"Warum muss sich eigentlich alles verändern. Du wachst morgens auf und plötzlich hast du tausend Probleme. Jungens. Pickel. Wirtschaftskrise."
So kann es kommen, wenn man - wie Charleen - fünfzehn ist und sich gegen Mutter sowie den Rest der Welt auflehnt. Ein Selbstmordversuch bringt Charleen zum Psychologen, der bei der ersten Therapiestunde Torte mümmelt und sich als mindestens ebenso eigensinnig erweist wie seine Klientin:
"Mit 15 kann man eine Menge Spaß haben, aber du möchtest lieber tot sein. Findest du das normal?" – "Bin ich eben nicht normal."
Mark Monheim hat mit seiner Coming-of-Age-Geschichte "About A Girl" eine schöne Geschichte über ein Mädchen gedreht, das sich dem Üblichen verweigert. "About A Girl" ist komisch, hat wunderbar skurrile Momente, und bleibt doch am Ende erzählerisch ohne große Überraschungen. Was allerdings durch die wunderbare Präsenz und den Charme der Charleen-Darstellerin wettgemacht wird. Jasna Fritzi Bauer ist im realen Leben Fünfundzwanzig; die filmischen fünfzehn Jahre nimmt man ihr aber problemlos ab. Eine überzeugende Filmfigur wird Charleen mit einer ziemlich reifen Lebensphilosophie, zu der sie gelangt: Dass das Leben und der Tod nämlich auch im Alltag eine Einheit bilden. Ob man will oder nicht.
"Ich weiß, dass ich irgendwann mal sterben muss, passiert jedem. Das ist wohl sowas wie der Clou an der Sache mit dem Leben."
"About A Girl" von Mark Monheim - empfehlenswert.
Erstaunlich, wie sehr Pyotr, Hauptfigur in Tony Pembertons Film "Buddha´s Little Finger", und Charleen zu einer ähnlichen Erkenntnis über den Zusammenhang von Leben und Tod kommen. Pyotr allerdings formuliert die buddhistische Variante dieser Erkenntnis, wenn er sagt:
"Die Antwort lautet, ich bin die gleiche Person. Und die Form ist völlig egal. Und am Ende steht immer der Tod."
"Buddha´s Little Finger" spielt zurzeit des russischen August-Putsches 1991 und gleichzeitig 1919, in Revolutions-Zeiten. Pyotr – '91 ein armer Schriftsteller - muss nur einmal die Augen schließen und schon ist er ein Revolutionskämpfer am Anfang des 20. Jahrhunderts.
"Diese Träume sind die Realität. Auch wenn es verrückt klingt, ich lebe in zwei Zeiten. Und wenn ich die Wahl hätte, würde ich die Zukunft vergessen und würde hier bleiben."
Aber immer, ob 1919 oder 1991 geht es um einen buddhistischen Heiligen und die Macht:
"Doch dann bat ein Pilger, ihnen zu demonstrieren, dass die Macht existiert. Der Buddha hob seinen Finger und zeigte zu den Bergen. Sie verschwanden. Und um zu zeigen, dass die Macht nichts bedeutet, deutete der Buddha mit seinem Finger auf sich und verschwand. Alles, was von ihm übrig blieb, war sein kleiner Finger."
Und den, Buddha´s kleinen Finger, wollen sowohl die Gangster in der Noch-Perestroika-Zeit von 1991 als auch die Bolschewiki 1919:
"Ich frage dich noch einmal: Wo ist Buddhas kleiner Finger?"
Zugegeben ist der ständige Wechsel der Zeiten, den Tony Pemberton inszeniert, verwirrend. Man kommt kaum hinterher. Doch es ist eine reizvolle Vorstellung, dass alles Begehren um Macht, Einfluss und was sonst noch das Weltgeschehen dominierte und dominiert - 1919, 1991 oder 2015 -, sich am Ende des Lebens als eine Illusion, als Konstruktion unseres Geistes erweist. Wenn wir durch das etwas chaotische Gestrüpp dieses Films hindurch sind, steht solch eine Erkenntnis zum Durchkauen bereit. Aber dazu braucht es - zugegeben - einen harten Kinogänger-Biss.
"Buddha´s Little Finger" von Tony Pemberton - annehmbar.
In Rupert Golds Filmdebüt "True Story" - Spiel um Macht" steht am Anfang nicht die philosophische Reflexion über den Tod, sondern ein Mord. An sich interessiert die Sache den geschassten Ex-Starjournalisten Michael Finkel nicht, bis ihn der Anruf eines Kollegen erreicht. Wie er denn zu dieser Geschichte stehe?
"Wozu?" – "Christian Longo. Er hat seine ganze Familie umgebracht hier in Newport."
Wieso er ihn das frage, fragt die ehemalige Edelfeder der New York Times?
"Weil er bei der Festnahme gesagt hat, er sei Mike Finkel."
Michaels Ehrgeiz ist angestachelt. Ein Mörder, der seinen Namen benutzt? Ist das der Stoff für einen Bestseller, der ihm vielleicht den Pulitzer-Preis verschafft? Und so sitzen sich Jonah Hill und James Franco dann gegenüber, im Besucherraum des Gefängnisses, und "True Story" entwickelt sich zu einem Kammerspiel, in dem zwei Männer mit großem Ego um ihre Version der Wahrheit ringen.
"Nach meinen Berechnungen bin ich ziemlich normal. Ich bin anständig und unauffällig. 92,88 Prozent der Zeit. Aber das erfährt man nicht, wenn man die Zeitung liest."
Jonah Hill und James Franco liefern sich ein fulminantes Psychoduell, beim dem nie klar ist, wer den anderen zu manipulieren sucht. Wunderbar, dem zuzusehen. Aber am Ende fragt man sich, was denn nun eigentlich der Sinn der ganzen Sache sein soll? Und was die Wahrheit ist. Offener Schluss als künstlerisches Mittel in Ehren, doch hier bleibt ein Gefühl von Unbefriedigtsein.
"True Story - Spiel um Macht" - annehmbar.