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"Erpressung" beim Handelsabkommen mit Ostafrika

Das Freihandelsabkommen EPA zwischen der EU und 78 afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten wurde im vergangenen Herbst nach langen Verhandlungen durchgesetzt. Die EU soll Kenia dabei zu einer Unterschrift gedrängt haben. Experten sehen in dem Abkommen grundsätzlich eine Bedrohung für die ostafrikanischen Märkte.

Von Jochen Zierhut |
    Kenias Präsident Uhuru Kenyatta (links) am Rednerpult, flankiert von Vize-Präsident William Ruto
    Wurde er zur Unterschrift genötigt? Kenias Präsident Uhuru Kenyatta (links) mit Vize-Präsident William Ruto (AFP/ John Muchucha)
    1.500 Hühner besitzt Goedfrey Ng'anga am Rande Nairobis, dazu sechs Kühe - er ist ein typischer Kleinbauer wie Tausende in Kenia - aber er hat auch Angst, dass ihm die Marktmacht aus Europa bald die Existenz zerstört:
    "Sie sollten unsere Produkte kaufen. Eier, Milch, Hühner, aber ihre Technologie ist sehr gut und sie können IHRE Produkte sogar viel billiger bei uns verkaufen als wir selbst."
    Der Grund für seine Angst und die der meisten Kleinbauern ist das Freihandelsabkommen (kurz EPA) zwischen der EU und der Ostafrikanischen Gemeinschaft vom vergangenen Jahr. Das sollte angeblich nur Vorteile für alle bringen - wie es ein Werbefilm der EU für Kenia aus dem Jahr 2013 einflüstern will - das Abkommen sei eben mehr als die gegenseitige Marktöffnung:
    "Eine echte Partnerschaft, die die Integration Ostafrikas in die EU voranbringe und gute Bedingungen für Investitionen schaffe."
    Dagegen machtbesonders in Kenia ein hässliches Wort die Runde, wenn es um das Freihandelsabkommen mit der EU geht: "Erpressung!" Denn nach zehn Jahren Verhandlungen mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft - also Kenia, Ruanda, Burundi, Tansania sowie Uganda - wollte Brüssel den Deal endlich abschließen. Aber vor allem in der kenianischen Hauptstadt Nairobi wollte man dann doch nicht unterschreiben - aus Angst, die heimische Landwirtschaft als wichtigster Wirtschaftszweig könnte nicht gegen die niedrigeren Preise des subventionierten Obstes und Gemüses aus der EU konkurrieren. Zwar haben die Ostafrikaner weiterhin zollfreien Zugang zum europäischen Markt. Aber, kritisiert Frederick Njehu von der Kenianischen Menschenrechts-Kommission:
    "Das ist ein sehr schlechter Deal. Was die EU alles von der ostafrikanischen Gemeinschaft verlangt hat, kann die nicht verkraften.Besonders die Liberalisierung von 82,6 Prozent des Marktes. Das bedeutet die Abschaffung praktisch aller Importzölle über die nächsten 15 Jahre."
    Die EU spielte ihre Wirtschaftsmacht aus
    Allein Kenia verliert nach Schätzungen eines heimischen Wirtschaftsinstituts weit über 100 Millionen Euro jährlich. Geld, das für den Aufbau der eigenen Wirtschaft fehlen wird. Im Freihandelsabkommen steht unter anderem auch ein Verbot neuer Steuern auf Exportgüter in die EU - die jedoch wollten die ostafrikanischen Staaten übergangsweise durchsetzen, um ein "Ausbluten" der eigenen Wirtschaften zu verhindern. Nach Ansicht der EU alles unnötige Ängste - im Brüsseler Werbefilmchen für das Handelsabkommen klingt das so:
    Dieses Abkommen soll die Partnerschaft stärken.
    Nun, wer nicht will, der muss wohl zu seinem Glück gezwungen werden. Denn als Kenia, das wirtschaftliche Schwergewicht der Region, das Abkommen nicht unterschreiben wollte, spielte die EU im vergangenen Oktober ihre Wirtschaftsmacht aus mit ihrem riesigen Absatzmarkt - und verhängte umgehend Zölle auf kenianische Waren - von 8,5 Prozent bis weit über 30 Prozent etwa auf Schnittblumen, eines der wichtigsten Exportgüter, Röstkaffee, Dosenananas oder verpackten Tee. Diese "Erpressung", wie man in Kenia sagt, hat schnell gewirkt - wenige Wochen später unterschrieb auch die kenianische Regierung das Freihandelsabkommen. Kritik an den rüden Verhandlungsmethoden haben viele geübt - unter anderem auch der Afrikabeauftragte der Bundesregierung, Nooke. Und Wirtschaftsexperten, etwa der Vereinten Nationen sehen in dem Abkommen keine Chance für die Ostafrikaner, sondern langfristig sogar eine Bedrohung durch die europäischen Märkte.