Es ist eigentlich wie eine ganz normale Fahrstunde, die allererste eben:
Die Fahrlehrerin erklärt der jungen Frau, die neben ihr am Steuer sitzt, wie der Gang eingelegt wird - schließlich tritt die Fahrschülerin aufs Gas, es geht los. Die ehemalige italienische Rennfahrerin Francesca Pardini lotst eine Studentin nach der anderen durch einen Pylonen-Parcours, der auf dem Hof der Effat Universität in Jeddah abgesteckt ist. Rosana Jazar ist nervös, wie wohl alle ihrer Kommilitoninnen:
"Ich bin sehr aufgeregt, denn zum ersten Mal sitze ich auf dem Fahrersitz, und so Gott will werde ich entsprechend verantwortungsvoll sein."
Ab Juni fällt das Fahrverbot für Frauen
Vom kommenden Juni an können Frauen offiziell Fahrstunden nehmen und bekommen dann, nach bestandener Prüfung, einen Führerschein. Die Leitung der Effat Universität, an der ausschließlich Frauen studieren, holte sich nun den US-Hersteller Ford für einige Tage aufs Gelände. Unternehmenssprecherin Sawsan Yamisian:
"Während dieser Woche ging es um sehr grundsätzliche Dinge. Wir haben den Frauen an dieser Uni das Selbstvertrauen gegeben, damit sie das Auto kennenlernen und das Wichtigste verstehen, bevor sie Fahrstunden nehmen."
Keine Einwilligung des männlichen Vormunds nötig
Viele saudische Hochschulen wollen künftig ihren Studentinnen auch Fahrunterricht anbieten. Die Regeln für die frischgebackenen Autofahrerinnen werden die gleichen sein, wie für Männer, hat die Regierung festgelegt. So können Frauen auch Motorräder und Lastwagen fahren, die Einwilligung ihres männlichen Vormunds brauchen sie nicht, es gibt kein Sonderkennzeichen für Autofahrerinnen. Die Studentin Ayesha Abbas glaubt, dass der "Führerschein für alle" Geld sparen wird:
"Die meisten Familien haben bisher ja noch einen Fahrer. Jetzt werden die Lebenshaltungskosten sinken."
Jeder zweite Haushalt will den Fahrer entlassen
Tatsächlich: Jeder zweite Haushalt, der derzeit noch einen Fahrer für die weiblichen Familienmitglieder beschäftigt, will ihn entlassen. Das fand das Meinungsforschungsinstitut Ipsos im Dezember heraus. Ebenfalls jeder zweite Haushalt plant, ein weiteres Auto zu kaufen. Und 70 Prozent der saudischen Frauen haben vor, früher oder später tatsächlich einen Führerschein zu machen. Deshalb bemühen sich alle großen Autohersteller, die weibliche Kundschaft in Saudi-Arabien schon jetzt direkt anzusprechen.
Studentin: "Das wird das Leben einfacher machen"
Auf dem Unigelände in Jeddah saß auch die Studentin Fatima Haroon gerade zum ersten Mal hinterm Steuer:
"Es bedeutet mehr Freiheit für uns. Anstatt immer von anderen abhängig zu sein und zu einer Last für andere zu werden, kutschieren wir uns künftig selbst herum. Wir haben mehr Freiheit, unser Ding zu machen, unsere Arbeit zu machen, eine Karriere zu verfolgen. Das wird das Leben viel einfacher machen."
Obwohl Frauen nach wie vor einen männlichen Vormund brauchen, wird der "Führerschein für alle" Saudi-Arabien über kurz oder lang umkrempeln. Für Frauen ist es künftig einfacher, arbeiten zu gehen - die Haushaltseinkommen steigen deshalb, in die Wirtschaft kommt mehr Geld - und die Rolle von Frauen in der Gesellschaft ändert sich. Das alles ist von der reformorientierten Führung des Landes genau so gewollt.