Kurz vor 16 Uhr, Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen bei München. Dichtes Gedränge der Journalisten – um einen menschenähnlichen Roboter herum. Humanoid heißen solche Roboter. Er ist etwas größer als ein Mensch, besteht aber nur aus Oberkörper, Kopf und zwei Armen. Der Torso ist auf dem Tisch montiert. Auf der Stirn steht sein Kosename: Justin.
Der größte Bildschirm zeigt die Bahn der Internationalen Raumstation ISS. Sie hat gerade Europa erreicht und nähert sich Bayern. Auf dem Bildschirm links hinter dem Roboter ist ein Ingenieur der russischen Raumfahrtbehörde in St. Petersburg zu sehen. Er hat vor sich einen Hebel, einen Joystick, der gleich wichtig werden wird. Sein Joystick ist über eine Internetverbindung mit dem linken Arm des Roboters gekoppelt.
So, und jetzt scheint die Parabolantenne in Weilheim, unweit von hier, die ISS am Himmel gesichtet zu haben, die Verbindung mit dem Kosmonauten wird geschaltet, Sergei Volkov. Er taucht auf einem weiteren Bildschirm auf, ist jetzt ansprechbar. "Können Sie uns sehen? Ja, ich kann Sie sehen."
Auch er sitzt vor einem Joystick, fast 400 Kilometer über uns. Wenn er den Joystick bewegt, wie jetzt, bewegt der Roboter hier im Kontrollzentrum seinen rechten Arm.
Viel Weltraumprominenz ist hier anwesend, aber auch der Generalkonsul der russischen Vertretung. Er tritt an den Roboter heran und schüttelt ihm die Hand. Der Kosmonaut schüttelt dezent zurück. Es ist kein schlaffer Händedruck, aber auch kein roboterhaft harter. Der Roboter agiert weich. Man spricht von haptischem Feedback, englisch Force Feedback, deutsch Kraftrückkopplung.
Das passiert mit einer Zeitverzögerung von etwa 30 Millisekunden. Viel länger dürfte sie nicht sein, denn dann verlöre man die Beziehung zum Geschehen. Die Geschwindigkeit der Datenübertragung war das Hauptproblem, warum dieses Experiment nicht schon vor Jahren durchgeführt werden konnte.
Der Tele-Handshake ist vorbei. Jetzt kommt der russische Kollege in St. Petersburg ins Spiel. Einer der Ingenieure im Kontrollzentrum legt einen Ball auf den Tisch zwischen die Roboterhände. Ein halbdurchsichtiger Ball, den man leicht zum Platzen bringen könnte, wenn man ihn zu beherzt anpackt. Hohe Konzentration.
Der Ingenieur, weit weg in St. Petersburg, und der Kosmonaut in der ISS heben nun den Ball gemeinsam. Jeder bedient einen Arm des Roboters, sie machen das erstaunlich synchron, und das klappt nur deswegen, weil beide den Widerstand des Balls selbst spüren, nämlich durch einen Gegendruck in ihren Joysticks. "Und reichen Sie ihn uns herüber." Auch das gelingt.
Das Feingefühl betrifft nicht die Finger selbst, sondern den Arm als Ganzes. In späteren Experimenten werden die Astronauten keinen Joystick mehr steuern, sondern über so genannte Exoskelette den Arm in allen Achsen, bis in die Finger hinein bedienen können.
Ja, Justin, der Roboter, bekommt jetzt noch ein Sektglas in die Hand gedrückt, und alle stoßen mit ihm an.
Soft Robotics, so hat dieses Experiment gezeigt, hat eine große Zukunft. Roboter, die spüren, wenn etwas hart ist und die selbst zurückweichen, wenn ein Mensch sie wegdrückt, kann man aus ihren Käfigen herauslassen. Aber Vorsicht!