Beatrix Novy: Aber Brutus ist ein ehrenwerter Mann. Tricks, etwas zu sagen, indem man behauptet, es nicht sagen zu wollen, gibt es schon länger. Einer davon scheint aktuell die Schmähsatire zu sein. Dieser Begriff fiel gestern in der Diskussion bei Anne Will um Jan Böhmermann, den der türkische Staat gern strafverfolgt sehen möchte wegen seiner satirischen Erdogan-Videos. Das Wort Schmähsatire kam vom Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Was er damit meinte, hat er uns erklärt.
Bernhard Pörksen: Was hat Jan Böhmermann eigentlich gemacht? - Ich glaube, er hat eine merkwürdige Zwitterform geschaffen, eine Art Hybrid, nämlich Schmähsatire. Zuerst hat er sich auf der Metaebene bewegt, der Ebene, auf der man sagt, was man mit der eigentlichen Kommunikation meint. Er hat dann gesagt, ja, was ich jetzt gleich tun werde, Zwinker, Zwinker, im Sinne einer merkwürdigen Didaktik-Sendung, ist etwas zu tun, was man nicht tun darf, nämlich Schmähkritik zu betreiben. Und genau das hat er dann getan, nämlich Schmähkritik betrieben, Beleidigungen in Serie abgefeuert.
Jetzt ist die interessante Frage: Wie verhalten sich eigentlich die Metaebene und die Inhaltsebene zueinander? Ist die Metaebene der Kommunikation, dieses Bekenntnis, ich betreibe hier Schmähkritik, um zu zeigen, was Schmähkritik ist, und um die Grenze des Satirischen gleichsam illustrativ vorzuführen, ist die Metaebene die Entscheidende? Regiert sie die Bedeutung? Oder ist aber die eigentliche Inhaltsebene, der eigentlich beleidigende Inhalt das Entscheidende? Und eben bei dieser Form der Schmähsatire, die sich hier zeigt, positionieren sich nun Publizisten und Autoren, Zeitungen und Fernsehsender, Radiosender mit großer Lust und großer Energie, und man kann sagen, sage mir, wie Du es mit Böhmermann hälst, und ich sage Dir, wie Du funktionierst, welche Auffassung von Satire oder Schmähkritik, von Kunstfreiheit oder Satirefreiheit Dir zu eigen ist. Eben das ist das Eigentümliche einer solchen Schmähsatire. Sie ist Spiegelung unserer eigenen Herangehensweise, unserer eigenen Perspektive, unserer eigenen Position.
Und noch etwas zeigt dieser Fall, nämlich dass im digitalen Zeitalter ein globaler Resonanzboden entstanden ist für Beleidigungen, für gute und für blöde Witze, für etwas, was die einen für Satire halten und die anderen für Schmähungen oder für eine furchtbare Erniedrigung.
Novy: Eine Quelle auch künftiger Aufregung sicher - das war Bernhard Pörksen, der Medienwissenschaftler.
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