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Film "American Sniper"
Eastwood entwirft einseitiges Bild des Krieges

Clint Eastwood geht mit dem Film "American Sniper" über einen US-Scharfschützen im Irak-Krieg mit sechs Nominierungen ins Oscar-Rennen. Das Drama, das auf der Autobiografie des Amerikaners Chris Kyle basiert, ist aber nicht mehr als das Schulbeispiel eines Propagandafilms.

Von Rüdiger Suchsland |
    Clint Eastwoods Scharfschützendrama "American Sniper" wurde für sechs Oscars nominiert.
    Clint Eastwoods Scharfschützendrama "American Sniper" wurde für sechs Oscars nominiert. (Imago)
    "Allah u Akbar", "Gott ist groß" - dies ist der erste Ton dieses Films, wenn die Leinwand noch schwarz ist. Der islamische Gebetsruf klingt längst nicht mehr nach einer unschuldigen Gottesanrufung. Er ist in unserer heutigen Welt der Kulturkämpfe auch ein Fanal des Terrors. Und in einem Film wie diesem, der "American Sniper" heißt, und von den amerikanischen Feldzügen im Nahen Osten während der letzten Dekade handelt, ist ein solcher Beginn zumindest doppelbödig.
    "Sekunde, hier ist eine Frau mit 'nem Kind, 200 Meter von hier, sie bewegt sich Richtung Konvoi."
    Kind oder Mörder?
    Das erste Bild zeigt dann einen Mann, in Uniform in Deckung auf dem Boden liegend, und die Kamera folgt seinem Blick durchs Zielfernrohr. Im Fadenkreuz ist ein etwa zwölfjähriger Junge zu sehen. Er hat etwas in der Hand, das wie eine Granate aussieht, aber genau ist es nicht zu erkennen. Das Fadenkreuz gehört Chris Kyle, dem "American Sniper", dem Scharfschützen und Helden dieses Films. Er muss entscheiden, ob er in dem Kind einen potenziellen Mörder sieht, und es erschießt, oder ob er es drauf ankommen lässt.
    "Die grillen Dich, wenn Du falsch liegst."
    In dieser Sekunde mit dem Blick durchs Zielfernrohr friert das Bild ein, und der Film blendet zurück.
    Kindheitsszenen, schnell ist das Milieu etabliert: jenes idealtypische konservative weiße Amerika des Mittleren Westens. Es ist eine Welt ohne große soziale Probleme, ohne Weltanschauungskonflikte, abends wird aus der Bibel gelesen. Es ist jenes Milieu der "Rednecks", wo man seinen Vater mit "Sir" anredet, wie ein Soldat den Offizier.
    Ein Vaterkomplex, eine Demütigung - es sind simple Schlüsse, mit denen Clint Eastwood die Seelenlage seiner Hauptfigur umreißt, erklärt warum sich dieser junge Mann, der sich als Versager fühlt, als Erfolgloser, der seinen Platz in der Welt noch nicht gefunden hat, freiwillig zum Militär meldet.
    Auf die Attentate vom 11. September folgen bald die ersten Einsätze, aber im Film geht es sehr schnell, da befindet sich der Held schon im Irak, in Falludscha, das ihm ein Kamerad als den "Wilden Westen des Nahen Ostens" vorstellt.
    Mit solchen Analogien platziert Clint Eastwood seinen Helden geschickt nicht nur in der Realität eines politisch und moralisch hochumstrittenen, strategisch überaus komplexen asymmetrischen Krieges, sondern im symbolischen Raum Hollywoods und der US-amerikanischen Mythologie.
    Ein Scharfschütze, der das Richtige tut
    Eastwood ist ein Regisseur, der diesen Raum immer im Blick hat. Er entlockt ihm manchmal richtig neue Erzählungen oder zumindest Facetten. In diesem Fall ist es eher eine sehr alte Geschichte: Sein "American Sniper" ist ein nüchtern-biederer, humorloser Schweiger, der allein durch seine Taten zu uns spricht.
    Zweifel, auch nur Gedanken stören sein Weltbild nicht - er ist überzeugt, dass er das Richtige tut, wenn er Amerika dient, weil Amerika stets das Richtige tut.
    "Denken sie manchmal, dass sie dort Dinge gesehen oder getan haben, die sie lieber rückgängig machen würden."
    "Oh so bin ich nicht, nein."
    Und er, der als Scharfschütze aus der Deckung Menschen erschießt, tue ja nur seine Pflicht. Indem er amerikanische Soldaten im Kampf beschützt.
    "American sniper" beruht auf Fakten. Chris Kyle gab es tatsächlich. Er war der erfolgreichste Scharfschütze der US-amerikanischen Militärgeschichte - über 160 Menschen hat er erschossen. Endgültig zurück in den USA ist Chris Kyle 2013 von einem Veteranen ermordet worden. Das macht ihn selbst zum Opfer und erst recht zur tauglichen Projektionsfläche für große Massen.
    Dabei ist der Held nicht sympathisch. Man sieht, wie ihn der Krieg selbst zu einem in sich erstarrenden Monster macht, der mit Frau und Kindern lange nicht kommunizieren kann.
    Aber er leidet für die richtige Sache und handelt immer richtig, daran lässt der Film keinen Zweifel.
    In den USA wird dieser Film und sein großer Erfolg beim breiten Publikum viel debattiert. Kritiker werfen "American Sniper" Gewaltverherrlichung vor, und dass er selbst der ideologischen Denkstruktur eines Islamisten verfalle.
    Stilistisch hat Clint Eastwood einen handwerklich soliden, aber keineswegs besonderen Film gedreht. Er zeigt die Kugel des Helden in Zeitlupe und Großaufnahme. Nutzt kitschige Musik und sentimentale Formsprache.
    Schulbeispiel eines Propagandafilms
    Nie gibt er den Zuschauern den Überblick über einen Schauplatz, nie die Orientierung. Das Publikum bleibt selbst verwirrt und orientierungslos.
    Eastwood entwirft ein einseitiges Bild des Krieges, das man allenfalls damit entschuldigen kann, das man behauptet, der Regisseur wolle die Binnensicht seiner Figur wiedergeben:
    Bis zum Ende des Films ist kein einziger normaler irakischer Zivilist zu sehen.
    Es gibt Feinde, und es gibt Verräter, die die Amerikaner in eine Falle locken wollen. Und es gibt eine einzige Familie, die mit den Soldaten kollaboriert.
    Kurz darauf sieht man, wie der Sohn von Islamisten mit einem Bohrer zu Tode gefoltert wird, der Vater erschossen.
    Propaganda, darunter versteht man Überredung statt Überzeugung. Die Manipulation des Publikums zugunsten bestimmter politischer und moralischer Positionen.
    In diesem Sinne ist "American Sniper" das Schulbeispiel eines Propagandafilms.
    "Ich komm jetzt nach Hause."