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Europas Ahnen

Das neu eröffnete Keltenmuseum am Glauberg zeigt archäologische Funde einer keltischen Siedlung. Man sei mit dem Projekt als Museum, archäologischer Park und Forschungszentrum angetreten, sagt Museumsdirektorin Katharina von Kurzynski.

Katharina von Kurzynski im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
    Stefan Koldehoff: Ungefähr, ungefähr zeitgleich zu den Persern breitete sich in weiten Teilen von Europa eine andere Volksgruppe aus, die Jahrhunderte später dann Cäsar im berühmten Anfangssatz von "De Bello Gallico" nennt, deren wahrscheinlich bekannteste Untergruppe die Gallier waren und die insgesamt die Kelten heißen. Dass für sie nun ausgerechnet auf dem Glauberg in Hessen eröffnet wurde, das mag verwundern: Genau dort, in der Wetterau, hat es in den vergangenen 20 Jahren aber spektakuläre archäologische Funde gegeben, unter anderem die nahezu unversehrte Kolossalstatue eines keltischen Fürsten. Katharina von Kurzynski, Sie als Direktorin dieses neuen Museums, Keltenwelt, müssen es wissen: Waren das zunächst mal nur spektakuläre, oder auch überraschende Funde?

    Katharina von Kurzynski: Ja, da haben Sie genau den Nagel auf den Kopf getroffen. Man wusste ja schon lange, dass der Glauberg eine archäologisch interessante Stätte ist, von der Jungsteinzeit bis zum Mittelalter besiedelt. Man kannte die Siedlungsstellen auf dem Glauberg, einen Teil davon, unter anderem auch eine eisenzeitliche Siedlungsschicht, hat sich da aber nie besonders dafür interessiert. Und das Entdecken dieser Gräber im Vorfeld dieses Berges, das war absolut überraschend, zumal es solche reich ausgestatteten, jünger eisenzeitlichen Herrschergräber eigentlich in Hessen gar nicht hätte geben sollen, weil Hessen eigentlich ein bisschen weit nördlich des eigentlichen Verbreitungsgebietes, typischen Verbreitungsgebietes dieser Gräber ist.

    Koldehoff: Und dann muss hier jetzt natürlich von mir die Frage kommen: Weiß man denn inzwischen, warum man das da gefunden hat?

    von Kurzynski: Warum die Kelten hier auf dem Glauberg eine Siedlung angelegt haben, oder warum wir Archäologen hier auf die Idee gekommen sind, hier auszugraben?

    Koldehoff: Na, fangen wir mal erst mit dem länger Zurückliegenden an: Warum hat es dort die Siedlung gegeben?

    von Kurzynski: Das ist auch eine richtig gute Frage. Der Glauberg liegt strategisch günstig am Rande der Wetterau, die ja eine sehr, sehr fruchtbare Ebene ist, von den Römern als Kornkammer fürs Römische Reich genutzt. Was genau die Bedeutung dieses Ortes für die Kelten ausgemacht hat außer dieser wunderbaren Überblickssituation, danach suchen wir noch. Wir haben auch in der Ausstellung das thematisiert: Könnte es ein Rohstoff gewesen sein, der hier vorgekommen ist wie beispielsweise Eisenerz, der also den Reichtum und die Macht der hiesigen Bewohner bewirkt hat, könnte es Salz gewesen sein oder vielleicht auch so was archäologisch kaum Fassbares wie Fleischexport oder Textilimport? Darüber rätseln wir noch, aber irgendwas muss es hier gewesen sein außer der naturräumlichen Lage, was bewirkt hat, dass hier eben eine riesige Siedlung und auch diese Herrschaftsstrukturen entstanden sind.

    Koldehoff: Bedeutet das, wenn Sie sagen, wir suchen noch danach, für ein Museum wie das Ihre auch so was wie einen Paradigmenwechsel? Man gibt nicht definitive wissenschaftliche Antworten, sondern man bekennt sich dazu, noch nicht alles zu wissen, aber kräftig weiterzuforschen?

    von Kurzynski: Genau, das ist eigentlich einer der roten Fäden, die sich durch unser Museum auch ziehen. Eigentlich ist das aber bei fast jeder archäologischen Fragestellung so, dass man nie zu einem richtigen Schluss, oft nicht zu einem richtigen Schluss kommt, sondern eigentlich sagt, das ist jetzt das Zeitergebnis, der heutigen Zeit, aber wir forschen natürlich weiter und es kann sich in zehn Jahren alles Mögliche ändern. Bei uns ist das besonders schön, wir sind ja nicht nur als Museum angetreten, sondern als Museum, archäologischer Park und Forschungszentrum. Das war uns auch sehr wichtig. Die Glaubergforschung, wir haben ein Areal von 30 Hektar, das zu unserem archäologischen Park gehört, die Glaubergforschungen haben natürlich bis jetzt erst nur einen Teil dieses Areals untersuchen können und es gibt noch sehr viele Fragestellungen: War dieses ein Kultareal zusätzlich zu einem Bestattungsareal, zusätzlich zu einem Siedlungsareal der Kelten? Und deshalb wurde eben hier auch ein Forschungszentrum etabliert, um sich mit eben diesen Fragestellungen weiter zu beschäftigen. Und das ist auch sehr schön, dann können wir nämlich der Öffentlichkeit ganz brandheiß immer auch aktuelle Ergebnisse mitteilen. Und wir nehmen die Menschen auch mit, gerade auch in unserer neuen Ausstellung, auf unserem Weg der Erkenntnis und auch auf dem Weg unserer Fragen und manchmal Stirnrunzeln und Kopfschütteln und Überlegen, wie könnte es gewesen sein. Denn wir sitzen eben nicht auf dem hehren Turm der allwissenden Wissenschaft, sondern wir sind auch noch manchmal die Fragenden.

    Koldehoff: Was ja eigentlich immer das Wichtigere ist. Nun schreibt eine Agentur ganz salomonisch von einer mit Fundstücken nicht überfrachteten Ausstellung. Was können Sie denn schon zeigen?

    von Kurzynski: Wir zeigen eigentlich alle bekannten Funde vom Glauberg. Es sind Funde aus drei Herrschergräbern, reich ausgestattet, in unterschiedlichem Reichtum, aber immerhin drei bedeutende Männer, die hier bestattet wurden. Dann einige merkwürdige Bestattungen, die in jüngster Zeit aufgedeckt wurden in ungenutzten Siedlungsabfallgruben, Menschen, die scheinbar flüchtig entsorgt worden sind, aber das ist scheinbar auch bei den Kelten eine Standardbestattungspraktik gewesen. Dann zeigen wir natürlich Funde aus den Siedlungsstellen vom Glauberg, und da nicht alles, denn wir haben Tonnen von Keramikscherben aus dieser keltischen Siedlung, die rund 200 Jahre bestanden hat. Da zeigen wir eine schöne Auswahl. Aber wir haben uns darauf beschränkt – und das war uns auch ganz wichtig –, nicht Tausende von Vergleichsfunden aus anderen keltischen Gräbern oder Siedlungen oder Ähnlichem zu zeigen, sondern wir zeigen hier vor Ort die Funde von hier vor Ort. Und das ist natürlich eine überschaubare Menge, die sich aber auch in diesem Ausstellungsbesuch ganz schön erfassen lässt.

    Koldehoff: Katharina von Kurzynski, vielen Dank! Die Direktorin des heute eröffneten Keltenmuseums am Glauberg in Hessen.