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Finanzierung der Koalitonsvorhaben
"Alles solide gerechnet"

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat Zweifel an der Finanzierbarkeit der Koalitionsvorhaben zurückgewiesen. Aufgrund ausreichender Reserven gebe es in der Finanzplanung bis 2017 den nötigen Spielraum für prioritäre Maßnahmen in Höhe von 23 Milliarden Euro.

Wolfgang Schäuble im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: Den Bundesfinanzminister begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen, Wolfgang Schäuble.
    Wolfgang Schäuble: Guten Morgen, Frau Kaess.
    Kaess: Herr Schäuble, hatten Sie nach der kurzen Nacht der Verhandlungen jetzt eine schlaflose Nacht, angesichts der Kosten für die Vorhaben der Großen Koalition in den kommenden Jahren?
    Schäuble: Nein. Wir haben das wirklich alles solide gerechnet. Der Beitrag, den wir gerade gehört haben, der hat das auch nicht richtig verstanden. Wir haben ja zunächst einmal gesagt, die Maßnahmen müssen alle, mit Ausnahme der prioritären Maßnahmen, aus den jeweiligen Politikbereichen gegenfinanziert werden. Das wird der künftige Finanzminister auch exekutieren. So haben wir das in den letzten vier Jahren auch gemacht.
    Die prioritären Maßnahmen belaufen sich für diese Legislaturperiode, für diese vier Jahre, auf 23 Milliarden, und dafür haben wir, wenn wir die Reserven, die wir immer in der Finanzplanung natürlich haben, weil wir vorsichtig arbeiten, den Spielraum. Wir haben ja in der mittelfristigen Finanzplanung – die ist im Juli im Kabinett ja verabschiedet worden – nicht nur die genannten Überschüsse, die der Beitrag genannt hat, sondern wir haben für 2016 und 2017 auch sogenannte globale Mindereinnahmen eingestellt. Das sind Beiträge, die wir auch als Überschüsse, aber nicht extra ausgewiesen haben, um auch nicht zu viele Begehrlichkeiten zu wecken. Und wenn wir das auf der Grundlage der Prognosen der amtlichen Institute, wie die wirtschaftliche Entwicklung sein wird, national wie international, wo wir immer vorsichtig schätzen, und auf der Grundlage der amtlichen Steuerschätzung von Bund und Ländern, die ja vor wenigen Wochen gewesen ist, gegenrechnen, dann ist das eine vorsichtige, realistische, aber natürlich ehrgeizige Planung. Wir werden das schaffen. Wir haben sehr darum gerungen. Ich habe sehr darauf geachtet, dass das nicht mehr wird.
    Kaess: Herr Schäuble, wir wollen versuchen, das noch ein bisschen besser zu verstehen. Woher kommen plötzlich diese Reserven und warum wurden die bisher nicht angegangen?
    Koalitionsvorhaben sind solide finanziert
    Schäuble: Ich habe gerade gesagt, ich kann es Ihnen aber gerne wiederholen: Wir haben zunächst einmal die genannten Überschüsse in den Haushaltsjahren. Die sind in der amtlichen Finanzplanung enthalten. Und wenn Sie in die Finanzplanung hineinschauen, dann finden Sie auch für diese Jahre – das hat Ihr Experte übersehen – sogenannte globale Mindereinnahmen. Das sind nichts anderes als Reserveposten, die wir eingestellt haben. Wenn Sie das dazurechnen und wenn Sie dann noch bestimmte, nicht ausgewiesene stille Reserven mobilisieren, die man immer in der Haushaltsplanung hat – wir waren ja in allen zurückliegenden Jahren in den tatsächlichen Zahlen immer besser, immer weniger Schulden, weniger Ausgaben, als am Anfang geplant -, dann ist das eine vorsichtige, ehrgeizige, aber realistische, verantwortliche Planung. Deswegen haben wir ja so lange gerungen. Die Sozialdemokraten hatten sehr viel weitergehende, doppelt so hohe Vorstellungen. Da musste ich sagen, das ist dann nicht zu finanzieren.
    Kaess: Das haben wir verstanden. Jetzt ist die Rede von 23 Milliarden. Davor hieß es 15 Milliarden. Die Opposition und andere Berechnungen, die kommen auf fast 30 Milliarden, manche sogar auf 40 Milliarden.
    Schäuble: Unsere Zahlen sind ja ausgewiesen. Verstehen Sie, das macht nun keinen Sinn. Wir haben das alles, das kann ja jeder überprüfen. Auf den Betrag zwei Stellen hinter dem Komma kann man das überprüfen.
    Kaess: Offenbar wird unterschiedlich gerechnet.
    Schäuble: Nein, es wird nicht unterschiedlich gerechnet, sondern es wird entweder nicht verstanden, oder es wird von der Opposition polemisch falsch dargestellt. Es sind 23,06 Milliarden für die Jahre 2014, 2015, 2016, 2017 einschließlich, nicht mehr, sondern exakt diese Zahl.
    Und die ist auf die Weise, wie ich es Ihnen beschrieben habe, solide zu finanzieren. Das ist ehrgeizig, deswegen musste ich den Sozialdemokraten und der Koalitionsführung insgesamt sagen, mehr ist verantwortlich-seriös nicht darzustellen. Aber das ist seriös darzustellen.
    Kaess: Dann belassen wir es erst mal bei dieser Zahl und schauen auf die Finanzierung. Christoph Schmidt, der Chef der Wirtschaftsweisen, hat sich heute Morgen zu Wort gemeldet, und er hält die Ausgaben für nicht ausreichend finanziert. Er sagt, bis zum Jahr 2017 lassen sich die vorgesehenen Mehrausgaben vielleicht finanzieren, ohne Steuererhöhung und ohne neue Schulden ab dem Jahr 2015, darüber hinaus jedoch nicht.
    Schäuble: Ja sehen Sie? Ich habe das auch gehört von Herrn Schmidt und ich schätze ihn sehr, und er bestätigt gerade, was ich Ihnen gesagt habe. Bis 2017 – und davon reden wir. Wir haben jetzt im Koalitionsvertrag die Grundlagen für die gemeinsame Politik für diese Legislaturperiode - die geht bis 2017 – formuliert, und da, sagt er selbst, lassen sich die Ausgabenplanungen seriös finanzieren. Wir haben jetzt nicht einen Koalitionsvertrag für die Jahre 2018 bis 3000 gemacht, sondern für die Jahre 2014 bis 2017.
    Und da sagt auch Professor Schmidt, der Vorsitzende des Sachverständigenrats, in dem von Ihnen zitierten Interview – man muss es nur genau lesen, was die Menschen sagen - sei es solide finanziert. Natürlich unterstellt es, dass wir keine Wirtschaftskrise bekommen. Natürlich unterstellt es, dass die wirtschaftliche Entwicklung ungefähr so verläuft, wie sie auch vom Sachverständigenrat, von der Bundesbank, von der EU-Kommission, von der OECD, vom Internationalen Währungsfonds vorhergesagt wird. Aber Vorhersagen sind immer mit einem Risiko verbunden. Es kann morgen etwas ganz anderes passieren. Das ist immer die Unsicherheit. Aber auf der Grundlage der amtlichen Zahlen ist das seriös, und das bestätigt auch der vorsitzende des Sachverständigenrats.
    Mindestlohn keine negativen Auswirkungen für den Arbeitsmarkt
    Kaess: Was macht Sie optimistisch, was die Lage auf dem Arbeitsmarkt angeht? Die Union hat ja gerade einer Maßnahme, dem Mindestlohn, zugestimmt, den sie immer abgelehnt hat mit dem Argument, das ist schädlich für den Arbeitsmarkt, das wird uns Jobs kosten.
    Schäuble: Aber wir haben ja eine Regelung gefunden – das war ein ganz schwieriger Punkt in den Verhandlungen; das haben ja auch die Parteivorsitzenden gestern sehr präzise dargelegt -, wo es eben so ist, dass wir zwar, wie wir alle im Wahlkampf gesagt haben, grundsätzlich einen flächendeckenden Mindestlohn einführen. Aber indem wir bis 2017 einschließlich durch Tarifvertragsregelungen auch Ausnahmen, insbesondere dort, wo es regional Schwierigkeiten macht, Übergangszeiten ermöglichen, bemühen wir uns ja, die Auswirkungen für den Arbeitsmarkt, beziehungsweise sicherzustellen, dass keine negativen Auswirkungen für den Arbeitsmarkt entstehen. Ich glaube, dass das ganz gut gelungen ist im Koalitionsvertrag.
    Kaess: Schauen wir noch kurz, Herr Schäuble, auf ein Lieblingsprojekt der Union: die Mütterrente. Die Berechnung der Deutschen Rentenversicherung sagt, für 40 Jahre wird das die Rentenkasse belasten. Wieso wird da ein Projekt gestartet, wenn man den Zeitraum der Finanzierung gar nicht überblicken kann? Letztendlich wird die jüngere Generation hier zahlen, oder?
    Schäuble: Na ja, gut. Ich meine, können Sie mir erklären, warum Mütter für Kinder, die nach 1992 geboren sind, höhere Zuschläge in ihrer Rente erhalten als für Kinder, die vor 1992 geboren sind? Da ist doch eine Ungerechtigkeit. Natürlich!
    Kaess: Aber da hätte man viel zu tun, wenn man alle Gerechtigkeitslücken in der Sozialversicherung schließen wollte.
    Schäuble: Aber dass die ältere Generation - und die Frauen, die vor 1992 Kinder geboren haben, haben es ja schwerer gehabt im Zweifel als die Frauen, die nach 1992 Kinder geboren haben. Dass man da versucht, die größten Ungerechtigkeiten zu schließen, das haben wir übrigens im Wahlkampf gesagt.
    Das wird natürlich, wenn diese Frauen noch 40 Jahre leben, 40 Jahre lang Auswirkungen haben. Das ist wahr. Wir haben eine demografische Entwicklung, der Anteil der älteren Menschen steigt, der Anteil jüngerer Menschen nimmt zu. Für diese Legislaturperiode ist auch dieses solide, seriös finanziert, und für die Zukunft werden wir uns weiter anstrengen müssen. Deswegen ist ja so wichtig, dass wir viel in Forschung und Investitionen und Ausbildung investieren.
    Kaess: Weiter anstrengen müssen, Herr Schäuble, heißt, die Rentenbeiträge werden steigen?
    !!Schäuble:';X! Die werden in der Zukunft – das ist aber völlig unstreitig – irgendwann steigen, weil wir eine demografische Entwicklung haben, wo weniger Jüngere mehr Ältere in der Rentenversicherung gegenüberstehen. Das ist die demografische Entwicklung, auf die wir uns deswegen gut vorbereiten, indem wir erstens keine neuen Schulden machen. Deswegen haben wir ja gesagt, wir schöpfen die Schuldenbremse des Grundgesetzes gar nicht aus, wir machen keine neuen Schulden. Das hat uns ja vor ein paar Jahren überhaupt niemand zugetraut. Und zweitens sagen wir, wir müssen dafür sorgen, dass die Wirtschaft weiterhin wächst und dass alle Menschen, vor allen Dingen alle jungen Menschen, optimal ausgebildet werden. Deswegen investieren wir so viel zusätzliche Mittel in Ausbildung, von Kindertagesstätten bis zu den Hochschulen, um für die Zukunft gut gewappnet zu sein.
    Kaess: Herr Schäuble, wenn wir uns in ein paar Wochen wieder zum Interview verabreden, werden wir Sie als Bundesfinanzminister anmoderieren?
    Schäuble: Das weiß ich nicht, weil es nicht entschieden ist, und so lange werden wir beide und alle anderen sich gedulden müssen. Ich bin da ganz entspannt.
    Kaess: Hoffen Sie, dass es so sein wird?
    Schäuble: Ich bin da ganz entspannt, ich habe es Ihnen gerade gesagt, und ich werde die nächsten Tage wahrscheinlich noch ein paar Mal die Frage bekommen. Aber ich hoffe auch auf die Wiederholung dieser Fragen, die eigentlich unsinnig gestellt werden, weil es ja klar ist. Es ist nicht entschieden. Es wird nach dem Mitgliederentscheid der SPD und nach den Entscheidungen von CDU und CSU entschieden werden und so lange müssen sich halt alle gedulden. Es wird auch nicht besser, dass man es immer wieder versucht.
    Kaess: Live bei uns im Deutschlandfunk heute Morgen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Danke für das Interview.
    Schäuble: Gerne, Frau Kaess! Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.