Kurz bevor die EU-Abgeordneten in die Parlamentsferien gingen, kam sie noch einmal auf: Die Debatte darüber, ob Martin Schulz im Januar 2017 seinen Posten als Parlamentspräsident turnus- und verabredungsgemäß aufgeben soll. Oder nicht. Zündstoff lieferte ein gemeinsames Interview von Schulz und Juncker. Der christdemokratische EU-Kommissionspräsident hatte sich dabei klar dafür ausgesprochen, dass der Sozialdemokrat Schulz sein Amt behält, den er als Freund bezeichnet und mit dem er bestens zusammenarbeitet. Jean-Claude Juncker hatte in dem besagten Interview wiederholt, was er schon häufiger zu Protokoll gegeben hatte.
"Ich bin in europäischen Dingen seit über 30 Jahren unterwegs. Mir ist keine Phase europäischer interinstitutioneller Zusammenarbeit bekannt, wo die Zusammenarbeit so intensiv, so tätig angewiesen wäre, wie das jetzt der Fall ist."
Und deshalb sehe er nicht ein, so Juncker, dass man nicht mit einem bewährten Team weiter machen sollte.
Kritik im EU-Parlament
Im Europaparlament sieht man dagegen nicht ein, dass der EU-Kommissionspräsident, zugunsten seines Präsidenten, öffentlich Position bezieht. Selbst sozialdemokratische Parteifreunde von Schulz, wie der SPD-Abgeordnete Jo Leinen, fanden Junckers Einlassung wenig sachdienlich und noch weniger hilfreich.
"Ich finde die nicht hilfreich, weil das Parlament soll selbst entscheiden, wer sein Präsident oder seine Präsidentin ist. Natürlich wir hinter den Kulissen da auch diskutiert und geschoben, aber so offen von außen zu sagen, wenn gern als Vertreter der Bürgerkammer hätte – das schickt sich nicht und kann auch kontraproduktiv sein."
Sinkende Chancen
Unter dem Motto: Wenn Schulz überhaupt noch eine winzig kleine Chance gehabt haben sollte, weiter EU-Parlamentspräsident zu bleiben, dann tendiert sie nach dem Interview praktisch gen Null. Vor allem in der EVP-Fraktion, die als größte Fraktion auf das Recht einen Kandidaten für das Präsidentenamt zu benennen, ohnehin kaum erneut hätte verzichten wollen, ist der Widerstand gegen "Schulz zum Dritten" größer denn je. Selbst wenn ein Jean-Claude Juncker, der ja aus der eigenen Parteifamilie kommt, sich das so wünscht.
"Es ist das gute Recht von Herrn Juncker und Herrn Schulz ihre Freundschaft öffentlich dazustellen. Dagegen hat niemand etwas",
sagt David McAlister, CDU-Europaparlamentarier.
"Aber, was die zukünftige Besetzung des Parlamentspräsidenten angeht, ist die Ausgangslage klar: Es gibt eine Vereinbarung zwischen der EVP und der S&D-Fraktion, dass wir uns die Position des Parlamentspräsidenten für diese Wahlperiode teilen. Die Sozialdemokraten haben die ersten zweieinhalb Jahre den Parlamentspräsidenten gestellt. Und ich gehe davon aus, dass diese Vereinbarung gilt und dass in der zweiten Hälfte dann die größte Fraktion, nämlich die EVP, zum Zuge kommt."
Nachfolger gesucht
Jedenfalls muss eine Person her, die ähnlich wie Martin Schulz – und da sind sich, trotz Kritik an seinem Amtsverständnis im Detail, alle einig – mehr sein muss als ein "Frühstücksdirektor".
"Martin Schulz war kein Frühstücksdirektor, sondern ein politischer Präsident, und ich kann mir eigentlich keinen zeremoniellen Präsidenten mehr vorstellen."
"Die grüne Fraktion wird ihre Strategie für die nächste Wahl des Präsidenten des Europäischen Präsidenten im Herbst festlegen",
sagt Rebecca Herms, eine der beiden Ko-Vorsitzenden der Grünen im EU-Parlament.
"Ich habe zwei Mal Schulz gewählt. Ich bin mit ihm oft einverstanden; ich gerate auch oft mit ihm aneinander. Ich finde, man muss ihm zugutehalten, dass er es geschafft hat, das Europäische Parlament mit einem stärkeren Profil zu versehen."
Einige Namen zirkulieren schon, wer dafür infrage käme, in Schulz' Fußstapfen zu treten. Ein Deutscher werde es jedenfalls wohl nicht wieder sein, vermutet Jo Leinen.
"Alain Lamassoure, der ehemalige französische Europaminister wäre eine Figur, die man gut sich vorstellen kann – aber warum nicht auch mal eine Frau?
Wir haben eine tatkräftige Vizepräsidentin aus Irland, Frau McGuiness. Die ist beherzt; die ist zupackend; die ist trotzdem ausgleichend. Also die kann ich mir auch gut vorstellen."
Bisher keine offiziellen Kandidaten
Weniger dagegen kann sich Leinen den ehemaligen EU-Kommissar Antonio Tajani vorstellen, dessen Name in dem Zusammenhang häufiger fällt. Wer schlussendlich der Kandidat der EVP wird, entscheidet sich im September, sagt David McAllister.
"Noch hat sich niemand öffentlich erklärt. Und wir hatten uns auch darauf verständigt, bis zur Sommerpause das auch nicht entsprechend öffentlich zu debattieren."