Freedom Technologies nannte Hillary Clinton 2011 das Internet, soziale Netzwerke und Mobiltelefone. Ihre Verbreitung sei nichts Geringeres als eine "menschenrechtsorientierte Außenpolitik". Nach ihrer Rede für die Freiheit des Internets wurden in China alle Suchergebnisse für "Hillary Clinton" gesperrt. Heute wissen wir, Clinton hat etwas verschwiegen: Der Freiheit des Internets folgt die digitale Kontrolle auf den Fuß. Nicht nur in China, nicht nur durch die USA. Immer mehr Staaten wollen ihre Bürger am Telefon und im Netz überwachen. Die nötige Technologie dafür kommt auch aus Deutschland.
"Die Firmen in diesem Bereich halten sich naturgemäß relativ bedeckt mit Zahlen. Aber es gibt Erkenntnisse von Privacy International, danach war es 2012 so, dass Deutschland mit 12 Firmen, die in diesem Bereich aktiv sind, weltweit der drittgrößte Anbieter war nach den USA und dem vereinigten Königreich."
Volker Tripp ist Mitarbeiter der Digitalen Gesellschaft in Berlin. Der Verein engagiert sich für Menschen- und Bürgerrechte im Netz und fordert Ausfuhrkontrollen für Zensur- und Überwachungstechnologien.
Krisenregionen als lukrativer Absatzmarkt
Krisenregionen und Regierungen, die sich vor Unruhen fürchten und es mit den Menschenrechten nicht so genau nehmen, sind aber für deutsche Anbieter von Überwachungstechnik ein lukrativer Absatzmarkt. Anfang März werden viele ihre Geschäftskoffer packen und zur Fachmesse ISS World Middle East nach Dubai reisen. Ein Blick ins diesjährige Programm:
"Da werden Technologien verkauft, die es erlauben, die Individualkommunikation einer Person auszuspionieren. Da werden Technologien verkauft, die das massenhafte Ausforschen von Massenkommunikation, also von sehr großen Datenströmen ermöglichen. Aber eben auch so genannte Intrusion-Software, also "Software die es erlaubt in den Rechner einer Person einzudringen, die Inhalte auszuforschen und eben auch zu verändern."
Trovicor aus München ist in diesem Jahr Hauptsponsor der Messe. Das Unternehmen rühmt sich in über 100 Länder zu liefern und bietet auf seiner Homepage Werkzeuge und Technologien, welche die massenhafte Analyse riesiger Datenmengen jedweder Provenienz ermöglichen und aus diesen Datenbergen schnell und akkurat Verdächtiges aufspüren. Menschenrechtsorganisation werfen Trovicor vor, an autoritäre Regime wie Syrien, Iran, Jemen und nach Bahrain geliefert zu haben. Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen:
"Im Fall von Trovicor ganz konkret haben wir sehr deutliche Hinweise darauf, dass Trovicor bis zum vergangenen Jahr Monitoring Center gewartet haben. Das sind Zentren, die kontinuierlich Kommunikationsüberwachung ermöglichen und da haben wir sehr konkrete Hinweise, dass Trovicor das gemacht hat. Und Überwachung in einen repressiven und autoritären Staat wie Bahrain führt natürlich dazu dass kritische Stimmen eingeschüchtert werden sollen."
Beschwerde von Reporter ohne Grenzen
Dank dieser Technik sollen Oppositionelle in Bahrain aufgespürt und gefoltert worden sein. Reporter ohne Grenzen legte deshalb gegen Trovicor und das deutsch-britische Unternehmen Gamma OECD-Beschwerde ein. Anders als Deutschland im Fall Trovicor, sah Großbritannien die Anschuldigungen gegen Gamma als schwerwiegend und schlüssig genug an, um ein Mediationsverfahren einzuleiten. Indes legen auch jüngste Wikileaks-Veröffentlichungen nahe, dass deutsche Hersteller von Spähprodukten weitere Geschäftsbeziehungen zu Staaten unterhalten, die in Demokratie-Rankings auf den hintersten Plätzen liegen.
Der politische Wille der Bundesregierung, daran etwas zu ändern, scheint eher gering. Das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen antworteten auf Anfragen sinngemäß, dass die bestehenden Regelungen ausreichend wären.
"Das Bundeswirtschaftsministerium hat vor wenigen Jahren noch ein Strategiepapier veröffentlicht, wo es auch darum geht, den Export von Überwachungstechnologie als Zukunftsmarkt zu fördern. Dafür spricht ja auch dass es Exportbürgschaften gab für den Export von Überwachungstechnik. Wir haben den Eindruck, dass die Exportinteressen über Menschenrechtsinteressen gestellt werden."
Zukünftig soll die Ausfuhr ziviler Überwachungstechnologien reguliert werden, darauf haben sich die Vertragsstaaten des Wassenaar-Abkommens für Waffenexportkontrollen geeinigt.
"Das betrifft zum einen sogenannte Intrusion-Software, das ist auch ansonsten unter dem Begriff Trojaner bekannt. Außerdem, das ist die zweite Seite die dort vereinbart wurde, das beinhaltet eine Technologie namens Deep Packet Inspection, die es ermöglicht, in die versanden Daten reinzuschauen und zu analysieren was inhaltlich damit versendet wird und das dann algorithmische auszuwerten."
Abkommen bislang nicht umgesetz
Deutschland hat das Abkommen bisher nicht umgesetzt. Die Unternehmen halten sich diesbezüglich bedeckt. Interviewanfragen bleiben unbeantwortet, werden abgewiesen, oder in letzter Minute abgesagt. Er sei zwar für Transparenz, aber will auch nicht seinen Job verlieren, erklärte der Geschäftsführer von German Advanced Technologies aus Berlin. Das Unternehmen bietet alles, was man für die Überwachung großer Datenströme und individueller Kommunikation braucht und wird wie gewohnt auf der ISS in Dubai vertreten sein. Die Trovicor-Pressesprecherin rät, zum Umgang mit dem Wassenaar-Abkommen doch besser Unternehmen zu befragen, die das betrifft, Waffenlieferanten beispielsweise. Volker Tripp ist da anderer Meinung:
"Von ihrem Schadpotenzial ist Überwachungstechnologie durchaus vergleichbar mit Massenvernichtungswaffen, denn Überwachungstechnologie kann eingesetzt werden in einer Art und Weise, dass sie eine unglaubliche Streubreite hat, das sie die gesamte Gesellschaft betrifft."