In den chinesischen Dörfern haben die Menschen während der großen Hungersnot, 1959-61, Blätter von den Bäumen gegessen, Wildpflanzen, Spreu und Baumrinde. Sie haben unter tagelanger Verstopfung gelitten, ihre Kinder und Großeltern sterben sehen. Die Leute sind auf der Straße verhungert und die Toten liegen geblieben.
Vor allem junge Chinesen, fast alle in den 80er-Jahren geboren, haben diese Geschichten gesammelt. Sie sind auf die Dörfer gefahren, meist zurück nach Hause, und haben mit alten Leuten gesprochen. Die gefilmten Interviews bringen sie mit auf die Bühne für "Memory2 – Hunger". Und den Prozess ihrer Suche gleich dazu.
Eine Frau war Ärztin und erzählt, wie ein Mensch gestorben ist, kurz bevor sie ihm eine Infusion geben konnte. Ein Zeitzeuge hört so schlecht, dass man ihm die Fragen ins Ohr brüllen muss. Ein anderer wird von seiner Tochter bevormundet, die befürchtet, das Interview könne ihnen schaden. Andere sagen im Film, sie wollen nicht, dass er im Ausland gezeigt wird.
Mao wollte zu dieser Zeit einen "Großen Sprung" in der Industrialisierung machen und ließ die Bauern auf dem Land Stahl herstellen. Auf der Bühne von "Memory2" hört man von Wasserspeichern, die die Menschen unter großem Druck bauen mussten, vom Fluch der Volksküchen, in denen es kaum etwas gab, von Schuldenzahlungen in die Sowjetunion und Kadern, die mehr hatten, vom chinesischen "Arbeitsstil der Übertreibung", dem Angeben höherer Produktionsquoten.
Ein Mandarinenbauer, Enkel eines Großbauern, erzählt auf der Bühne mit klarer, lauter Stimme (während ihm gleichzeitig still die Tränen herunterlaufen), wie er mit zehn Jahren seine zweijährige Schwester verloren hat. Sie hatte Hunger und eine nicht behandelte Wurminfektion und eine Mutter, die sieben weitere Kinder großziehen musste, während ihre Zeit und Energie von Kollektivarbeit beansprucht wurde.
"Memory2 – Hunger" ist chinesisches Dokumentartheater des unabhängigen Living Dance Studios in Peking. Die Performance dauert fünf Stunden. Die Filme laufen auf einer Leinwand im Hintergrund der Bühne, davor bewegen sich die jungen Filmemacher in dunkler Kleidung mit großen Taschenlampen. Mit den Lampen bringen sie Licht ins Dunkel, stellen Fragen, lassen sie mit- oder gegeneinander leuchten und Wege aus Licht auf dem Boden erscheinen, die verschwinden, sobald man sie betritt.
Zu "Memory2" gehört auch ein erster Teil, "Memory", der an die Zeit der Kulturrevolution und der Roten Garde erinnert. Darin verteilen zwei Darsteller Fußstapfenmuster auf der Bühne, denen sie folgen und die sie zurückgehen. Der Filmemacher Wu Wenguang erklärt seine künstlerische Arbeitsweise so:
Erst einen Schritt in die gesellschaftliche Realität gehen, dann einen Schritt in der Verarbeitung, wechselseitig.
Bewegung spielt in beiden Teilen eine große Rolle: Die Tänzerin Wen Hui biegt ihren Körper während der Acht-Stunden-Performance zur Kulturrevolution "Memory", in einem Ausmaß nach hinten, dass man befürchtet, ihr Rückgrat müsse irgendwann brechen. Sie sagt, sie beuge sich in ihre Kindheit zurück. Im schwachen Taschenlampenlicht von "Memory2 - Hunger" beben auch die Körper der jungen Menschen immer wieder vor Kraftanstrengung, um manche Haltung wahren zu können. Der Druck, während sie sich am Ende übereinanderstapeln und dicht gepackt einzelne Namen herausschreien, fordert ihnen viel ab.
Der Filmemacher Wu Wenguang sagt, es gehe hier vor allem um den Prozess des Erinnerns: was der Mensch dabei erlebt, auf welche Hindernisse, Probleme und Gefühle er dabei stößt. Deutlich sichtbar wird: Erinnerung ist Arbeit. "Memory2" ist getrieben von wütender Energie und Trauer und einer großen Zähigkeit. Die Leistung dieser meist jungen Menschen auf der Bühne ist enorm. Sie haben unter Konzept, Regie und Anleitung von Wu Wenguang und Wen Hui einen berührenden, tief beeindruckenden Abend geschaffen, der ein Fenster aufstößt zu vielen Fragen. Diese Erinnerungsarbeit ist ein Prozess.
Vor allem junge Chinesen, fast alle in den 80er-Jahren geboren, haben diese Geschichten gesammelt. Sie sind auf die Dörfer gefahren, meist zurück nach Hause, und haben mit alten Leuten gesprochen. Die gefilmten Interviews bringen sie mit auf die Bühne für "Memory2 – Hunger". Und den Prozess ihrer Suche gleich dazu.
Eine Frau war Ärztin und erzählt, wie ein Mensch gestorben ist, kurz bevor sie ihm eine Infusion geben konnte. Ein Zeitzeuge hört so schlecht, dass man ihm die Fragen ins Ohr brüllen muss. Ein anderer wird von seiner Tochter bevormundet, die befürchtet, das Interview könne ihnen schaden. Andere sagen im Film, sie wollen nicht, dass er im Ausland gezeigt wird.
Mao wollte zu dieser Zeit einen "Großen Sprung" in der Industrialisierung machen und ließ die Bauern auf dem Land Stahl herstellen. Auf der Bühne von "Memory2" hört man von Wasserspeichern, die die Menschen unter großem Druck bauen mussten, vom Fluch der Volksküchen, in denen es kaum etwas gab, von Schuldenzahlungen in die Sowjetunion und Kadern, die mehr hatten, vom chinesischen "Arbeitsstil der Übertreibung", dem Angeben höherer Produktionsquoten.
Ein Mandarinenbauer, Enkel eines Großbauern, erzählt auf der Bühne mit klarer, lauter Stimme (während ihm gleichzeitig still die Tränen herunterlaufen), wie er mit zehn Jahren seine zweijährige Schwester verloren hat. Sie hatte Hunger und eine nicht behandelte Wurminfektion und eine Mutter, die sieben weitere Kinder großziehen musste, während ihre Zeit und Energie von Kollektivarbeit beansprucht wurde.
"Memory2 – Hunger" ist chinesisches Dokumentartheater des unabhängigen Living Dance Studios in Peking. Die Performance dauert fünf Stunden. Die Filme laufen auf einer Leinwand im Hintergrund der Bühne, davor bewegen sich die jungen Filmemacher in dunkler Kleidung mit großen Taschenlampen. Mit den Lampen bringen sie Licht ins Dunkel, stellen Fragen, lassen sie mit- oder gegeneinander leuchten und Wege aus Licht auf dem Boden erscheinen, die verschwinden, sobald man sie betritt.
Zu "Memory2" gehört auch ein erster Teil, "Memory", der an die Zeit der Kulturrevolution und der Roten Garde erinnert. Darin verteilen zwei Darsteller Fußstapfenmuster auf der Bühne, denen sie folgen und die sie zurückgehen. Der Filmemacher Wu Wenguang erklärt seine künstlerische Arbeitsweise so:
Erst einen Schritt in die gesellschaftliche Realität gehen, dann einen Schritt in der Verarbeitung, wechselseitig.
Bewegung spielt in beiden Teilen eine große Rolle: Die Tänzerin Wen Hui biegt ihren Körper während der Acht-Stunden-Performance zur Kulturrevolution "Memory", in einem Ausmaß nach hinten, dass man befürchtet, ihr Rückgrat müsse irgendwann brechen. Sie sagt, sie beuge sich in ihre Kindheit zurück. Im schwachen Taschenlampenlicht von "Memory2 - Hunger" beben auch die Körper der jungen Menschen immer wieder vor Kraftanstrengung, um manche Haltung wahren zu können. Der Druck, während sie sich am Ende übereinanderstapeln und dicht gepackt einzelne Namen herausschreien, fordert ihnen viel ab.
Der Filmemacher Wu Wenguang sagt, es gehe hier vor allem um den Prozess des Erinnerns: was der Mensch dabei erlebt, auf welche Hindernisse, Probleme und Gefühle er dabei stößt. Deutlich sichtbar wird: Erinnerung ist Arbeit. "Memory2" ist getrieben von wütender Energie und Trauer und einer großen Zähigkeit. Die Leistung dieser meist jungen Menschen auf der Bühne ist enorm. Sie haben unter Konzept, Regie und Anleitung von Wu Wenguang und Wen Hui einen berührenden, tief beeindruckenden Abend geschaffen, der ein Fenster aufstößt zu vielen Fragen. Diese Erinnerungsarbeit ist ein Prozess.