Susanne Luerweg: Ein Leben, wie es kein Drehbuchschreiber erfinden könnte. Ein Leben, das einfach das Leben schrieb. Das Leben des genialen Musikers, der mit 18 Jahren schwerste Verbrennungen an der linken Hand erlitt, danach nur noch mit drei Fingern Gitarre spielen konnte. Und Jazzfreunde werden schon längst wissen, von wem die Rede ist. Von Django Reinhardt.
Anstatt zu verzweifeln, etablierte er einen neuen Stil und gilt bis heute als einer der bekanntesten Jazzgitarristen weltweit. Er überlebte die Nazizeit, aber wohl nicht seinen wilden Lebenswandel - und starb im Alter von 43 Jahren. Zahlreichen Dokumentationen haben versucht, sein Leben zu ergründen, Woody Allen hat mit "Sweet and Lowdown" eine Hommage gedreht und jetzt gibt es einen Spielfilm, der sein Leben nachzeichnet. "Django", so der schlichte Titel, wird heute Abend die Berlinale eröffnen - und wir sprechen nun mit Joscho Stephan, Jazzgitarrist und ausgewiesener Django-Reinhardt-Kenner. Schönen Guten Tag, Herr Stephan.
Joscho Stephan: Ja, schönen guten Tag.
"Etwas eigenes, Europäisches zur Musik hinzugefügt"
Luerweg: Ein Leben wie im Spielfilm. Da wundert es ja fast ein bisschen, dass erst jetzt jemand auf die Idee gekommen ist, ein sogenanntes Biopic über ihn zu drehen. Ein Mann, der nur noch drei Finger an der rechten Hand bewegen konnte, das ist spannend, aber erklärt das allein das Phänomen?
Stephan: Ja, ich glaube, da ist sehr viel mehr dahinter. Ich werde ja oft über Django Reinhardt auch gefragt, versuche auch in meinen Konzerten zu Django zu erzählen oder zur Biographie. Zum einen - und das wird ja oft vergessen - man bezeichnet das heute als Gipsy-Swing oder Jazz Manouche, was dahinter steht, ist natürlich, dass er ein Sinto war, das ist ganz klar. Aber was damit oft auch in Vergessenheit gerät, ist, dass er eigentlich zusammen mit Stéphane Grappelli der erste Europäer war, der auch von den Amerikanern anerkannt wurde als Jazz-Musiker, weil er eine ganz, ganz eigene Musikrichtung zu Stande gebracht hat. Er war natürlich von den amerikanischen Musikern beeinflusst, hat aber was ganz eigenes, Europäisches mit hinzugefügt und er war, wie man heute auch so sagt, er war auch ein Typ. Es gibt Biographien über Charlie Parker oder Miles Davis im Film und ich glaub, auch als Typ steht Django da diesen beiden Musikern in nichts nach.
"Django sagte: Die Musik kennt mich und das reicht"
Luerweg: Es heißt, er habe ein sehr ausschweifendes Leben geführt, mehr Geld ausgegeben, als er dann doch verdient hat, bis zum Schluss mehr oder weniger im Wohnwagen gelebt, ich glaube, nur in den letzten Jahren hat er dann doch ein kleines Häuschen in der Nähe von Paris bezogen, hat die Nazizeit in Paris überlebt, also das ist schon sehr faszinierend - und das alles, ohne Lesen und Schreiben zu können.
Stephan: Ja, es ist eigentlich total ausgeklügelt, was Django gespielt hat, also theoretisch auch astrein zu erklären, aber der Mann war überhaupt kein Theoretiker, sondern ein reiner Naturmensch. Wie gesagt, nicht Lesen und Schreiben und das gleiche auch in der Musik, er war ja kein Notist. Und er hat einfach auch tolle Zitate hinterlassen. Ihn hat mal jemand gefragt, ob er die Musik kennen würde, die er spielt, also bezugnehmend darauf, dass er theoretisch oder mit Noten sich auskennen würde, und die Antwort von Django war: Die Musik kennt mich und das reicht.
"Sein Glück war, dass der wachhabende Offizier Jazzfan war"
Luerweg: Und wie stark hat ihn die Tatsache geprägt, dass er Sinto war?
Stephan: Also das Leben, das traditionelle Leben der Sinti und Roma hat er natürlich auch geführt, er war mit dem Wohnwagen immer wieder unterwegs, es gab auch Phasen, in denen man ihn einfach nicht auffinden konnte, weil er mit der Familie unterwegs war. Ich denke, dass er auch eine große Familienbindung hatte, da ist ja gar nicht so viel bekannt, aber letzten Endes wird es so gewesen sein. Und was die Nazizeit angeht, ich habe viel gelesen über Django Reinhardt, man weiß immer nicht, was wahr ist, aber ich habe mitbekommen - ich weiß nicht, ob das vielleicht auch in dem Film eine Rolle spielen wird -, er ist ja, als der Krieg ausbrach, 39, da war er gerade mit Grappelli in London, er ist zurück gegangen nach Paris, wegen der Familie. Und als sich die Lage immer weiter zugespitzt hat, auch mit den Nazis, da wollte er auf jeden Fall in die Schweiz abhauen und man hat ihn an der Grenze eigentlich geschnappt. Sein Glück war nur, dass einer der wachhabenden Offiziere großer Jazzfan war und Django Reinhardt gekannt hat und er mehr oder weniger dafür gesorgt hat, dass er in Paris, ich sag es jetzt mal vorsichtig, ein eher sorgenloses Leben führen kann, beziehungsweise seine Musik spielen konnte - und die musste er dann halt auch oft für die Nazis spielen, das ist ganz klar.
Luerweg: Herr Stephan, wann genau sind Sie auf Django Reinhardt oder auf seine Musik gestoßen?
Stephan: Das war im Alter von 13 oder 14 Jahren, ich hatte schon Musik gemacht, mit klassischer Gitarre angefangen, dann gings ein bisschen zur Rockmusik zurück. Improvisation hat mich zu diesem Zeitpunkt schon gepackt und ich habe bei meinem Onkel eine Scheibe von Django Reinhardt entdeckt und auf Grund des Covers einfach mal aufgelegt, und da ertönte als erste Nummer der Minor Swing und da wars um mich geschehen. Geige, Gitarren, Kontrabass, nicht das, was man als 13, 14-Jähriger sonst so üblicherweise hört und die Musik war atemberaubend und Django Reinhardt hat in seinem Spiel da eigentlich alles schon zusammengefasst, was mich bei anderen Stilistiken schon im Allgemeinen gepackt hat - Virtuosität, Melodie, Leidenschaft, Rhythmik - da war alles vorhanden und das hat mich wirklich, wie man heute so schön sagt, total geflasht.
Luerweg: Joscho Stephan, Jazz-Gitarrist, Django Reinhardt Kenner über die Bedeutung des Musikers für die Jazzwelt von heute und die Hoffnung, die er an den Fillm knüpft. Herr Stephan ist selber auf Tour und zwar mit seinem Gipsy-Swing-Quartett ist er heute in Osnabrück zu sehen und weitere Termine finden sich auf seiner Homepage. Herr Stephan, vielen Dank für das Gespräch.
Stephan: Ja, vielen Dank. Ich danke Ihnen.
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