Auf dem Höhepunkt seiner Macht muss er sich unwiderstehlich gefühlt haben. Denn er hatte jahrelang demonstriert, wie man sich im Weltfußball Freunde und Sympathien erwirbt. Und wie man wichtige Entscheidungen beeinflusst: In dem man Schmiergelder verteilt und beim Postenschacher die richtigen Kandidaten unterstützt.
Nun, im Mai 2011, sah Jack Warner die Zeit gekommen für eine kleine Revolte. Für den Wechsel an der Spitze der FIFA. Gebraucht wurden Stimmen. Und so drängte er in einem Hotel in der Hauptstadt seines Heimatlandes Trinidad und Tobago den angereisten Vertretern der karibischen Verbände Geld auf. Umschläge mit 40.000 Dollar in bar für jeden. Die hatte der Katarer Mohamed bin Hammam mitgebracht. Der potente Gegenkandidat von Amtsinhaber Sepp Blatter.
"Wenn du es nicht willst, gib es jemand anderem. Gib es Trinidad und Tobago oder Anguilla oder Barbados, den Jungferninseln. Aber geh nicht raus und rede darüber und tue so, als seiest du fromm und heilig und besser als andere. Das möchte ich sehr deutlich machen."
Ein System aus Korruption und Patronage
Keine Szene dokumentiert das System aus Korruption und Patronage besser, das in der FIFA seit Jahren gepflegt wurde. Und nur weil die Aktion damals heimlich aufgezeichnet wurde und an die Öffentlichkeit gelangte, beendete sie die Funktionärskarriere von Jack Warner.
Die Begehrlichkeiten blieben. Sein Amtsnachfolger auf dem Posten des Präsidenten der nord- und mittelamerikanischen Regionalföderation CONCACAF soll ganz ähnlich gearbeitet haben. Er heißt Jeffrey Webb, kommt von den Cayman Islands und wird beschuldigt, bei der Vergabe von Vermarktungsrechten der Copa América zusammen mit anderen mehr als 100 Millionen Dollar an Schmiergeldern bekommen zu haben.
"Ein Vehikel, um die Taschen von Funktionären zu füllen", nannte Justizministerin Loretta Lynch das Ganze. "Die 100 Millionen Dollar sind ein Drittel des Budgets für die Vermarktung des fraglichen Turniers."
Webb sitzt in der Schweiz im Gefängnis. Er gehört zu den sieben Funktionären, die am Mittwoch im Hotel auf Antrag der amerikanischen Behörden von der Züricher Polizei verhaftet wurden.
Warum ist Blatter nicht mitangeklagt?
Warner hat seit 2011 nichts mehr mit dem Fußball zu tun. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass ihn sein Heimatland an die USA ausliefern wird. Aufgrund eines Abkommens zwischen den beiden Staaten. Derzeit befindet er sich gegen Kaution auf freiem Fuß und gab dem Fernsehsender BBC ein ausführliches Interview, in dem er die Vorwürfe zurückwies. Seine Erklärung für das Ganze? Die Amerikaner seien einfach nur sauer, dass sie die WM 2022 nicht bekommen hätten und wollten sich nun rächen. Gleichzeitig wunderte er sich allerdings, dass Sepp Blatter angesichts der vielen massiven Korruptionsvorwürfe nicht mitangeklagt worden sei.
"Warum haben sie nicht, wenn das alles wahr ist? Warum nicht?"
Warner, eine der schillerndsten Figuren in dem Panoptikum der Angeklagten, war schon immer gut darin, Dinge zu vernebeln. Und ein Mann, der zurückbiss, wenn ihn jemand beschuldigte. Dem englischen Journalisten Andrew Jennings sagte er bei einer Konfrontation vor laufender Kamera: "Wenn ich spucken könnte, würde ich Sie bespucken." Noch 2013 attackierte er, inzwischen Politiker und zeitweilig sogar Minister, bei einer Wahlkampfversanstaltung den Reporter:
"Er ist nichts anderes als ein billiger journalistischer Strolch, der seine Dienste an den verkauft, der am meisten bietet."
Damals sprach sich herum, wem Jennings Einblick in die von ihm gesammelten Unterlagen aus Bankauszügen und Email-Kopien gegeben hatte. Den amerikanischen Behörden: "Das FBI wollte wissen, was ich wusste, nachdem ich jahrelang die Korruption in der FIFA recherchiert hatte. Sie ließen aber nicht durchblicken, warum sie sich dafür interessierten."
Jennings Dokumente führten zu Warner
Dank Jennings Dokumenten kamen die Ermittler auf Chuck Blazer, den einstigen Warner-Intimus und langjährigen Generalsekretär von CONCACAF. Dem blieb angesichts massiver Steuerdelikte gar nicht viel übrig, als zu kooperieren. Dies führte die Ermittler zu den beiden Söhnen von Jack Warner, die bei der Einreise in die USA festgenommen wurden und Interna ausplauderten, die ihren Vater belasten.
Irgendwann stieß man auf den brasilianischen Geschäftsmann José Hawilla, den Chef der Traffic Group, die als Vermarkter von Fernseh- und Sponsorenrechten im großen Stil Funktionäre in Nord- und Südamerika bestach. Er packte aus und will mehr als 100 Millionen Dollar an Wiedergutmachung zahlen.
Natürlich versprechen sich die Ermittler von den 14 Angeklagten weitere Erkenntnisse über das mafiaartige Netzwerk.
"Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass wir noch weitere Anklagen erheben", sagte Richard Weber, der oberste Steuerfahnder der USA der New York Times. Andrew Jennings deutete auf Twitter an, was er weiß: "Blatter befindet sich im Fadenkreuz."