Zwei Tage nach dem verheerenden Erdbeben im Himalaya wird das Ausmaß der Katastrophe immer deutlicher. Die Zahl der Todesopfer stieg am Montag auf mehr als 4.000. Das teilten die nepalesischen Behörden mit. Sie befürchten allerdings bis zu 5.000 Opfer, da Rettungskräfte sich in die schwer zugänglichen Bergregionen vorarbeiten müssen.
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef teilte mit, fast eine Million Kinder seien dringend auf Hilfe angewiesen. Allein in der Hauptstadt Kathmandu müssten tausende Kinder mit ihren Eltern im Freien übernachten. Die Gefahr von Epidemien sei sehr hoch, da sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen fehlten. Nach Regierungsangaben sollten auch am Montag massenhaft Leichen verbrannt werden, um Seuchen zu verhindern. Mehr als 6.500 Menschen seien durch das Beben verletzt worden. Krankenhäuser sind heillos überfüllt, Ärzte arbeiten rund um die Uhr.
Infrastruktur überlastet
In dem betroffenen Gebiet leben nach UNO-Angaben 6,6 Millionen Menschen. Tausende versuchten, die Hauptstadt Kathmandu zu verlassen. Am Flughafen bildeten sich lange Schlangen. Viele Touristen und auch Einheimische versuchten, einen Platz in einem der wenigen Flugzeuge zu bekommen. Auf den Straßen aus der Stadt bildeten sich Staus, viele sind auch gesperrt. Wegen der überlasteten Infrastruktur kommen die Menschen nicht nur kaum aus dem Katastrophengebiet heraus, auch Hilfe gelingt nur schwer dort hinein.
Deepak Panda vom staatlichen Krisenstab sagte: "Wir werden überflutet von Anfragen nach Hilfs- und Rettungsmaßnahmen aus dem ganzen Land." Es mangele vor allem an Trinkwasser und Lebensmitteln.
"Keine Unterstützung von staatlichen Akteuren"
Die Trekking-Führerin Buddhi Maya Sherpa sagte im Deutschlandfunk, nach dem Erdbeben sei Nepal mehr oder weniger kollabiert. "Das ist eine Katastrophe. Das haben sie ja nicht so erwartet in diesem Ausmaß." Der Nothilfekoordinator der AWO in Kathmandu, Felix Neuhaus, kritisierte im Deutschlandfunk, dass es bislang noch "keine Unterstützung von staatlichen Akteuren" gebe. Auf den Straßen herrsche allgemeines Chaos, besonders schlimm sei jedoch die Situation in den Dörfern, "wo bis zu 100 Prozent der gesamten Bausubstanz zusammengefallen ist". Die Menschen müssten ohne Schutz die Nächte überstehen, seien "auf sich allein gestellt und desinformiert". Verpflegung erhielten sie überwiegend durch Selbsthilfe aus der Zivilgesellschaft.
Der frühere nepalesische Premierminister Baburam Bhattarai twitterte das Bild eines komplett zerstörten Dorfes an einem Hang. Er schrieb dazu: "Noch keine Rettungs- und Hilfsaktionen in entlegenen Bergdörfern! Sendet sofort kleine Helikopter mit Hilfsgütern." Nepal verfugt nur über wenige Hubschrauber.
Auch auf tibetischer Seite des Himalaya kam es zu schweren Schäden. Nach Angaben chinesischer Staatsmedien gab es dort mindestens 20 Tote. Die Armee habe Ärzte und Hilfspersonal sowie schweres Gerät zur Bergung in das Erdbebengebiet entsandt, hieß es.
Die internationale Hilfe lief unterdessen an. Die Europäische Kommission versprach Nepal drei Millionen Euro Soforthilfe. Aus Deutschland brachen Suchmannschaften, Ärzte sowie technische Helfer unter anderem mit Trinkwasser-Aufbereitungsanlagen in Richtung Nepal auf. Auch aus Indien und Pakistan schickten Hilfe. Unterstützung hat sich zudem aus den USA, Großbritannien, Australien und Neuseeland angekündigt.
(hba/bor)