In dem frömmelnden, aber zugleich liberalen Kurs der AKP sah der gemäßigt Religiöse Koru die richtige Politik für sein Land. Doch vergangene Woche endete die einträchtige Beziehung abrupt. Fehmi Koru rechnete mit dem Regierungschef per Fernsehinterview ab:
"Erdogan, so könnte man sagen, hat als Obama begonnen und ist als Bush geendet."
Das saß – und offenbar so tief, dass Erdogan, der Gescholtene, am nächsten Tag auf einer Parteitagsversammlung zurückkeilte:
"Diejenigen, die sagen, wir seien als Obama gestartet und als Bush geendet – die können einem leid tun! Wir sind weder Obama noch Bush – wir sind wir!"
Viele Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle, die Erdogans Reformkurs für einen EU-Beitritt lange Jahre unterstützt hatten, haben sich inzwischen abgewendet. Die "Liebesbeziehung ist zu Ende", titelte die linke Tageszeitung Birgün. Denn aus dem Politiker, der einst Wandel für sein Land versprochen hatte, sei ein kompromissloser Hardliner geworden, lautet der Vorwurf.
Beispiel Innenpolitik: Zu den wieder zunehmenden Berichten über Misshandlungen und Folter auf Polizeiwachen vom Regierungschef kein Wort. Und: Den Kurden hatte Erdogan 2004 noch mehr kulturelle Rechte versprochen. Jetzt, drei Jahre später ,schleudert er protestierenden Kurden entgegen, es gäbe in diesem Land nur eine Nation und einen Staat – und wem das nicht passe, der könne das Land verlassen.
Der kurdischstämmige Generalsekretär seiner Partei, Dengir Mir Firat, trat daraufhin von seinem Posten zurück – nach dem früheren Staatsminister Abdullatif Sener bereits der zweite Rückzug eines prominenten AKPlers. Der Politologe Ahmet Altan ist über Erdogans Kurs empört:
"Glaubt er denn wirklich, er könne die Probleme der Türkei, darunter das Kurdenproblem, lösen und das Land nach Europa führen, wenn er sich in nationalistischen und religiösen Populismus flüchtet?"
Auch in seiner Außenpolitik stösst Erdogan Freunde vor den Kopf: Während Staatspräsident Abdullah Gül bei Europäern und der eigenen Bevölkerung für seine Versöhnungsgeste gegenüber Armenien Anerkennung erfährt, hält Erdogan den kritischen EU-Fortschrittsbericht über sein Land für nicht erwähnenswert. Dem neu gewählten US-Präsidenten Obama rät er dunkel, auf die Empfindlichkeiten der Türkei Rücksicht zu nehmen. Irans Nuklearprogramm hält er auf einmal für legitim – entgegen der bisherigen, offiziellen Position Ankaras.
Und auch wirtschaftlich weht dem Ministerpräsidenten ein scharfer Wind entgegen: Dass die weltweite Finanzkrise inzwischen auch die Ufer des Bosporus erreicht hat, habe Erdogan zu lange ignoriert, kritisiert der türkische Unternehmerverband TÜSIAD. Nun will auch die Türkei – mit Hilfe eines Milliardenkredits vom Internationalen Währungsfonds - der Wirtschaft mit Bürgschaften unter die Arme greifen, um insbesondere einen Zusammenbruch der Automobil- und Textilbranche zu verhindern. Dort sind in den vergangenen 12 Monaten 200.000 Arbeitsplätze verloren gegangen, die offizielle Arbeitslosenrate stieg auf 9,8 Prozent – tatsächlich sind aber mehr als nur 2,4 Millionen Menschen n der Türkei ohne Job.
Doch Kritiker finden bei Erdogan kein Gehör. Der Entzug der Parlaments-Akkreditierung für sieben kritische Reporter ist für den türkischen Journalistenverband Indiz dafür, dass die Regierung den Schutz der Meinungsfreiheit nicht mehr so wichtig nimmt.
Nicht nur der Kolumnist Fehmi Koru rät Erdogan, auf den Weg der Reformen zurückzukehren. Auch um des eigenen Wahlerfolges willen:
"2007 gelang es der AKP im kurdischen Südosten die kurdischen Parteien abzuhängen – weil sie den Kurden mit ihrer Politik Hoffnung auf eine Veränderung gegeben hatten. In vier Monaten sind Kommunalwahlen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Erdogan diesen Vorsprung bei den Kurden durch seine Rhetorik einfach so verspielen will."
Als Gründe für den plötzlichen Kurswechsels Erdogans vom Reformer zum nationalistischen Polterer gibt es in der Öffentlichkeit zwei Vermutungen: Da wird zum einen "Amtsmüdigkeit" vermutet: Nachdem sein Herzenswunsch, Staatspräsident zu werden, im vergangenen Frühjahr am Widerstand des Militärs gescheitert war, soll Erdogan nur noch wenig Gefallen am zähen Alltag von Partei- und Regierungspolitik finden – eine mögliche Erklärung also für seine öffentliche und damit offenkundige Gereiztheit. Zum anderen wird von einer Art "Selbstherrlichkeit" gesprochen: Nach dem zweiten, überwältigenden Wahlsieg im vergangenen Juli sei Erdogan die Macht schlicht zu Kopfe gestiegen. Rücksichten, so heißt es, meine Erdogan heute nicht mehr nehmen zu müssen. Selbst mit seinem langjährigen Weggefährten und heutige Staatspräsidenten Abdullah Gül scheine er sich überworfen zu haben.
Erdogans Kursschwenk kommt bei der Bevölkerung jedoch – ganz offensichtlich - nicht gut an: Nach einer jüngsten Meinungsumfrage käme die AKP derzeit nur noch auf rund 34 Prozent der Stimmen – das wären knapp 13 Prozent weniger als bei der Wahl 2007. Sollte seine Partei auf den zweiten Platz zurückfallen, so kündigte Erdogan am Wochenende an, werde er als Vorsitzender zurücktreten.
"Erdogan, so könnte man sagen, hat als Obama begonnen und ist als Bush geendet."
Das saß – und offenbar so tief, dass Erdogan, der Gescholtene, am nächsten Tag auf einer Parteitagsversammlung zurückkeilte:
"Diejenigen, die sagen, wir seien als Obama gestartet und als Bush geendet – die können einem leid tun! Wir sind weder Obama noch Bush – wir sind wir!"
Viele Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle, die Erdogans Reformkurs für einen EU-Beitritt lange Jahre unterstützt hatten, haben sich inzwischen abgewendet. Die "Liebesbeziehung ist zu Ende", titelte die linke Tageszeitung Birgün. Denn aus dem Politiker, der einst Wandel für sein Land versprochen hatte, sei ein kompromissloser Hardliner geworden, lautet der Vorwurf.
Beispiel Innenpolitik: Zu den wieder zunehmenden Berichten über Misshandlungen und Folter auf Polizeiwachen vom Regierungschef kein Wort. Und: Den Kurden hatte Erdogan 2004 noch mehr kulturelle Rechte versprochen. Jetzt, drei Jahre später ,schleudert er protestierenden Kurden entgegen, es gäbe in diesem Land nur eine Nation und einen Staat – und wem das nicht passe, der könne das Land verlassen.
Der kurdischstämmige Generalsekretär seiner Partei, Dengir Mir Firat, trat daraufhin von seinem Posten zurück – nach dem früheren Staatsminister Abdullatif Sener bereits der zweite Rückzug eines prominenten AKPlers. Der Politologe Ahmet Altan ist über Erdogans Kurs empört:
"Glaubt er denn wirklich, er könne die Probleme der Türkei, darunter das Kurdenproblem, lösen und das Land nach Europa führen, wenn er sich in nationalistischen und religiösen Populismus flüchtet?"
Auch in seiner Außenpolitik stösst Erdogan Freunde vor den Kopf: Während Staatspräsident Abdullah Gül bei Europäern und der eigenen Bevölkerung für seine Versöhnungsgeste gegenüber Armenien Anerkennung erfährt, hält Erdogan den kritischen EU-Fortschrittsbericht über sein Land für nicht erwähnenswert. Dem neu gewählten US-Präsidenten Obama rät er dunkel, auf die Empfindlichkeiten der Türkei Rücksicht zu nehmen. Irans Nuklearprogramm hält er auf einmal für legitim – entgegen der bisherigen, offiziellen Position Ankaras.
Und auch wirtschaftlich weht dem Ministerpräsidenten ein scharfer Wind entgegen: Dass die weltweite Finanzkrise inzwischen auch die Ufer des Bosporus erreicht hat, habe Erdogan zu lange ignoriert, kritisiert der türkische Unternehmerverband TÜSIAD. Nun will auch die Türkei – mit Hilfe eines Milliardenkredits vom Internationalen Währungsfonds - der Wirtschaft mit Bürgschaften unter die Arme greifen, um insbesondere einen Zusammenbruch der Automobil- und Textilbranche zu verhindern. Dort sind in den vergangenen 12 Monaten 200.000 Arbeitsplätze verloren gegangen, die offizielle Arbeitslosenrate stieg auf 9,8 Prozent – tatsächlich sind aber mehr als nur 2,4 Millionen Menschen n der Türkei ohne Job.
Doch Kritiker finden bei Erdogan kein Gehör. Der Entzug der Parlaments-Akkreditierung für sieben kritische Reporter ist für den türkischen Journalistenverband Indiz dafür, dass die Regierung den Schutz der Meinungsfreiheit nicht mehr so wichtig nimmt.
Nicht nur der Kolumnist Fehmi Koru rät Erdogan, auf den Weg der Reformen zurückzukehren. Auch um des eigenen Wahlerfolges willen:
"2007 gelang es der AKP im kurdischen Südosten die kurdischen Parteien abzuhängen – weil sie den Kurden mit ihrer Politik Hoffnung auf eine Veränderung gegeben hatten. In vier Monaten sind Kommunalwahlen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Erdogan diesen Vorsprung bei den Kurden durch seine Rhetorik einfach so verspielen will."
Als Gründe für den plötzlichen Kurswechsels Erdogans vom Reformer zum nationalistischen Polterer gibt es in der Öffentlichkeit zwei Vermutungen: Da wird zum einen "Amtsmüdigkeit" vermutet: Nachdem sein Herzenswunsch, Staatspräsident zu werden, im vergangenen Frühjahr am Widerstand des Militärs gescheitert war, soll Erdogan nur noch wenig Gefallen am zähen Alltag von Partei- und Regierungspolitik finden – eine mögliche Erklärung also für seine öffentliche und damit offenkundige Gereiztheit. Zum anderen wird von einer Art "Selbstherrlichkeit" gesprochen: Nach dem zweiten, überwältigenden Wahlsieg im vergangenen Juli sei Erdogan die Macht schlicht zu Kopfe gestiegen. Rücksichten, so heißt es, meine Erdogan heute nicht mehr nehmen zu müssen. Selbst mit seinem langjährigen Weggefährten und heutige Staatspräsidenten Abdullah Gül scheine er sich überworfen zu haben.
Erdogans Kursschwenk kommt bei der Bevölkerung jedoch – ganz offensichtlich - nicht gut an: Nach einer jüngsten Meinungsumfrage käme die AKP derzeit nur noch auf rund 34 Prozent der Stimmen – das wären knapp 13 Prozent weniger als bei der Wahl 2007. Sollte seine Partei auf den zweiten Platz zurückfallen, so kündigte Erdogan am Wochenende an, werde er als Vorsitzender zurücktreten.