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FIFA-Kandidaten
Der Umstrittene: Scheich Salman

Fußballnationalspieler nahmen 2011 in Bahrain an Protesten gegen das Regime teil, wurden verhaftet und gefoltert. Der Mann, der damals Verantwortung im Verband hatte, will nun Blatter-Nachfolger werden.

von Jürgen Kalwa |
    Scheich Salman bin Ibrahim al-Khalifa beim Fifa-Kongress auf Mauritius 2013
    Scheich Salman bin Ibrahim al-Khalifa aus Bahrain beim Fifa-Kongress auf Mauritius 2013 (Imago / Ulmer)
    Es gehört einiges an Fantasie dazu, sich so etwas auszumalen: dass die Angehörigen einer relativ erfolgreichen Fußball-Nationalmannschaft festgenommen und im Gefängnis gefoltert werden. Aber das ist, was vor vier Jahren in Bahrain passierte, als tausende wochenlang gegen das Regime eines Monarchen protestierten, dessen Familie den Öl-Staat im Persischen Golf beherrscht. Inspiriert vom sogenannten arabischen Frühling beteiligten sich auch die Brüder Ala'a and Mohammed Hubail an den Demonstrationen. Sie wurden in Haft genommen und misshandelt. Und vorher noch im staatlichen Fernsehen öffentlich attackiert.
    Mitglied des Exekutiv-Komitees
    Offiziellen Angaben zufolge starben damals mehr als 20 Menschen. 400 wurden auch noch Monate später vermisst. Der Mann, der damals einfach nur zusah, als seine Spieler um ihr Leben fürchteten, musste bis heute keinerlei Konsequenzen befürchten. Im Gegenteil. Sheikh Salman Bin Ibrahim al-Khalifa machte Karriere. Seit 2013 ist er sogar Präsident der asiatischen Fußball-Föderation. Er sitzt im FIFA-Exekutivkomitee, ist Stellvertretender Vorsitzender der Marketing- und Fernsehkommission. Und er ließ vor ein paar Tagen durchblicken, dass ihn einflussreiche Kräfte aus den Funktionärszirkeln des Weltfußballverbandes für einen brauchbaren Nachfolger von Sepp Blatter halten. Protegiert von einem der einflussreichsten Männer im internationalen Sport: dem Kuwaiter Sheikh Ahmad al-Fahad al-Sabah, der schon als wichtiger Wahlhelfer für Thomas Bach auf dem IOC-Parkett unterwegs war. Erstaunliche 100 Stimmen soll der Aspriant aus Bahrain bereits sicher haben.
    "Nichts getan, das nichts mit Fußball zu tun hat"
    Über seine Rolle und seine Verantwortung hat er sich nie ausgiebig äußern müssen. Es gibt nur ein längeres Interview, dass BBC-Reporter Mani Djazmi nach seiner Wahl zum Asien-Präsidenten 2013 mit führte. Er fragte ihn auch danach, ob er oder sein Verband involviert war, als die Fußballer verhaftet wurden. Der Scheich schob jede Verantwortung von sich: "Diese Beschuldigungen muss man sehr genau betrachten: Denn, ich frage Sie: Gibt es Leute, die irgendwelche Beweise haben, dass der Fußballverband von Bahrain während meiner Präsidentschaft irgendetwas getan hat, was nichts mit Fußball zu tun hatte?"
    Die FIFA-Ethikkommission hatte den Komplex in der kurzen Ära von Michael Garcia übrigens auf dem Tisch. Aber der Amerikaner, ein ehemaliger Staatsanwalt, schaute gar nicht in die Akten. Angeblich weil die FIFA-Statuten das nicht rechtfertigen. Inzwischen haben sich Menschenrechtsorganisationen zu Wort gemeldet. Und auch die internationale Spielergewerkschaft FIFpro machte klar, dass an den neuen Mann an der Spitze gewisse Ansprüche gestellt werden müssen.
    Große Hypothek für eine Kandidatur
    Mani Djazmi, der die Verhältisse im Nahen Osten bestens kennt, sagte dem Deutschlandfunk, dass der Scheich bei einer Kandidatur gewiss kein leichtes Spiel hätte: "Sollte er kandidieren, wird er bis zum Schluss damit konfrontiert werden. Menschenrechtsverletzungen – das ist eine ernste Angelegenheit. Es sind zwar nur Anschuldigungen, weil bisher niemand etwas beweisen konnte. Aber ich glaube nicht, dass die FIFA mit solchen Gerüchten und Andeutungen in Verbindung gebracht werden will. Wenn Salman Berater hat, sollten sie ihm eine Kandidatur ausreden. Diesem Problem kann er nicht davonlaufen."
    Zumal die Anschuldigungen konkret genug sind. Sie wurden zum Beispiel 2011 in einem Film des amerikanischen Journalisten Jeremy Schaap für den Sender ESPN belegt. Zwei Jahre später gab es übrigens erneut Meldungen über Verhaftungen von regimekritischen Sportlern. Währenddessen ging die Konsolidierung der Macht von Repräsentanten arabischer Länder in der asiatischen Fußball-Föderation weiter. Viele von ihnen Mitglieder königlicher Familien und über Ämterpatronage installiert.
    Das vollständige Gespräch können Sie bis mindestens 25. April 2016 nachhören.