Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte, die EU-Richtlinie "beinhaltet einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt". Der EuGH hatte bereits im vergangenen Dezember Zweifel an der Vorratsdatenspeicherung geäußert.
Gericht: Grenze wurde überschritten
Die obersten EU-Richter räumten zwar ein, dass das Ziel der Vorratsdatenspeicherung die Bekämpfung schwerer Kriminalität und damit der Schutz der öffentlichen Sicherheit gewesen sei. Die Gesetzgeber hätten aber eine Grenze überschritten, die sie zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hätten einhalten müssen. Der EuGH gab damit einer irischen Bürgerrechtsorganisation, der Kärntner Landesregierung und mehreren Tausend Österreichern Recht, die gegen die Datenspeicherung geklagt hatten.
Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament, Jan Philipp Albrecht, nannte das Urteil einen Befreiungsschlag für die Bürgerrechte. Der tiefe Eingriff in die Privatsphäre habe zu keiner erkennbaren Verbesserung der Strafverfolgung geführt. Zwar verwirft das Gericht die Richtlinie, nicht aber das Prinzip der Vorratsdatenspeicherung. In dem Urteil heißt es, dass diese "eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung darstellt".
Vorratsdatenspeicherung auch in Deutschland gekippt
In Deutschland existiert zurzeit keine gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht hatte die deutschen Vorgaben 2010 ebenfalls gekippt. Die damalige Regierung aus Union und FDP konnte sich anschließend nicht auf eine Neufassung einigen.
Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die EU-Vorgaben umzusetzen. Allerdings sieht Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nun keinen Grund mehr, schnell einen deutschen Gesetzentwurf vorzulegen. "Die Grundlage für die Vereinbarung im Koalitionsvertrag ist entfallen." Auch Zwangsgelder drohten nicht mehr, so Maas. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) drängte hingegen auf rasches Handeln. Alle Fachleute seien sich einig, dass die Vorratsdatenspeicherung für die Aufklärung schwerer Straftaten geboten sei.
Richtlinie war Reaktion auf Terroranschläge
Die aktuelle EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung stammt aus dem Jahr 2006 und ist eine Reaktion auf die Terroranschläge in Madrid 2004 und in London 2005. Sie sieht vor, dass Telekommunikations-Anbieter Daten aller Bürger bis zu zwei Jahre lang aufbewahren sollen.
Gespeichert werden aber nicht die Inhalte von Telefonaten, Mails oder Internetseiten, sondern lediglich Verbindungsdaten wie Zeit, Ort, Sender und Empfänger. Ermittler sollen darauf zugreifen dürfen, um schwere Straftaten schneller aufzuklären.
(tj/bor)