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Ex-Bundespräsident Wulff in der Zentralmoschee
"Willkommen in der Dom- und Moschee-Stadt Köln"

Der Islam gehört zu Deutschland. Dieser Satz begleitet Christian Wulff über das Ende seiner Amtszeit hinaus. In der Kölner Zentralmoschee diskutierte der Bundespräsident a. D. mit jungen Muslimen auf Einladung der DITIB und der Eugen-Biser-Stiftung. Die Jugendlichen sprachen auch kontroverse Themen an: Frauenbild, Antisemitismus und Korankritik.

Von Henning Hübert |
    Neubau der Kölner Zentralmoschee
    Christian Wulff im Gespräch mit muslimischen Jugendlichen in der Kölner Zentralmoschee (picture alliance / dpa / Foto: Federico Gambarini)
    Hinter den Fensterscheiben Baugerüste. Die Ehrenfelder Moschee ist schon vor der Eröffnung ein Sanierungsfall. Regenwasser dringt durch die Betonkuppel ein. Auch im Veranstaltungssaal viel Sicht-Beton, passend zum sperrigen Motto der Diskussion mit Christian Wulff: "Erfahrungen christlich-islamischer Verständigung unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen". Der Ton auf dem Podium ist durchgängig freundlich; beim Small-Talk und bei den Selfies im Anschluss sogar locker. DITIB-Generalsekretär Bekir Alboga nennt Christian Wulff mit dessen Erlaubnis "Freund der Muslime". Und gibt die Linie für die Gesprächsrunde vor:
    "Als Muslime und Christen sollten wir uns auf die verbindende ethische Kraft unserer Religionen besinnen. Dabei ist Vielfalt der Kulturen im koranischen Verständnis nichts, was es abzuschaffen gilt, sondern vielmehr gottgewollt."
    Alboga zitiert Suren und verweist auf 1800 ehrenamtliche Dialogbeauftragte und Moscheeführer, die der DITIB-Bundesverband mittlerweile ausgebildet hat. Bundespräsident a. D. Christian Wulff beruft sich in Köln weniger auf die Bibel, sondern mehr auf die ersten Grundgesetz-Artikel – seine Richtschnur für ein Land mit immer mehr Muslimen und immer weniger Christen:
    "Jeder, der hier auf Dauer mit uns gemeinsam leben will, muss sich an unsere Regeln – gemeinsame Regeln – halten. Und das andere, was zwangsläufig dazu kommen muss ist Empathie, Einfühlungsvermögen in den anderen – zu verstehen, was er von uns erwartet. Wie er die Dinge, die Welt sieht und daran Interesse zu entwickeln. Neugier, zu merken, dass es auch uns, einen selbst bereichert. Dann entsteht etwas Gutes, Neues, auf das wir dann noch stolzer sein können als auf das, was wir heute haben."
    Fast eine Stunde lang berichten junge Erwachsene von ihren religiösen Erfahrungen. Wie gefastet wird - entweder recht locker und privat nach Karneval oder im Vergleich weitaus strenger und nach außen gekehrt im Ramadan. Vertretern des BdkJ, des Bundes der deutschen katholischen Jugend, fällt auf, dass es islamischen Jugendvertretern fast immer nur um Religion gehe, bei Themen wie Umweltschutz und Bewahrung der Schöpfung aber die Christen unter sich blieben. Dann bekommt der 30jährige Hamed Hakim das Saalmikrofon. Er ist Sozialarbeiter an der TH Köln und schneidet auf der Veranstaltung von DITIB und Eugen-Biser-Stiftung besonders kontrovers diskutierte Themen an.
    "Wie die Rolle der Frau in unserer Religion – das sind schwerwiegende Probleme. Oder Antisemitismus. Radikalisierung – das sind wichtige Themen. Da können wir doch nicht Parteien wie der AfD diese Deutungshoheit überlassen. Wir müssen uns selbst hinterfragen: Hey, was können wir beitragen? Und nicht immer sagen: Das ist die Antwort, der Prophet hat das und das und das gesagt. Wir leben jetzt hier. Der Prophet hat uns eine Botschaft hinterlassen. Jetzt sind wir gefragt: Was können wir daraus machen?"
    Von Christian Wulff bekommt er Unterstützung.
    "Sie haben natürlich den wundesten Punkt angesprochen. Nämlich ob der Islam sagen kann 'Mohammed hat gesagt…' und das reicht und jetzt machen wir das. Oder ob es eine Weiterentwicklung geben muss. Und um diese Frage kommen sie nicht drum herum. Das heißt: Sie müssen genau so den Weg in die Moderne finden, wie das Christentum den Weg in die Moderne gefunden hat. Und ich wünsche ihnen von ganzem Herzen, dass sie es mit weniger Toten, mit weniger Gewalt, mit weniger Kriegen finden, als das Christentum den Weg gefunden hat."
    Dann erzählt Christian Wulff von seiner etwas komplizierten, aber gelungenen zweiten Trauung in einer katholischen Kirche mit einem evangelischen Geistlichen.
    "Erst wenn das geht: evangelisch-katholisch, und wenn auch Muslime und Christen miteinander verheiratet sind und Kinder sozusagen gemeinsam erziehen, wird das so richtig sich entwickeln, das vielfältige Zusammenleben in Deutschland. Noch ist das alles ein bisschen Zukunftsmusik. Bei uns hat die Frauengleichstellung auch in die 70ger Jahre gedauert und ist immer noch nicht voll verwirklicht. Also es braucht auch manches Zeit, aber das Thema müssen wir diskutieren."
    Der aus Marokko stammende Zuhörer Amine Ziraoui hat dem ehemaligen Bundespräsidenten aufmerksam zugehört. Die Kraft der Liebe als Hauptmotor für die Verständigung zwischen den Religionen? Für ihn ist das denkbar – in einer Richtung.
    "Mittlerweile also der Muslim ist berechtigt, eine Christin zu heiraten. Weil Christen gelten im Grunde genommen im heiligen Buch Koran als Schriftbesitzer. Also umgekehrt wäre es nicht möglich, dass ein Christ eine Muslima heiratet. Da muss ich leider sagen, dass die göttlichen Offenbarungen auch voreinander abweichen. Ich glaub, die Zeit ist noch nicht spruchreif. Da sind einfach die kulturellen, religiösen Differenzen noch unüberbrückbar. Und das wäre zum Beispiel nach dem Islam, dass ein Christ eine Muslima heiratet, religiös nicht vertretbar."
    Der Dialog ist kein Selbstläufer, das hat der DITIB-Generalsekretär schon zu Beginn angemerkt. Christian Wulff wird ihn aber weiter führen, auch nach seinem Termin neben der Moschee-Dauerbaustelle der DITIB.
    "Also Veränderungsbereitschaft zu wecken, dazu zu ermutigen: das ist ein Dauerthema. Das betrifft Deutsche in Sachsen genauso wie Muslime in Köln."