sie sollen diese Daten auch gegebenenfalls für andere Zwecke verwenden können, als für die sie erhoben wurden. Das ist eine Ausweitung der Datenverarbeitungs- und auch Überwachungsmöglichkeiten.
Das Zweite ist: Die Betroffenenrechte sollen ausgehöhlt werden. Überall wo es irgendwie möglich ist nach dem europäischen Recht und teilweise sogar im Rahmen, wo es nicht möglich ist, soll es Ihnen beschränkt werden, dass Sie Auskunft erhalten, dass Sie informiert werden, wenn Daten verarbeitet werden. Und was ich wirklich für einen Skandal halte, das ist, dass der oder die Bundesdatenschutzbeauftragte in Zukunft in ihren Kontrollrechten eingeschränkt werden soll, und sie soll sich - und das muss man sich schon im Munde zergehen lassen…
"Auch deutsche Geheimdienste sind da ja durchaus keine Chorknaben"
Römermann: Ihre ehemalige Behörde. Was soll da passieren?
Schaar: Da ist zum Beispiel vorgesehen, dass sie sich nicht mehr in Sachen der Nachrichtendienste ans Parlament oder die Parlamentarischen Kontrollgremien wenden können soll. Das kann sie bisher noch. In Zukunft dürfte sie das nicht mehr, wenn das BMI sich damit durchsetzt, und das in Zeiten genau dieser sehr umfassenden Datenverarbeitung durch den Bundesnachrichtendienst und andere Geheimdienste. Auch deutsche Geheimdienste sind da ja durchaus keine Chorknaben, die nur, sage ich mal, alles machen, was man da bisher darf, und da sind ja sehr viele Mängel festgestellt worden. Das dürfte sie dem Bundestag so nicht mehr mitteilen.
Römermann: Was würde denn das in der Praxis bedeuten? Können Sie es vielleicht an einem kurzen Beispiel festmachen?
Schaar: Stellen wir uns vor, das ist ja geschehen, dass die Bundesbeauftragte den Bundesnachrichtendienst prüft und da feststellt, dieser Dienst hat in vielfacher Hinsicht Gesetze gebrochen. Bisher kann sie jetzt einen Bericht schreiben an den Bundestag. Den kann sie geheim klassifizieren, sie kann ihn teilweise auch offenmachen. Und dieses wäre ihr in Zukunft untersagt. Der Bundestag würde von diesen Rechtsbrüchen nichts mehr erfahren. Ich finde, das ist genau das Gegenteil von dem, was immer versprochen wird, nämlich eine effektivere Kontrolle der Nachrichtendienste durch das Parlament.
Römermann: Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar - ich sage vielen Dank für das Gespräch.
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