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EU-Gipfel
EU einigt sich auf freiwillige Flüchtlingsverteilung

Die EU-Kommission ist mit dem Vorschlag einer verbindlichen Flüchtlingsquote in Europa gescheitert. Die EU-Staaten wollen zwar 60.000 Flüchtlinge auf alle 28 Mitgliedstaaten verteilen - aber nur auf freiwilliger Basis. Italien reagiert empört.

    Eine Syrerin trinkt Wasser aus einer Flasche.
    Eine geflohene Syrerin wartet an der türkisch-syrischen Grenze. (afp/Simsek)
    Nach einer emotional geführten Debatte hat der EU-Gipfel die Verteilung von 40.000 Flüchtlingen von Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten vereinbart. Die EU-Staats- und Regierungschefs vereinbarten in Brüssel zudem, dass sich alle Staaten an der Umsiedlung von 20.000 anerkannten Bürgerkriegsflüchtlingen etwa aus Syrien beteiligen.
    Dies dürfte aber nur auf freiwilliger Basis erfolgen - und nicht wie von der EU-Kommission und Italien gefordert auf Grundlage einer festen Quote. "Alle Staaten haben Zusagen gemacht", sagte EU-Gipfelchef Donald Tusk in Brüssel. Ausnahmen seien nur Ungarn und Bulgarien. Tusk sagte: "Diese beiden Länder unterliegen schon einem großen Migrationsdruck und werden deshalb als Sonderfälle behandelt." Allerdings kann auch Großbritannien von einer Ausnahmeregelung Gebrauch machen.
    Osteuropäer setzen sich durch
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte den Beschluss als eine gute Botschaft. Sie fügte mit Blick auf die Differenzen aber auch hinzu: "Da wird also noch viel Arbeit sein."
    Mit dem Kompromiss setzten sich die osteuropäischen Staaten durch, die eine verbindliche Quote abgelehnt hatten. Die Diskussion in der Runde der 28 Staats- und Regierungschefs war nach Teilnehmerangaben sehr heftig, vor allem der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi warf den Osteuropäern mangelnde Solidarität vor. Diplomaten zitierten den Italiener mit den Worten: "Wenn Ihr mit der Zahl von 40 000 nicht einverstanden seid, verdient Ihr es nicht, Europa genannt zu werden. Wenn das Eure Vorstellung von Europa ist, dann könnt Ihr es lassen." Er fuhr fort: "Entweder es gibt Solidarität - oder verschwendet nicht unsere Zeit."
    Allerdings gibt es zumindest drei Ausnahmen: Großbritannien muss sich wegen einer Ausnahmeregelung ohnehin nicht an der Verteilung beteiligen. Auf dem EU-Gipfel wurde zudem entschieden, dass Ungarn und Bulgarien keine zusätzlichen Flüchtlinge aufnehmen müssen. Merkel bezeichnete Ungarn als das EU-Land, das in diesem Jahr ohnehin schon die meisten Flüchtlinge pro Kopf der Bevölkerung aufnehmen musste. Bulgarien dagegen gehört zu den ärmsten EU-Mitgliedstaaten.
    Juncker reagiert enttäuscht
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker äußerte sich enttäuscht, dass der Kommissionsvorschlag mit verpflichtenden Quoten abgelehnt wurde. Nun habe man nur bescheidende Ambitionen gezeigt. "Wir müssen schauen, ob das System funktioniert", sagte er mit Blick auf die nun vereinbarte Freiwilligkeit. EU-Ratspräsident Tusk sagte: "Wir brauchen Solidarität mit den Frontstaaten."
    Seit Jahresbeginn sind bereits weit über 100.000 Flüchtlinge allein über das Mittelmeer in die EU gekommen. Angesichts einer hohen Zahl von Toten durch gekenterte Schiffe hatten die EU-Regierungen im April ein Konzept beschlossen, das neben einer verstärkten Seenotrettung auch den Kampf gegen Schleuser und Aufbauhilfen in Afrika vorsieht.
    (fwa/lob)