Die Nachricht aus Frankreich ereilte Front National-Chefin Marine Le Pen im Libanon. Für sie eine Reise von großer Bedeutung für ihr internationales Profil, war sie doch als Präsidentschaftskandidatin das erste Mal von einem ausländischen Staatsoberhaupt empfangen worden. Und so war die einzige Reaktion der Partei daheim zunächst eine schriftliche Erklärung:
"Zum zweiten Mal wurden dieselben Büros wegen derselben Vorwürfe durchsucht, was beweist, dass die erste Durchsuchung erfolglos gewesen ist", heißt es da.
Schon vor einem Jahr war die Parteizentrale durchsucht worden. Nicht nur die Brüsseler Betrugsbehörde, auch französische Untersuchungsrichter haben sich inzwischen des Falls angenommen und ermitteln unter anderem wegen Veruntreuung, Betrugs und Scheinbeschäftigung.
Die Wähler stehen weiter hinter dem Front National
Für den Front National ist die Durchsuchung der Parteizentrale in Nanterre nichts anderes als eine "medienwirksame Operation", die den Wahlkampf stören soll, in einem Moment, in dem Marine Le Pen in den Umfragen auch in der Stichwahl aufholt. Als es Ende der vergangenen Woche hieß, die Chefin des Front National habe die Scheinbeschäftigungen eingeräumt, echauffierte die sich im Radio:
"Das ist eine schamlose Lüge! Ich habe überhaupt nichts eingeräumt, vor Ermittlern, die ich noch nie gesehen habe. Hier ist überhaupt nichts fiktiv."
Marine Le Pen liegt seit Wochen in den Umfragen zum ersten Wahlgang stabil vorn. Während viele Wähler noch unsicher sind, für wen sie im April und Mai stimmen wollen, schwanken die potentiellen Wähler des Front National nicht. Sie stehen hinter ihrer Kandidatin. Und die will weiter kandidieren. "Die Familie der Unberührbaren" hat der konservative Präsidentschaftskandidat Francois Fillon die Le Pens genannt. Denn gegen Marine und ihren Vater Jean-Marie wird auch wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt. Im Gegensatz zu Francois Fillon scheinen Marine Le Pen die Affären jedoch nichts anhaben zu können. Doch auch Fillon holt wieder auf.
Die EU vermutet illegale Parteienfinanzierung
März 2015 im Straßburger Büro des damaligen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz. Schulz hat ein Organigramm der Partei Front National in der Hand. Darauf sind zahlreiche Namen farbig hervorgehoben mit Vermerken wie "Abgeordneter" oder "Assistent". Schulz erklärt:
"Die Abgeordneten erfüllen offensichtlich neben ihrem Mandat hier auch Funktionen in der Partei und weisen ihre parlamentarischen Assistenten als Mitarbeiter in ihren Parteifunktionen aus. Und das ist rechtlich nicht zulässig."
Denn die Assistenten der Abgeordneten werden vom Parlament – und damit vom europäischen Steuerzahler – für ihre Parlamentsarbeit bezahlt. Arbeiten sie in Wirklichkeit für eine Partei, wäre das illegale Parteienfinanzierung. Geld des Parlaments würde so zugleich unrechtmäßig ausgegeben.
"Deshalb habe ich das, wie es immer in solchen Fällen geschieht, OLAF – also das Anti-Betrugs-Organ der Europäischen Union – um Aufnahme von Ermittlungen gebeten."
Le Pens Diäten werden ab März gekürzt
Im Juli vergangenen Jahres lag der Bericht der OLAF-Ermittler dann vor. Sie kommen zu dem Schluss: Im Falle der Abgeordneten Marine Le Pen wurden zwei Assistenten vom Parlament bezahlt, die in Wirklichkeit andere Aufgaben, als die parlamentarische Arbeit, erledigten.
Da Le Pen zu den Ermittlungsergebnissen keine weiteren Angaben machen wollte, entschied das EU-Parlament Ende vergangenen Jahres: Le Pen muss 340.000 Euro, die für die beiden Mitarbeiter gezahlt wurden, zurückerstatten. Die Vorsitzende des Front National bestreitet allerdings die Vorwürfe, spricht von einer einseitigen Entscheidung politischer Gegner. Le Pen weigert sich allerdings, das falsch ausgegebene Geld zurückzuzahlen. Das Parlament entschied deshalb, der Abgeordneten ab März ihre Diät und die Tagespauschalen um die Hälfte zu kürzen und ihre monatliche Kostenpauschale etwa für ihr Büro ganz zu streichen.