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Fipronil-Skandal
"Die Informationspolitik ist derzeit mangelhaft"

Im Zusammenhang mit belasteten Eiern hat Foodwatch-Expertin Lena Blanken die aktuelle Informationspolitik kritisiert. Noch immer sei die Anzahl der betroffenen Eier nicht bekannt. "Die einzelnen Bundesländer sind jetzt gefragt, die Informationen offenzulegen", sagte Blanken im Dlf.

Lena Blanken im Gespräch mit Sarah Zerback |
    Mehrere Palletten mit Eiern
    Vergiftete Eier einer Geflügelfarm in den Niederlanden: "Wir wissen auch nicht, ob belastete Eier möglicherweise in anderen Produkten weiterverarbeitet wurden." (imago / Hollands Hoogte)
    Sarah Zerback: Ein giftiges Mittel zur Schädlingsbekämpfung, das hat in Eiern nichts zu suchen, und doch sind in Deutschland Millionen Eier in den Handel gekommen, die mit dem Insektizid Fipronil belastet sind. Ein Mittel, das in ein eigentlich ungefährliches Desinfektionsmittel gepanscht wurde und das die EU vor vier Jahren verboten hatte. Nachdem am Wochenende bekannt geworden war, dass verunreinigte Eier aus den Niederlanden auch in den deutschen Handel gelangt sind, ist mittlerweile klar, dass auch deutsche Betriebe betroffen sind. Die Zahl der Eier erhöht sich quasi stündlich. Der Ruf nach Konsequenzen ist in der Hauptstadt angekommen. Von dort berichtet Falk Steiner. Und jetzt gehen wir in die Analyse mit Lena Blanken, Expertin für Lebenshandel bei Foodwatch. Hallo, Frau Blanken!
    Lena Blanken: Hallo, grüße Sie!
    Zerback: Erst eine, dann drei, und inzwischen ist von zehn Millionen Eiern die Rede in zwölf Bundesländern. Ist das schon alles oder kommt da noch mehr?
    Blanken: Fakt ist, dass wir einfach nicht wissen, wie groß das Ausmaß der Belastung ist. Wir kriegen täglich neue Informationen. Wir wissen nach wie vor nicht, ob noch weitere Eier belastet wurden. Wir wissen auch nicht, ob belastete Eier möglicherweise in anderen Produkten weiterverarbeitet wurden, wie zum Beispiel Nudeln oder Kuchen.
    Behörden müssen mit Nachdruck dran arbeiten
    Zerback: Also dort, wo man sucht, da findet man auch. Das ist aktuell die Devise, oder …?
    Blanken: Das können wir auch nicht sagen, wie umfangreich da jetzt getestet wird. Was wir sagen können ist, dass die Informationspolitik derzeit mangelhaft ist, da wir nicht genau wissen, wie viele Eier betroffen sind. Da müssen die Behörden auf jeden Fall jetzt mit Nachdruck dran arbeiten, dass wir Informationen bekommen.
    Zerback: Und wenn Sie Behörden sagen, wen meinen Sie dann genau? Meinen Sie das Bundesinstitut für Risikobewertung, meinen Sie den Landwirtschaftsminister? Von wem sprechen Sie?
    Blanken: Die Lebensmittelkontrolle, die dafür zuständig ist, ist auf Länderebene organisiert. Das heißt, die einzelnen Bundesländer sind jetzt gefragt, die Informationen offenzulegen. Natürlich entlastet das den Bund nicht davon, auch zu informieren.
    Kein Zeitpunkt für Panik aber auch nicht für Entwarnung
    Zerback: Und das genannte Institut für Risikobewertung, das hat ja gesagt, es sind nur wenige betroffen anfangs, weil es selber nicht wusste, wie groß das Ausmaß ist, weil auch da falsch kommuniziert wurde oder wie erklären Sie sich das?
    Blanken: Das Bundesinstitut für Risikobewertung ist erst mal beauftragt, eine Bewertung abzugeben, wie gefährlich das dann sein kann, und auf Grundlage dessen, was da in Belgien gefunden wurde, haben sie gesagt, zumindest für Kinder könnte eine Gesundheitsgefahr bestehen, für Erwachsene, auf Grundlage der jetzt gefundenen Werte nicht. In Deutschland wurden noch nicht so hochbelastete Werte gefunden. Trotzdem wissen wir natürlich nicht, wie groß das Ausmaß ist, was noch gefunden wird. Deswegen ist jetzt noch keine Zeitpunkt, Panik zu schüren. Es ist aber auch nicht der richtige Zeitpunkt, jetzt zu entwarnen, weil das wäre verantwortungslos.
    Zerback: Und vor allen Dingen scheint das eine dem anderen ja zu widersprechen, wenn wir jetzt hören, dass bundesweit immer mehr Eier zurückgerufen werden – die Supermarktkette Aldi zum Beispiel alle Eier wirklich im Sortiment. Kann man da wirklich noch an eine reine Vorsichtsmaßnahme glauben, daran, dass wirklich kein akutes Gesundheitsrisiko besteht?
    Blanken: Das können wir von außen leider nicht sagen. Auch was Aldi - was dahintersteckt hinter Aldis Entscheidung, komplett alle Eier aus dem Markt zu nehmen, das wissen wir nicht. Da können wir nur mutmaßen, dass Aldi einen solchen Schritt nicht ohne Grund macht, und wenn es Unsicherheiten darüber gibt, welche Eier betroffen sind, dann ist es nur konsequent und richtig, wenn Unternehmen vorsorglich handeln und nur solche Eier in den Verkauf bringen, bei denen durch Tests belegt wurde, dass sie ungefährlich sind.
    Kennzeichnung auch auf verarbeiteten Produkten
    Zerback: Da hören wir ja jetzt vor allem von den großen Unternehmen, von den großen Ketten. Was ist denn mit den kleinen Händlern? Könnten sich da auch noch Eier befinden?
    Blanken: Ganz genauso könnten sich da noch Eier befinden. Das kommt gar nicht darauf an, ob es jetzt große Ketten sind oder kleine. Ebenso, wie gesagt, können die Eier in Produkte verarbeitet worden sein, und wir wissen davon noch immer nichts. Das betrifft sowohl große Ketten, aber auch kleine Hersteller.
    Zerback: Jetzt haben Sie ja gerade schon Produkte angesprochen, die mit Eiern hergestellt worden, und da ist ja im Moment die Krux, es gibt da keine Kennzeichnungspflicht. Also da kann man nicht nachvollziehen, welche Eier aus welchen Chargen da tatsächlich verwendet wurden, eben bei Nudeln zum Beispiel. Muss es diese Kennzeichnungspflicht da in Zukunft geben?
    Blanken: Prinzipiell fordern wir, dass auch auf verarbeiteten Produkten gekennzeichnet wird, welche Haltungsform die Eier haben. In diesem Falle aber hätte das wenig gebracht. Wenn jetzt rauskommt, dass die Eier wirklich auch verarbeitet wurden, dann müssen diese Produkte sofort zurückgerufen werden, da muss sofort öffentlich gemacht werden, welche Produkte das betrifft. Bisher gab es solche Meldungen noch nicht.
    Zerback: Welche Verantwortung tragen denn da Ihrer Meinung nach die landwirtschaftlichen Betriebe?
    Blanken: Die landwirtschaftlichen Betriebe sind natürlich in der Verantwortung, dass sie ausschließlich sichere Lebensmittel auf den Markt bringen. Wenn sie merken, dass da irgendwas schiefgelaufen ist, dann müssen sie sofort informieren und die betreffenden Produkte zurückrufen.
    Aufnehmen in ein bundesweites Monitoring
    Zerback: Jetzt gibt es ja eine Forderung, dass Fipronil, dieses Mittel, was wohl in das Desinfektionsmittel, was eigentlich harmlos ist, gepanscht wurde, dass das in ein bundesweites Monitoring für Lebensmittel, wo alle Rückstände aufgelistet werden, aufgenommen werden muss. Da stellt sich jetzt die Frage, das ist ein Mittel von vielleicht vielen – was gehört da noch drauf?
    Blanken: Prinzipiell sollten die Lebensmittelüberwachungsbehörden auf alle verbotenen Substanzen prüfen. Das ist nicht passiert, und deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass offenbar über einen längeren Zeitraum Fipronil eingesetzt wurde, ohne dass Behörden oder auch Unternehmen, die das verarbeitet haben, das überhaupt bemerkt haben, weil nicht darauf getestet wurde oder nicht ausreichend.
    Zerback: Was raten Sie denn jetzt Verbrauchern? Sie haben die Informationspolitik gerade schon kritisiert. Es werden immer mehr Bundesländer, immer mehr Eier. Da ist es natürlich auch für Verbraucher nicht einfach, den Überblick zu behalten. Was raten Sie denen jetzt, was sollen die tun?
    Blanken: Also außer Frage steht, dass wer Eier zu Hause hat, die betroffen sind, dass die dann nicht mehr verzehrt werden, dass die in den Müll geworfen werden oder in den Supermarkt zurückgebracht werden. Für alle anderen Produkte wissen wir nicht, ob sie noch betroffen sind oder nicht, und deswegen können wir auch an dieser Stelle noch keine Entwarnung geben.
    Zerback: Da, würden Sie auch sagen, ist Vorsicht geboten bei allen anderen Produkten, die mit Eiern in Berührung gekommen sein könnten, also mit Eiern hergestellt sein könnten?
    Blanken: Beim derzeitigen Wissensstand kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Produkte betroffen sind.
    Überwachungsbehörden und Unternehmen müssen aufklären
    Zerback: Und wer kann das jetzt aufklären, wer ist da jetzt gefordert?
    Blanken: Sowohl die Unternehmen, die dafür verantwortlich sind lebensmittelrechtlich, dass sie nur sichere Produkte in den Verkehr bringen, aber natürlich genauso auch jetzt die Überwachungsbehörden, dass sie die Produkte testen und auch, dass sie die Öffentlichkeit informieren, sobald betroffene Eier oder andere Lebensmittel gefunden werden.
    Zerback: Kann man davon ausgehen, dass da in diesem Fall jetzt kriminelle Energie im Spiel war?
    Blanken: Ja. Also zumindest bei dieser Firma, die das Reinigungsmittel vertrieben hat. Da kann man schon davon ausgehen, dass sie nicht aus Versehen eine verbotene Substanz eingesetzt haben. Ob die Betriebe, die das Mittel dann eingesetzt haben, davon wussten oder nicht, da können wir nur spekulieren. Da können wir überhaupt nichts zu sagen.
    Zerback: Sagt Lena Blanken von der Organisation Foodwatch. Herzlichen Dank für das Gespräch heute hier im Deutschlandfunk!
    Blanken: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.