Es gehört zu den Vorzügen dieses Buches, dass man es nicht von vorn bis hinten in strenger Reihenfolge lesen muss; es lädt durchaus zum Blättern ein und bietet in 24 Kapiteln allerlei Anregungen für eine jede Stunde des Tages. Bekanntlich 24 Stunden hat der Tag und also arrangiert Hodgkinson seine Kulturgeschichte, oder wie er es nennt, seinen Kanon des Müßiggangs in 24 Kapiteln, womit er uns wie selbstverständlich an natürliche Zyklen erinnert, die dem herrschenden linearen Fortschrittsglauben so recht zuwiderlaufen, der in seiner ökonomistischen Prägung kaum mehr zu bieten hat als den wiederkehrenden Aufruf zur gesteigerten Effizienz, zu immer noch größerer Eile. Aber wie macht man eigentlich Pause?
Was rät uns Tom Hodgkinson, dessen Buch "very british" ist, etwa zur 17. Stunde, also "Um vier Uhr nachmittags"? Sie ahnen es: it's tea time, meine Damen und Herren. "Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen", zitiert er eine alte chinesische Weisheit:
"(doch) das ist nichts für die, die fette Speisen essen und seidene Pyjamas tragen. "
Man erfährt allerlei über Teezeremonien und buddhistische Haltung (leider nichts über die kolonialen Rahmenbedingungen des Teehandels), und selbstredend ist Hodgkinson ein Gegner des Teebeutels, der ihm Ausdruck unserer Instantkultur ist, die bloß wieder der Hetze Vorschub leistet. Er favorisiert die Slow-Food-Bewegung und zitiert Eric Schlosser :
" Wir sind durch die Schnelligkeit versklavt und allesamt demselbem heimtückischen Virus erlegen: Fast Life - fast food (...) Im Namen der Produktivität hat fast life unsere Lebensweisen verändert und bedroht unsere Umwelt und unsere Landschaften. "
Aber der Kummer fängt ja schon morgens um sieben an, wenn die Welt nicht mehr in Ordnung ist, weil der Weckruf das Träumen verbietet und die jahrelang eingeübte Dressur beginnt: "An die Arbeit". Das heißt in der (kapitalistischen) Regel noch immer: das eigene Sensorium abzuschalten, die besten Tages- und Lebenszeiten zur Mehrung fremder Gewinne wegzugeben; gleich morgens schon keine Zeit mehr für eigene Gedanken zu haben und abends in die untergehende Sonne entlassen zu werden.
Hodgkinson hat fleißig (was selbst für einen Müßiggänger kein Widerspruch sein muss) die einschlägigen Texte vergangener Jahrhunderte zum Lob des Müßiggangs zusammengetragen - von Samuel Johnson über Paul Lafarge bis hin zu Bertrand Russels "Arguments for the leisure society". Müßiggang ist eine Bildungsaufgabe, und Muße Voraussetzung alles Kreativen und des Denkens.
Für die Zeit "Um Fünf Uhr nachmittags" empfiehlt Hodgkinson seinen Lesern das Flanieren - ja soweit es überhaupt noch möglich ist in autogerechten Städten und zersiedelten Landschaften, in Fußgängerzonen, die auf "Durchlaufgeschwindigkeit" des Konsumenten hin konzipiert worden sind und in denen jeder Straßenmusikant ein Störenfried ist, weil er die Kundschaft vom schnelleren Einkaufen ablenkt.
Wer Benjamin gelesen hat, wartet nur darauf, dass er auch das berühmte Passagenwerk zitiert: "1839 war es elegant, beim Promenieren eine Schildkröte mit sich zu führen." Ein schönes Beispiel für den frühen Protest gegen die besinnungslose Beschleunigung, das er sich nicht entgehen lässt. Leider verliert er kein Wort über die Peripatetiker, und das Verhältnis von "vita contemplativa" und "vita activa" bleibt unterbelichtet. Schon in der Antike galt ja nur der als wahrhaft freier Mensch, der sich nicht dem Joch der Erwerbs-Arbeit unterwerfen musste. Pech hatte, wer zu den Sklaven zählte.
Hodgkinson zeichnet unter anderem ausführlich nach, wie es in England, dem Mutterland der Industrialisierung gelang, nachdem die Maschine erfunden war, das ganze Leben nach ihr auszurichten: Produktion, Konsumtion, Produktion, Konsumtion und immer so weiter, selbst wenn die Bedürfnisse schon gedeckt waren. Die protestantische Arbeitsethik tat ein Übriges. Moralapostel erhoben die Arbeit zur Pflicht eines gottesfürchtigen Lebens.
Hunger und Gott seien im Konsumzeitalter durch Status und Besitz ersetzt und immer neue Bedürfnisse erfunden worden. Müßiggang sei Freiheit, aber nicht etwa die Freiheit zwischen McDonald´s oder Burger King zu wählen, ruft uns der Verfasser zu, ohne sich allerdings, und das ist sein großes Manko, genauer um die ökonomischen Bedingungen zu bemühen, die dem Spektakel zu Grunde liegen. Was tun? Nichts tun! Aber dann doch wenigstens Hodgkinsons heitere Kulturgeschichte lesen.
Anders als Management-Gurus wendet er etwa das Wort von der 'Eigenverantwortung' -
" Wir selbst tragen die Verantwortung; wir müssen uns unsere eigenen Republiken schaffen. Heute übergeben wir unsere Verantwortung an den Chef, an die Firma, an die Regierung,und geben ihnen dann die Schuld, wenn alles schief läuft. (...) Problem: Angst. Lösung: Geld. Methode: Arbeit. (...) Hinter all dem verbirgt sich Furcht. Sei furchtlos, gib deinen Job auf. Du hast nichts zu verlieren als deine Ängste, Schulden und das ganze Elend. Oder folge dem Beispiel dieser mutigen Proto-Müßiggänger, die sich zu einer Drei-Tage-Arbeitswoche entschieden haben, einem echten sozialen Trend. "
Dies & dass Zeit nicht Geld sei, klingt nicht schlecht; aber trotzdem ist dieses Buch keine "Anleitung zum Müßiggang", so wie es der Titel verspricht. Vielmehr handelt sich bei Hodgkinsons Schrift um eine unterhaltsame Kulturgeschichte, um einen aparten Kanon des Müßiggangs.
Was rät uns Tom Hodgkinson, dessen Buch "very british" ist, etwa zur 17. Stunde, also "Um vier Uhr nachmittags"? Sie ahnen es: it's tea time, meine Damen und Herren. "Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen", zitiert er eine alte chinesische Weisheit:
"(doch) das ist nichts für die, die fette Speisen essen und seidene Pyjamas tragen. "
Man erfährt allerlei über Teezeremonien und buddhistische Haltung (leider nichts über die kolonialen Rahmenbedingungen des Teehandels), und selbstredend ist Hodgkinson ein Gegner des Teebeutels, der ihm Ausdruck unserer Instantkultur ist, die bloß wieder der Hetze Vorschub leistet. Er favorisiert die Slow-Food-Bewegung und zitiert Eric Schlosser :
" Wir sind durch die Schnelligkeit versklavt und allesamt demselbem heimtückischen Virus erlegen: Fast Life - fast food (...) Im Namen der Produktivität hat fast life unsere Lebensweisen verändert und bedroht unsere Umwelt und unsere Landschaften. "
Aber der Kummer fängt ja schon morgens um sieben an, wenn die Welt nicht mehr in Ordnung ist, weil der Weckruf das Träumen verbietet und die jahrelang eingeübte Dressur beginnt: "An die Arbeit". Das heißt in der (kapitalistischen) Regel noch immer: das eigene Sensorium abzuschalten, die besten Tages- und Lebenszeiten zur Mehrung fremder Gewinne wegzugeben; gleich morgens schon keine Zeit mehr für eigene Gedanken zu haben und abends in die untergehende Sonne entlassen zu werden.
Hodgkinson hat fleißig (was selbst für einen Müßiggänger kein Widerspruch sein muss) die einschlägigen Texte vergangener Jahrhunderte zum Lob des Müßiggangs zusammengetragen - von Samuel Johnson über Paul Lafarge bis hin zu Bertrand Russels "Arguments for the leisure society". Müßiggang ist eine Bildungsaufgabe, und Muße Voraussetzung alles Kreativen und des Denkens.
Für die Zeit "Um Fünf Uhr nachmittags" empfiehlt Hodgkinson seinen Lesern das Flanieren - ja soweit es überhaupt noch möglich ist in autogerechten Städten und zersiedelten Landschaften, in Fußgängerzonen, die auf "Durchlaufgeschwindigkeit" des Konsumenten hin konzipiert worden sind und in denen jeder Straßenmusikant ein Störenfried ist, weil er die Kundschaft vom schnelleren Einkaufen ablenkt.
Wer Benjamin gelesen hat, wartet nur darauf, dass er auch das berühmte Passagenwerk zitiert: "1839 war es elegant, beim Promenieren eine Schildkröte mit sich zu führen." Ein schönes Beispiel für den frühen Protest gegen die besinnungslose Beschleunigung, das er sich nicht entgehen lässt. Leider verliert er kein Wort über die Peripatetiker, und das Verhältnis von "vita contemplativa" und "vita activa" bleibt unterbelichtet. Schon in der Antike galt ja nur der als wahrhaft freier Mensch, der sich nicht dem Joch der Erwerbs-Arbeit unterwerfen musste. Pech hatte, wer zu den Sklaven zählte.
Hodgkinson zeichnet unter anderem ausführlich nach, wie es in England, dem Mutterland der Industrialisierung gelang, nachdem die Maschine erfunden war, das ganze Leben nach ihr auszurichten: Produktion, Konsumtion, Produktion, Konsumtion und immer so weiter, selbst wenn die Bedürfnisse schon gedeckt waren. Die protestantische Arbeitsethik tat ein Übriges. Moralapostel erhoben die Arbeit zur Pflicht eines gottesfürchtigen Lebens.
Hunger und Gott seien im Konsumzeitalter durch Status und Besitz ersetzt und immer neue Bedürfnisse erfunden worden. Müßiggang sei Freiheit, aber nicht etwa die Freiheit zwischen McDonald´s oder Burger King zu wählen, ruft uns der Verfasser zu, ohne sich allerdings, und das ist sein großes Manko, genauer um die ökonomischen Bedingungen zu bemühen, die dem Spektakel zu Grunde liegen. Was tun? Nichts tun! Aber dann doch wenigstens Hodgkinsons heitere Kulturgeschichte lesen.
Anders als Management-Gurus wendet er etwa das Wort von der 'Eigenverantwortung' -
" Wir selbst tragen die Verantwortung; wir müssen uns unsere eigenen Republiken schaffen. Heute übergeben wir unsere Verantwortung an den Chef, an die Firma, an die Regierung,und geben ihnen dann die Schuld, wenn alles schief läuft. (...) Problem: Angst. Lösung: Geld. Methode: Arbeit. (...) Hinter all dem verbirgt sich Furcht. Sei furchtlos, gib deinen Job auf. Du hast nichts zu verlieren als deine Ängste, Schulden und das ganze Elend. Oder folge dem Beispiel dieser mutigen Proto-Müßiggänger, die sich zu einer Drei-Tage-Arbeitswoche entschieden haben, einem echten sozialen Trend. "
Dies & dass Zeit nicht Geld sei, klingt nicht schlecht; aber trotzdem ist dieses Buch keine "Anleitung zum Müßiggang", so wie es der Titel verspricht. Vielmehr handelt sich bei Hodgkinsons Schrift um eine unterhaltsame Kulturgeschichte, um einen aparten Kanon des Müßiggangs.