Die Mitte ist das Zentrum ist das Herz: Nüchtern betrachtet, ist die Mitte nur ein Punkt - sei es die Kreuzung zweier Linien auf einer Fläche oder der errechnete Schwerpunkt eines dreidimensionalen Körpers. Und doch schwingt viel mehr mit: Hier ist das Zentrum des Geschehens, hier laufen alle Fäden zusammen, hier liegt die goldene Mitte.
Der Mittelpunkt des europäischen Kontinents muss irgendwo zwischen Spitzbergen im Norden, den Kanarischen Inseln im Süden, den Azoren im Westen und dem Uralgebirge im Osten liegen. "Europa ist kein Ort, sondern eine Idee", soll der französische Kulturphilosoph Bernard-Henri Lévy einst gesagt haben. Dessen ungeachtet beanspruchen gleich mehrere Orte in unterschiedlichen Ländern für sich, der Nabel Europas zu sein. Was steckt dahinter und wie lebt es sich an diesen Orten, die für sich beanspruchen, im Zentrum zu stehen? Eine Spurensuche an drei Orten – mitten in Europa.
Die Kleinstadt Suchowola liegt im äußersten Nordosten Polens, fast an der Grenze zu Weißrussland. Vor 240 Jahren soll genau hier ein Astronom und Kartograf den Mittelpunkt des europäischen Kontinents errechnet haben. Heute reiht sich auf einer Schnellstraße, die den Ort mittendurch teilt, ein Lkw an den nächsten: Mit der Europastraße 67 ist der Lastverkehr des Kontinents auch hier angekommen.
Suchowola in Polen: die geografische Mitte von Europa
Das Zentrum von Suchowola ist eine strahlend weiße Kirche: Zwei klassizistische Glockentürme ragen mit Ziergiebeln und angedeuteten Säulen in den Himmel. Auf dem Marktplatz davor plätschern die Brunnenfontänen, als wollten sie das Rauschen des Verkehrs übertönen. Ein Reisebus schwenkt auf den Parkplatz ein und entlässt eine Gruppe silbergrau beschopfter Touristen.
"Wenn die Menschen zu uns kommen, dann kommen sie, weil der Geburtsort von Priester Jerzy ganz in der Nähe ist. Ihnen ist zwar bewusst, dass hier der Mittelpunkt Europas ist, aber nur ein kleiner Teil von ihnen kommt deswegen, sondern eher wegen Jerzy Popiełuszko."
Tomasz Małyszko ist der katholische Priester von Suchowola - und er ist der Hüter des bekanntesten Sohnes der Gemeinde: Jerzy Popiełuszko ist in ganz Polen als Priester des Protests bekannt. Mit der Gewerkschaft Solidarność hat er in den 1980er-Jahren gegen das herrschende Regime gekämpft - bis er 1984 vom polnischen Geheimdienst ermordet wurde.
"Suchowola ist bekannt, weil er hier getauft wurde, weil er hier die Schule besucht hat und weil er ganz in der Nähe geboren wurde und seine Familie bis heute hier lebt."
Jerzy Popiełuszko gilt als Märtyrer. Er ist Symbol des gemeinsamen Kampfes der katholischen Kirche und der demokratischen Opposition gegen die kommunistische Herrschaft. Noch in den 80er-Jahren hat die Gemeinde ein kleines Museum für den bekannten Sohn der Gemeinde eingerichtet, gleich neben dem Pfarrhaus.
Berühmtester Sohn der Stadt: Jerzy Popiełuszko - Priester des Protests
Priester Małyszko zeigt auf ein massives Marmorbecken, in dem Pater Jerzy einst getauft wurde. Zu den Ausstellungsstücken gehören außerdem ein Sargkissen und ein steinerner Seziertisch, auf dem seine Leiche zuletzt untersucht worden sein soll. Es ist ein wildes Sammelsurium, durch das Małyszko führt. Der Mittvierziger ist seit 2012 in Suchowola. Er mag die Gegend, sein kurzärmliges schwarzes Hemd mit dem weißen Stehkragen gibt den Blick frei auf seine braun gebrannten Unterarme.
Derzeit plant er ein modernes Museum nebenan - inklusive Übernachtungsmöglichkeiten für Pilger.
Nachdem Regierungschef Wojciech Jaruzelski 1981 die Aktivisten der Solidarność und der Opposition massenweise hatte verhaften lassen, lockten die regierungskritischen Predigten von Pater Jerzy immer mehr Oppositionelle in die Stanislaw Kostka-Kirche in Warschau.
Nachdem Regierungschef Wojciech Jaruzelski 1981 die Aktivisten der Solidarność und der Opposition massenweise hatte verhaften lassen, lockten die regierungskritischen Predigten von Pater Jerzy immer mehr Oppositionelle in die Stanislaw Kostka-Kirche in Warschau.
"Als 1981 in Polen das Kriegsrecht verhängt wurde und die Menschen entmutigt waren von dem, was in Polen passiert, hat Pater Jerzy jeden Monat eine 'Messe für das Vaterland' gehalten, zu der tausende Menschen kamen. Die Kirche war viel zu klein für sie, sie standen auf der Straße und die Messe wurde mit Lautsprechern ins Freie übertragen. Diese Messen waren sehr wichtig für die Polen. Die Menschen kamen aus dem ganzen Land und diese Hoffnung und die gute Botschaft, die er gepredigt hat, hat sehr großen Einfluss im ganzen Land gehabt."
Am 19. Oktober 1984 stoppen als Polizisten verkleidete Geheimdienstagenten den Wagen von Pater Jerzy, schlagen ihn nieder, foltern ihn und werfen ihn mit Steinen beschwert in einen Stausee. Elf Tage später wird seine Leiche gefunden. Um den Zorn des Volks abzumildern, beeilt sich das Regime, vier Schuldige zu finden, die zu hohen Haftstrafen verurteilt werden. Die Hintergründe der Tat sind allerdings bis heute nicht restlos aufgeklärt. Zum Begräbnis des Priesters strömen im November 1984 bis zu einer halben Million Menschen.
"2010 wurde er seliggesprochen, das hat die Erinnerung an ihn neu belebt und wir sehen, dass viele Menschen aus ganz Polen aber auch aus anderen Ländern hierher kommen und seine Geschichte kennenlernen wollen."
1775 verband der königliche Kartograf die äußersten Punkte Europas
Nach dem Besuch in der Kirche und im Museum macht die Gruppe polnischer Touristen Halt an einem mannshohen Findling mitten auf dem Marktplatz. Hier soll sie also sein, die geografische Mitte Europas. 1775 soll der königliche Kartograf und Astronom Szymon Antoni Sobiekraijski die damals existierenden Karten zur Hand genommen und die äußersten Punkte des europäischen Kontinents mit ihrem Gegenüber verbunden haben. Wobei er alle Inseln außen vor ließ.
Die beiden Linien führten von Norwegen im Norden bis ins südliche Griechenland und von Portugal im Westen bis zum Ural im Osten - gekreuzt haben sie sich demnach in Suchowola. Zur Feier der Berechnung ließ König Stanisław August dem Ort mit seinen damals rund 600 Einwohnern die Stadtrechte zukommen.
Das Schulgebäude von Suchowola liegt gleich hinter dem Marktplatz. In dem vierstöckigen Zweckbau sind das Gymnasium und die Berufsoberschule untergebracht. Am Eingang hängt ein Bild von Jerzy Popiełuszko, der sich mit bescheiden gesenktem Blick bekreuzigt. Es ist kurz vor Ferienende. Drinnen wird die Leere für Renovierungsarbeiten genutzt.
"Ich heiße Michal Matyskiel ich bin der Direktor der Schule in Suchowola. Das ist die Schule, die sowohl meine Eltern als auch ich besucht haben. Jetzt arbeite ich hier."
Michal Matyskiel ist ein gut gelaunter Mann Anfang 40. Sein Hemd ist sommerlich, der Vollbart etwas zerzaust. Er wirkt wie einer, der lieber selbst anpackt, als Dinge geschehen zu lassen. Seine Schulsekretärin legt Wurst und Käse auf den Tisch, die sie aus ihrem Urlaub in Frankreich mitgebracht hat. Dazu gibt es starken schwarzen Tee.
"Suchowola ist ein landwirtschaftlich geprägter Ort, es gibt hier keine großen Betriebe mit vielen Angestellten. Das ist ein Problem für die Stadt."
In seiner Jugend sei schon die Fahrt ins 50 Kilometer entfernte Bialystok eine große Sache gewesen, erzählt er. Aber heute sähen die Jugendlichen die ganze Welt im Internet und wollten sie schließlich auch hautnah erleben. Unweit von Suchowola beginnt ein Nationalpark entlang des Flusses Biebrza: weiter Himmel, saftige Wiesen an den Ufern und Alleen, die die Landstraßen säumen.
Die Landschaft legt hier mehr Zurückhaltung an den Tag als im etwas weiter westlich gelegenen Masuren, ist aber durchaus idyllisch. Idylle ist aber nicht unbedingt das, was die Jugend sucht. Seit seinem Amtsantritt als Direktor vor sieben Jahren ist die Zahl der Schüler um 20 Prozent auf 250 gesunken. Dieses Jahr musste Matyskiel fünf seiner Lehrer entlassen:
"Wir sehen hier ein Paradox: Viele Jugendliche verlassen die kleinen Städte, obwohl sie mit Hilfe von EU-Mitteln modernisiert wurden. Die Ortschaften sehen schöner aus, neue Straßen wurden gebaut. Aber das Problem ist - wie man hier sagt - es gibt neue Wege, aber es gibt keine Möglichkeit, mit diesen neuen Wegen irgendwohin zu fahren. Es gibt keine Arbeit und das ist das größte Problem von Ortschaften wie wir es sind."
Im Schulflur hängt ein mit Filz ausgeschlagener Schaukasten, in dem die Porträts junger Schulabsolventen aufgereiht sind. Seit zwei Jahrzehnten zeichnet die Schule jedes Jahr den oder die Schülerin mit dem besten Abschluss aus. Nur zwei von zwanzig wohnen aktuell noch in der Stadt. Eine arbeitet als Lehrerin, der andere ist Landwirt.
Verlegung des Nabels von Europa zu Propaganda-Zwecken
Als ein örtlicher Mathematiker in den 1970er-Jahren die Berechnungen des Astronomen aus dem 18. Jahrhundert wiederholte, wich seine ermittelte Mitte Europas übrigens mehrere hundert Meter von dem heute ausgewiesenen Ort ab. Aus Propaganda-Zwecken sei der Nabel Europas im 18. Jahrhundert wohl in die Mitte des Ortes verlegt worden, so die Vermutung.
Originaldokumente über die Messung des Astronomen sind vor Ort nicht zu finden. Die Kulturabteilung des Rathauses verweist auf die städtische Bibliothek. Zwei hilfsbereite Bibliothekarinnen finden zwischen Kinderbüchern und Reiseführern die Abhandlung eines Heimatkundlers, der die Messung des Astronomen tatsächlich auf den Tag genau datiert. Seine Quelle: Ein Zeitungsartikel aus den 1960er-Jahren, danach verliert sich die Spur. Der Heimatkundler ist inzwischen verstorben.
Ungeachtet dessen, dass einige Länder sich eines geografischen Mittelpunktes Europas rühmen, liegt das tatsächliche und einzige geografische Zentrum Europas in Litauen. Dies haben Messungen des Französischen Nationalinstituts für Geografie ergeben. Diese Tatsache ist auch im Guinnessbuch der Rekorde registriert.
Aus dem Informationsblatt "Das Geographische Zentrum Europas", Purnuskes, Litauen.
Die Verortung des geografischen Mittelpunktes von Europa hängt natürlich davon ab, wie man die Grenzen des Kontinents definiert. So ist auch entscheidend, ob Inseln als äußerste Punkte mitgezählt werden, oder eben nicht. 1989 - kurz vor dem Ende der Teilung Europas durch den Eisernen Vorhang - soll das französische "Institut géographique national" nachgerechnet und den Flächenschwerpunkt des Kontinents neu bestimmt haben.
Französische Geografen sehen Mittelpunkt Europas im litauischen Purnuskes
Dabei sind die Geografen davon ausgegangen, dass Europa im Norden von Spitzbergen, im Süden von den Kanarischen Inseln, im Westen von den Azoren und im Osten vom Uralgebirge begrenzt wird. Die Kanarischen Inseln, Madeira, die Azoren und Island haben sie dem europäischen Kontinent zugerechnet, die Insel Nowaja Semlja dagegen nicht. Auch die Lage der Insel Malta mitten im Mittelmeer wurde nicht berücksichtigt. Das Ergebnis: Der Mittelpunkt Europas liegt im Dorf Purnuskes nördlich der litauischen Hauptstadt Vilnius.
Der litauische Mittelpunkt Europas liegt auf einer Anhöhe. Die Flaggen der 28 Mitglieder der Europäischen Union säumen den Weg zu einer gut vier Meter hohen Stele aus weißem Granit. Sie wird gekrönt von einem Geflecht aus goldenen Sternen. Ungeachtet dessen, dass der europäische Kontinent bis zum russischen Ural reicht, tritt Europa hier vor allem mit den Insignien der Europäischen Union auf. Die Parkanlage mit Stele wurde anlässlich Litauens EU-Beitritt 2004 errichtet. In einem schmucken Holzhäuschen mit weiß gestrichenen Fensterläden stempelt eine Studentin für Besucher Mittelpunkts-Urkunden ab:
"Wir bekommen sehr oft die Frage gestellt, an welchem Punkt genau die Mitte Europas liegt, ob an der Granitsäule oder an dem großen Stein. Dann antworten wir, dass er in etwa hier in diesem Raum ist. Es ist ein ganz besonderes Gefühl, hier an der geografischen Mitte Europas zustehen. Oft sagen Besucher, dass es auch in anderen Ländern europäische Mitten gäbe. Aber die Mitte hier haben ja die Franzosen bewiesen, nicht wir Litauer. Daher glauben wir, dass es die Mitte Europas ist."
Das Areal ist umgeben von Bäumen, gleich dahinter beginnt der gleichmäßig geschorene Rasen eines angrenzenden Golfplatzes. Ein Mann um die 50 zieht seine Golftasche mit klappernden Schlägern hinter sich her:
"Beim Golfspielen versuchen wir aufzupassen, dass der Golfball nicht Richtung Zentrum Europas fliegt, sonst stören wir die Besucher."
Er spiele schon seit zehn Jahren Golf und komme immer am Wochenende hierher, weil er gleich um die Ecke sein Haus habe. Im März 1990 war Litauen die erste Sowjetrepublik, die sich von Moskau lossagte und damit den Anfang vom Ende der Sowjetunion einläutete. Kreml-Chef Gorbatschow reagierte damals mit Härte und verhängte eine Wirtschaftsblockade.
Litauen als Musterknabe der Europäischen Integration
Im Januar 1991 kam es zur Konfrontation: Moskautreue Kräfte versuchten sich mit Hilfe sowjetischer Militärs, in Vilnius an die Macht zu putschen – 14 Menschen starben, fast 1.800 wurden verletzt. Doch der Putsch misslang, und die Litauer stimmten in einem Referendum für die Unabhängigkeit ihres Landes.Zusammen mit ihren baltischen Nachbarn, Estland und Lettland, gelten die Litauer heute als Musterknaben der Europäischen Integration. Nach der Abkehr von der Sowjetunion verschrieben sie sich der Demokratie und der Marktwirtschaft – mit Erfolg: Seit Ende der 1990er wuchs die Wirtschaft der drei Republiken zusehends. 2008 traf die internationale Finanzkrise das Land hart, doch auch davon erholt es sich langsam. Inzwischen wächst die Wirtschaft wieder und seit Januar 2015 zahlen die Litauer mit dem Euro."Als wir als Land unsere Unabhängigkeit zurückgewonnen hatten, war das für uns etwas ganz Besonderes. Das galt für alle Menschen, die mit ihrem eigenen Kopf denken und sich selbst etwas erwirtschaften können. Das hat für uns enorme Möglichkeiten eröffnet. Ich arbeite wie früher als Tiefbauingenieur, nur habe ich jetzt mein eigenes Unternehmen und kann so gut leben."Vom Golfplatz aus geht es rund 17 Kilometer über Landstraße. In den Dörfern stehen frisch gemauerte Einfamilienhäuser neben einfachen Holzhäuschen - Rückzugsorte für Städter, die es sich leisten können. Am Straßenrand mischen sich Birken unter Fichten, hinter einer Schranke führt eine geteerte Straße tiefer in den Mischwald. Als Gintaras Karosas 1987 diesen abgeschiedenen Ort entdeckte, teilte noch der Eiserne Vorhang Europa:"Ich bin der Autor von diesem Landschaftspark 'Europas Parkas'. Im Grunde ist es ein Kunstwerk: Die Umgebung, die gestaltete Landschaft und die unter freiem Himmel ausgestellten Kunstobjekte bilden zusammen ein Ensemble, also ein Kunstwerk."Karosas redet leise. Seine Augen liegen im Schatten, Hemd und Haar haben ein dunkles Grau. Der Bildhauer ist ein Mann, der lieber seine Kunstwerke sprechen lässt, als selbst große Worte zu machen. Schon als Kind entscheidet er, Künstler zu werden. In den 80er-Jahren bewirbt er sich an der Kunstakademie – und wird zunächst abgelehnt. Damals trifft er den Entschluss, ein eigenes Museum aufzubauen – und zwar in der freien Natur."Ich bin mit dem Vorkriegs-Opel meines Vaters, den ich in meiner Schulzeit selbst repariert hatte, rumgefahren und habe einen passenden Ort gesucht. So habe ich dann diese idyllische Lichtung mitten im Wald gefunden und entschieden, hier mein Museum unter freiem Himmel zu gründen."Skulpturenpark im Zentrum EuropasSein Skulpturenpark heißt auf Litauisch "Europas Parkas" - Europa Park. Auf einem Areal von 55 Hektar finden sich mehr als 100 Werke von Künstlern aus 34 Ländern. Sie schmiegen sich in Senken, stehen hinter Bäumen und setzten langsam das Moos des Waldes an. Ende der 1980er-Jahre war sein Projekt auch eine Auflehnung gegen die verstaubte sowjetische Museumskultur:"Meine erste Reise in den Westen habe ich 1990 gemacht, um meine Großmutter in Toronto zu besuchen, die direkt nach der Besatzung durch die Sowjets dorthin ausgewandert war. Ich denke, meine Generation hatte nicht so viel Angst, weil wir nicht so stark wie die Generation unserer Eltern oder Großeltern unter dem Einfluss der Sowjetunion gelitten haben. Wir haben das litauische Wappen und die Flagge in unserem Herzen getragen. Wir wussten, wer wir sind und hatten schon damals eine Vorstellung von einem freien Land."In einer Senke stehen – wie zufällig - links und rechts des Weges abgerundete Beton-Figuren. Sie erinnern an überdimensionale Knospen oder Heuhaufen aus Stein. Auf der Betonoberfläche wächst Moos und schimmert hellgrün. Die polnische Künstlerin Magdalena Abakanowicz hat ihrem Ensemble den Titel "Raum des unbekannten Wachstums" gegeben:"Magdalena Abakanowicz ist eine Künstlerin, die den Kontext ihrer Arbeiten erspürt, und das zeigt sich auch hier. Ihre Skulpturen integrieren sich wunderbar in die Landschaft. Sie sind 18 Tonnen schwer, und wir mussten einen Lastkraftwagen und Kräne finden, um den Beton hierher zu transportieren. Anschließend haben wir die Wege wieder mit Erde aufgeschüttet, und es ist nicht zu sehen, dass dahinter so schwere Arbeit steckt. Meine Aufgabe sehe ich auch darin, den Landschaftspark natürlich aussehen zu lassen, damit man menschliche Intervention möglichst wenig spürt. Wenn man durch den Park spazieren geht, wirken die Waldwege und die Wiesen sehr natürlich."Im Park stehen außerdem Werke von Dennis Oppenheim und Sol LeWitt. Ein Labyrinth aus rund 3.000 sowjetischen Fernsehern hat es 2000 ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft – mit einer Fläche von etwas mehr als 3.000 Quadratmetern ist es die größte Skulptur aus Fernsehern weltweit. Allein für die Pflege des Parks und die Instandhaltung der Objekte hat Karosas sechs Techniker angestellt.Karosas führt in eine begehbare Skulptur des Tschechen Aleš Vesely – ein Häuschen aus Stahl. Plötzlich stellt er sich in eine der Ecken und geht mit Schwung in die Knie - der Boden gibt nach - und federt wieder zurück. Mit Schwung bringt Karosas den Boden immer stärker in Bewegung – und strahlt dabei fast kindliche Freude aus. Unter dem Fußboden sind Stoßdämpfer aus der Autoproduktion eingebaut, von der Herstellung her ist es das teuerste Kunstwerk in seinem Park."Ich spüre die Mitte Europas jeden Tag, jeden Morgen und jeden Abend"
Anfang der 1990er-Jahre hat Karosas die Idee, hier in Litauen ein internationales Bildhauer-Symposium ins Leben zu rufen. Damals hat er noch kein Telefon und muss für die Anmeldung die Telefonnummer der Vermieterin eines Freundes angeben:"Das Leitmotiv war, Künstler aus anderen europäischen Ländern zu uns einzuladen, weil wir ein Teil von Europa sind. Nach der Unabhängigkeit haben viele Litauer das Land verlassen, um die große weite Welt zu sehen. Ich war aber immer der Meinung, dass wir am besten hier in Litauen die Möglichkeit haben, uns zu zeigen, uns darzustellen. Das war von Anfang an der Gedanke, von hier aus der Welt zu zeigen, dass wir ein Teil von Europa sind."Wir stehen auf der Lichtung, die er damals entdeckt und als erstes erschlossen hat. Beinahe zärtlich legt er seine Hand auf eine Skulptur: Aus einem massiven Quader erhebt sich in sanftem Schwung eine Spitze. Beim zweiten Anlauf wurde er dann doch an der Kunstakademie genommen, studierte parallel zu seinem Projekt und stellte hier 1991 erstmals Werke von sich aus. Dies ist sein Zentrum Europas, ganz gleich, ob das Ergebnis der Berechnung ein paar Kilometer weiter liegt."Das ist was ganz Besonderes für mich, hier an der geografischen Mitte Europas zu stehen. Ich werde immer wieder gefragt, was die Mitte für mich bedeutet. Natürlich spüre ich, dass ich hier im geografischen Zentrum von Europa stehe. Ich spüre das jeden Tag, jeden Morgen und jeden Abend."Als der polnische Astronom Ende des 18. Jahrhunderts die Siedlung Suchowola als Mittelpunkt Europas errechnete, waren das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen noch im polnischen-litauischen Reich vereint. Seit dem 13. Jahrhundert war der Doppelstaat zu einer europäischen Großmacht herangewachsen. Doch kurz danach teilten die Nachbarmächte Russland, Preußen und Österreich den Unionsstaat schrittweise untereinander auf. Europa ist ein Kontinent der sich beständig verschiebenden Machtverhältnisse."Mittelpunkt Europa": seit 1930 im Familienbesitz1.400 Kilometer südöstlich des 1989 errechneten Mittelpunktes in Litauen findet Europa jede Woche am Stammtisch statt. Im österreichischen Burgkirchen, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Bayern entfernt, liegt an einer Landstraße voller Lkws ein Gasthof mit dem Namen "Mittelpunkt Europa"."Ich führe den Gasthof seit 1991. In Familienbesitz ist er seit 1930, da hat ihn mein Vater gekauft von der ortsansässigen Brauerei."Karl Hofbauer legt eine kurze Rauchpause am Stammtisch ein. Auf seiner zweireihig geknöpften Küchenjacke prangt der Schriftzug "Gasthof Mittelpunkt Europa" - darüber: eine Weltkugel. Hier gibt man sich weltmännisch. Gern erzählt Hofbauer die Geschichte, wie der Gasthof zu seinem Namen gekommen ist. Hintergrund ist die Vermählung der Tochter des österreichischen Kaisers, Marie-Louise von Habsburg, mit Napoleon:"Das war auf der Maria-Luisenhöhe, da hat Napoleon die Maria Luise überreicht gekriegt und hier hat er gesagt, hier ist die Mitte Europas, und es ist sogar in der Stadtchronik in Braunau urkundlich niedergeschrieben. Und ein Vorgänger von uns, das war so circa 1920, hat gesagt, das ist eine gute Idee, wenn Napoleon gesagt hat, hier ist die Mitte. Und durch das ist der Name auf diesen Gasthof gekommen, weil die Maria-Luisenhöhe ist ganz kurz von uns entfernt, vielleicht anderthalb Kilometer, und durch das ist der Name entstanden."Im Gastraum des Wirtshauses dominiert ein dunkles Braun: Bodenfliesen, holzvertäfelte Decken, gepolsterte Eckbänke. Früher fanden hier die Hochzeiten der Umgebung statt, die örtliche Feuerwehr, die Landjugend und der Musikverein trafen sich regelmäßig zum Stammtisch. Inzwischen ist es ruhiger geworden und Hofbauer setzt auf Gäste auf der Durchreise – und auf den Namen seines Hauses:"Es ist einfach in dieser Umgebung ein Begriff und - das muss ich auch sagen - es ist auch für den kleinen ländlichen Tourismus, was wir da haben, ist es auch für die Durchreisenden, und auch für die Kurzurlauber, ist es einfach - wie soll ich sagen- ein kleiner Anziehungspunkt. Weil allein das Wort Mittelpunkt Europa erweckt einfach viel Interesse."Burgkirchen ist so etwas wie der Speckgürtel von Braunau am Inn. Eine Stadt, die sich rühmt, die älteste und größte im dortigen Innviertel zu sein, und eine Stadt, die damit hadert, dass hier das Geburtshaus von Adolf Hitler steht.Napoleon und die Maria-LuisenhöheDer Ausspruch Napoleons sei in der Braunauer Stadtchronik festgehalten, hatte Gastwirt Hofbauer gesagt. Eine Nachfrage im Rathaus ergibt allerdings, dass alle Urkunden beim großen Brand 1874 zerstört wurden. Aber vielleicht wisse man ja im Bezirksmuseum mehr über Napoleon und Europa, so der Ratschlag. Vorbei an der Stadtkirche geht es in eine Gasse mit Kopfsteinpflaster. Das Museum verbirgt sich hinter einer schweren Holztür."Wir sind im Bezirksmuseum Braunau am Inn, das noch den schönen Namen Herzogsburg trägt, auch so eine seltsame Geschichte. Soweit man weiß, hat hier herinnen nie ein Herzog gelebt. Allerdings hat ein Geschichtsschreiber eben diesen Namen geprägt und seitdem ist er auch geblieben. Im Großen und Ganzen dürfte es sich um einen Kasten gehandelt haben, also eine Art Speicher, wo Getreide gelagert wurde, und die Herzogsburg heißt heute noch Herzogsburg - gut für uns!"Manfred Rachbauer ist eigentlich der Museumswart, aber er ist auch Heimatkundler und erforscht seit gut 15 Jahren die Geschichte des Innviertels. Sein Steckenpferd sind die skurrilen Geschichten von Bierkriegen und Bärenjagden. Napoleons Geschichte im Innviertel ist eine Geschichte der Unterwerfung: Gleich vier Mal musste sich Österreich in den Koalitionskriegen dem Herrscher aus Frankreich geschlagen gegeben. Im Bezirksmuseum ist eine Episode aus dem Jahr 1806 festgehalten:"Johann Philipp Palm wurde im Auftrag von Napoleon hier nach Braunau gebracht und vor den Toren der Stadt erschossen, weil er angeblich eine Schmähschrift gegen Napoleon herausgebracht hat. Man hat nie wirklich feststellen können, wer die jetzt geschrieben hat. Und Johann Philipp Palm war eben dann das Opfer, also der einzige, der greifbar war, und deswegen ist er auch verurteilt worden."1809 erlitt der österreichische Kaiser Franz I. die letzte Niederlage gegen Napoleon und unterschrieb den Frieden von Schönbrunn. Als neuer Leiter der Außenpolitik wurde der kompromissbereite Metternich eingesetzt, der schließlich die Eheschließung zwischen Napoleon und Marie-Louise einfädelte. Diese familiäre Verbindung verwickelte Österreich dann auch in Napoleons größtes Unternehmen, den Feldzug gegen Russland im Jahre 1812/13."Tatsache ist, dass die Braunauer schon damals, als der Johann Philipp Palm erschossen wurde, nicht einverstanden waren damit. Man sieht es auf dem Gemälde, wie viele Soldaten da waren. Auch da sagt die Überlieferung, dass es bestens bewacht war, weil man Angst hatte, dass die Bevölkerung möglicherweise einen Aufstand macht."Napoleons Aussage zur Mitte Europas: nur eine Legende?Über 200 Jahre später muss Napoleon immer wieder für Legenden herhalten. Zwei Mal soll er im 18 Kilometer entfernten Altheim Station gemacht haben. Das dortige Hotel mit Restaurant trägt heute den Namen "Napoleonwirt". Auch die Brautübergabe hat ein örtlicher Maler 1981 mit einem Wandgemälde verewigt. Doch was ist nun mit Napoleons angeblicher Aussage zur Mitte Europas?"Es existieren noch Akten über diese Übergabe, ich habe es noch nicht selbst eingesehen, aber es dürfte genügend Aktenmaterial vorhanden sein, sollte irgendwo dieser Ausspruch gefallen sein, besteht eine große Möglichkeit, dass es irgendwo auch schriftlich festgehalten wurde. Also man könnte es auf jeden Fall überprüfen."
Ein paar Monate später meldet sich Museumswart Rachbauer per E-Mail: Leider habe er in keinem der Dokumente Belege dafür finden können, dass Napoleon tatsächlich diese Aussage getätigt habe. Und es kommt noch besser: Napoleon selbst war bei der Brautübergabe gar nicht anwesend – die offizielle Vermählung fand erst später in Paris statt.
Anfang der 1990er-Jahre hat Karosas die Idee, hier in Litauen ein internationales Bildhauer-Symposium ins Leben zu rufen. Damals hat er noch kein Telefon und muss für die Anmeldung die Telefonnummer der Vermieterin eines Freundes angeben:"Das Leitmotiv war, Künstler aus anderen europäischen Ländern zu uns einzuladen, weil wir ein Teil von Europa sind. Nach der Unabhängigkeit haben viele Litauer das Land verlassen, um die große weite Welt zu sehen. Ich war aber immer der Meinung, dass wir am besten hier in Litauen die Möglichkeit haben, uns zu zeigen, uns darzustellen. Das war von Anfang an der Gedanke, von hier aus der Welt zu zeigen, dass wir ein Teil von Europa sind."Wir stehen auf der Lichtung, die er damals entdeckt und als erstes erschlossen hat. Beinahe zärtlich legt er seine Hand auf eine Skulptur: Aus einem massiven Quader erhebt sich in sanftem Schwung eine Spitze. Beim zweiten Anlauf wurde er dann doch an der Kunstakademie genommen, studierte parallel zu seinem Projekt und stellte hier 1991 erstmals Werke von sich aus. Dies ist sein Zentrum Europas, ganz gleich, ob das Ergebnis der Berechnung ein paar Kilometer weiter liegt."Das ist was ganz Besonderes für mich, hier an der geografischen Mitte Europas zu stehen. Ich werde immer wieder gefragt, was die Mitte für mich bedeutet. Natürlich spüre ich, dass ich hier im geografischen Zentrum von Europa stehe. Ich spüre das jeden Tag, jeden Morgen und jeden Abend."Als der polnische Astronom Ende des 18. Jahrhunderts die Siedlung Suchowola als Mittelpunkt Europas errechnete, waren das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen noch im polnischen-litauischen Reich vereint. Seit dem 13. Jahrhundert war der Doppelstaat zu einer europäischen Großmacht herangewachsen. Doch kurz danach teilten die Nachbarmächte Russland, Preußen und Österreich den Unionsstaat schrittweise untereinander auf. Europa ist ein Kontinent der sich beständig verschiebenden Machtverhältnisse."Mittelpunkt Europa": seit 1930 im Familienbesitz1.400 Kilometer südöstlich des 1989 errechneten Mittelpunktes in Litauen findet Europa jede Woche am Stammtisch statt. Im österreichischen Burgkirchen, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Bayern entfernt, liegt an einer Landstraße voller Lkws ein Gasthof mit dem Namen "Mittelpunkt Europa"."Ich führe den Gasthof seit 1991. In Familienbesitz ist er seit 1930, da hat ihn mein Vater gekauft von der ortsansässigen Brauerei."Karl Hofbauer legt eine kurze Rauchpause am Stammtisch ein. Auf seiner zweireihig geknöpften Küchenjacke prangt der Schriftzug "Gasthof Mittelpunkt Europa" - darüber: eine Weltkugel. Hier gibt man sich weltmännisch. Gern erzählt Hofbauer die Geschichte, wie der Gasthof zu seinem Namen gekommen ist. Hintergrund ist die Vermählung der Tochter des österreichischen Kaisers, Marie-Louise von Habsburg, mit Napoleon:"Das war auf der Maria-Luisenhöhe, da hat Napoleon die Maria Luise überreicht gekriegt und hier hat er gesagt, hier ist die Mitte Europas, und es ist sogar in der Stadtchronik in Braunau urkundlich niedergeschrieben. Und ein Vorgänger von uns, das war so circa 1920, hat gesagt, das ist eine gute Idee, wenn Napoleon gesagt hat, hier ist die Mitte. Und durch das ist der Name auf diesen Gasthof gekommen, weil die Maria-Luisenhöhe ist ganz kurz von uns entfernt, vielleicht anderthalb Kilometer, und durch das ist der Name entstanden."Im Gastraum des Wirtshauses dominiert ein dunkles Braun: Bodenfliesen, holzvertäfelte Decken, gepolsterte Eckbänke. Früher fanden hier die Hochzeiten der Umgebung statt, die örtliche Feuerwehr, die Landjugend und der Musikverein trafen sich regelmäßig zum Stammtisch. Inzwischen ist es ruhiger geworden und Hofbauer setzt auf Gäste auf der Durchreise – und auf den Namen seines Hauses:"Es ist einfach in dieser Umgebung ein Begriff und - das muss ich auch sagen - es ist auch für den kleinen ländlichen Tourismus, was wir da haben, ist es auch für die Durchreisenden, und auch für die Kurzurlauber, ist es einfach - wie soll ich sagen- ein kleiner Anziehungspunkt. Weil allein das Wort Mittelpunkt Europa erweckt einfach viel Interesse."Burgkirchen ist so etwas wie der Speckgürtel von Braunau am Inn. Eine Stadt, die sich rühmt, die älteste und größte im dortigen Innviertel zu sein, und eine Stadt, die damit hadert, dass hier das Geburtshaus von Adolf Hitler steht.Napoleon und die Maria-LuisenhöheDer Ausspruch Napoleons sei in der Braunauer Stadtchronik festgehalten, hatte Gastwirt Hofbauer gesagt. Eine Nachfrage im Rathaus ergibt allerdings, dass alle Urkunden beim großen Brand 1874 zerstört wurden. Aber vielleicht wisse man ja im Bezirksmuseum mehr über Napoleon und Europa, so der Ratschlag. Vorbei an der Stadtkirche geht es in eine Gasse mit Kopfsteinpflaster. Das Museum verbirgt sich hinter einer schweren Holztür."Wir sind im Bezirksmuseum Braunau am Inn, das noch den schönen Namen Herzogsburg trägt, auch so eine seltsame Geschichte. Soweit man weiß, hat hier herinnen nie ein Herzog gelebt. Allerdings hat ein Geschichtsschreiber eben diesen Namen geprägt und seitdem ist er auch geblieben. Im Großen und Ganzen dürfte es sich um einen Kasten gehandelt haben, also eine Art Speicher, wo Getreide gelagert wurde, und die Herzogsburg heißt heute noch Herzogsburg - gut für uns!"Manfred Rachbauer ist eigentlich der Museumswart, aber er ist auch Heimatkundler und erforscht seit gut 15 Jahren die Geschichte des Innviertels. Sein Steckenpferd sind die skurrilen Geschichten von Bierkriegen und Bärenjagden. Napoleons Geschichte im Innviertel ist eine Geschichte der Unterwerfung: Gleich vier Mal musste sich Österreich in den Koalitionskriegen dem Herrscher aus Frankreich geschlagen gegeben. Im Bezirksmuseum ist eine Episode aus dem Jahr 1806 festgehalten:"Johann Philipp Palm wurde im Auftrag von Napoleon hier nach Braunau gebracht und vor den Toren der Stadt erschossen, weil er angeblich eine Schmähschrift gegen Napoleon herausgebracht hat. Man hat nie wirklich feststellen können, wer die jetzt geschrieben hat. Und Johann Philipp Palm war eben dann das Opfer, also der einzige, der greifbar war, und deswegen ist er auch verurteilt worden."1809 erlitt der österreichische Kaiser Franz I. die letzte Niederlage gegen Napoleon und unterschrieb den Frieden von Schönbrunn. Als neuer Leiter der Außenpolitik wurde der kompromissbereite Metternich eingesetzt, der schließlich die Eheschließung zwischen Napoleon und Marie-Louise einfädelte. Diese familiäre Verbindung verwickelte Österreich dann auch in Napoleons größtes Unternehmen, den Feldzug gegen Russland im Jahre 1812/13."Tatsache ist, dass die Braunauer schon damals, als der Johann Philipp Palm erschossen wurde, nicht einverstanden waren damit. Man sieht es auf dem Gemälde, wie viele Soldaten da waren. Auch da sagt die Überlieferung, dass es bestens bewacht war, weil man Angst hatte, dass die Bevölkerung möglicherweise einen Aufstand macht."Napoleons Aussage zur Mitte Europas: nur eine Legende?Über 200 Jahre später muss Napoleon immer wieder für Legenden herhalten. Zwei Mal soll er im 18 Kilometer entfernten Altheim Station gemacht haben. Das dortige Hotel mit Restaurant trägt heute den Namen "Napoleonwirt". Auch die Brautübergabe hat ein örtlicher Maler 1981 mit einem Wandgemälde verewigt. Doch was ist nun mit Napoleons angeblicher Aussage zur Mitte Europas?"Es existieren noch Akten über diese Übergabe, ich habe es noch nicht selbst eingesehen, aber es dürfte genügend Aktenmaterial vorhanden sein, sollte irgendwo dieser Ausspruch gefallen sein, besteht eine große Möglichkeit, dass es irgendwo auch schriftlich festgehalten wurde. Also man könnte es auf jeden Fall überprüfen."
Ein paar Monate später meldet sich Museumswart Rachbauer per E-Mail: Leider habe er in keinem der Dokumente Belege dafür finden können, dass Napoleon tatsächlich diese Aussage getätigt habe. Und es kommt noch besser: Napoleon selbst war bei der Brautübergabe gar nicht anwesend – die offizielle Vermählung fand erst später in Paris statt.