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"Es geht einfach um die Nutzerfreundlichkeit"

Robotik.- Schon jetzt können Roboter Rasen mähen, putzen oder auch Fußball spielen. Die Zukunftsvision der Japaner ist es, dass die elektrischen Helfer bald Senioren pflegen sollen. Technikphilosoph Michael Funk von der TU Dresden erklärt im Interview, was die Deutschen in Sachen Technikfreundlichkeit von Asien lernen können.

    Ralf Krauter: Nirgendwo sonst auf der Welt haben autonome Roboter bereits derart Einzug in den Alltag gehalten wie in Japan. Anfangs als Spielzeug, mittlerweile als Haushaltshelfer und künftig, so die Vision, als Assistenten, die alten Menschen das Leben in den eigenen vier Wänden erleichtern sollen. In Deutschland kennt man sich zwar auch gut aus mit intelligenten Maschinen, verfolgt aber längst keine so weitreichenden Pläne. Nicht zuletzt, weil dafür schlicht die gesellschaftliche Akzeptanz fehlt. Woran das liegt, und wie unsere Kultur die Wahrnehmung der Zukunftstechnologie-Roboter prägt, darüber diskutieren Informatiker und Philosophen derzeit bei einer deutsch-japanischen Tagung in Dresden. Mit dabei auch der Technikphilosoph Michael Funk von der Technischen Universität Dresden, den ich vor der Sendung gefragt habe: Würden Japaner soweit gehen, einem Pflegeroboter eine Seele zu attestieren?

    Michael Funk: Ja, diese kulturellen Unterschiede können so weit gehen oder die gehen eigentlich auch so weit, und das begründet sich ganz einfach durch die Religion. Das heißt, in Japan gibt es zum Beispiel den Shintoismus, also eine Form der Religiosität, die da heute vorhanden ist. Und da haben sich relativ stark sogenannte animistische Denkmuster erhalten. Also Animismus kommt von Anima – Seele – und das heißt, wenn man so will, Allbeseeltheit. Also da kann ein Stein eine Seele haben, ein Baum kann eine Seele haben und natürlich eben auch ein Roboter, also eine Maschine. Und das ist ein Punkt, das findet sich in Europa, wenn man so will im Christentum, so stark nicht mehr widergespiegelt. Also auch in Europa gab's natürlich animistische Religiosität – vor mehreren Jahrtausenden. Aber das ist dann relativ stark jetzt überlagert worden durch das Christentum und einfach durch bestimmte Begriffe von Seele und von Personalität, die es in unserem Kulturkreis verbieten, einer Maschine eine Seele zuzuschreiben. In Japan sieht das aber eben durch die Religion etwas anders aus.

    Krauter: Schauen sie nach vorne: Die Roboter der Zukunft werden ja vermutlich ein gewisses Maß an einprogrammierter Sozialkompetenz haben, speziell wenn wir über Pflegeroboter sprechen, die zum Beispiel alten Menschen ihr tägliches Leben erleichtern sollen. Diese Maschinen können es schon heute, werden künftig aber noch mehr Stimmung und Gefühle ihres Gegenübers erkennen und entsprechen reagieren. Sie werden also so tun, als wären sie intelligente, mitfühlende Wesen. Reicht das denn aber schon, um sie als soziale Interakteure zu sehen?

    Funk: Nein, das reicht natürlich noch nicht, um die als echte soziale Interakteure zu sehen. Also sie haben das ja angesprochen. Also so etwas gibt es ja tatsächlich teilweise schon, oder es wird schon versucht, so etwas zu realisieren. Ein Beispiel war jetzt die Pflegerobbe Paro zum Beispiel, also so ein maschinenautonomer Roboter. Der hat ein wuschiges Fell, sieht aus wie eine Robbe und der ist darauf programmiert, oder die Funktionalität besteht darin, dass er in der Altenpflege eingesetzt wird, um Demenzerkrankungen vorzubeugen, das heißt, er hat bestimmte Sensoren und reagiert auf bestimmte Bewegungen, also wenn man den streichelt oder wenn man den anspricht. Das ist aber eben, das muss man ganz nüchtern so sehen, eine Maschine, also ein Werkzeug mit einer technischen Intelligenz und es ist sicherlich zu erwarten, dass diese Werkzeuge mit einer technischen Intelligenz perfektioniert und verfeinert werden. Aber es sind und bleiben eben Expertensysteme. Das heißt, eine Technik mit einer bestimmten herausragenden komplexen Funktionalität, aber eben keine fühlenden sozialen Interakteure.

    Krauter: Heißt das, Mensch und Maschine werden sich künftig trotz aller Bemühungen doch nicht besser verstehen, als sie das heute schon tun?

    Funk: Das ist eine gute Frage. Es sollte natürlich jetzt nicht das Ziel sein, Technik zu entwerfen als sozialer Interakteur, der sich da mit seinem Nutzer versteht so wie sich wegen mir zwei Freunde verstehen würden, wie sich zwei Menschen verstehen, sondern es geht einfach um die Nutzerfreundlichkeit. Das heißt, wenn Technik nutzerfreundlich gestaltet wird, dann werden sich Mensch und Maschine auch künftig besser verstehen können, wenn man das mal so formulieren will. Aber da muss eben die Nutzerfreundlichkeit im Mittelpunkt stehen. Und Nutzerfreundlichkeit kann eben bedeuten, dass zum Beispiel eine technische Funktionalität einem Menschen mit bestimmten Gebrechlichkeiten, also körperlicher Einschränkung, genügen muss. Oder dass bestimmte Techniken bestimmter Roboter auch bestimmten moralischen oder religiösen Werten genügen muss in seiner Funktionalität. Das heißt, der Nutzer hat im Mittelpunkt zu stehen. Und ich denke, wenn man sich darauf einlässt, eben auch mit den entsprechenden kulturellen Unterschieden, dann könnte sowas tatsächlich der Fall sein, also dass sich Mensch und Maschine vielleicht besser vertragen werden in Zukunft.

    Krauter: Könnten wir Europäer in Punkto Akzeptanz etwas von den Japanern lernen oder ist das so illusorisch, weil die einen ganz anderen kulturellen Hintergrund haben?

    Funk: Ja, vielleicht könnten wir Europäer etwas von den Japanern lernen, warum eigentlich nicht. Vielleicht einfach versuchen, mit einer gewissen Offenheit, vielleicht mit einer gewissen Verspieltheit sich auf bestimmte technische Möglichkeiten einzulassen. Vielleicht wäre das, was wir von Japan lernen können, eine gewisse Offenheit, also eine reflektierte Offenheit natürlich, ist ja klar, aber vielleicht auch ein gewisses verspieltes Element dann auch zu erlernen oder zu übernehmen im Umgang mit Technik.

    Krauter: Michael Funke war das, Technikphilosoph von der Technischen Universität Dresden.