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Flüchtlinge
Merkel will Flüchtlinge besser integrieren

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich dafür ausgesprochen, mehr Sprachkurse für Flüchtlinge anzubieten. Damit könnte ihre Integration schneller gelingen - auch in den Arbeitsmarkt. An der CDU-Basis scheint man mit dem Kurs der Kanzlerin nicht einverstanden zu sein.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lässt sich am 10.09.2015 nach dem Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Berlin-Spandau für ein Selfie zusammen mit einem Flüchtling fotografieren.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Berlin im September. (picture alliance / dpa / Bernd Von Jutrczenka)
    In Video-Podcast der Bundeskanzlerin vom Samstag wies sie außerdem darauf hin, dass es für jeden Asylbewerber mit guten Bleibeperspektiven einen Integrationskurs von 600 Stunden gebe. "Das kann noch während des Asylverfahrens begonnen werden", sagte Merkel, die auch die Arbeit von Schulen und Kindergärten würdigte: "Da gibt es inzwischen riesige Anstrengungen in den Bundesländern, mit 'Willkommensklassen' zu arbeiten."
    Die Bundeskanzlerin betonte erneut, wie wichtig die deutsche Sprache als "Zugang zum Arbeitsmarkt" sei. Da die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seit einigen Wochen unter der gleichen Leitung stehen, seien auch individuell abgestimmte Sprachkurse oder Fortbildungen für Flüchtlinge möglich.
    Merkel sagte, man habe aus der Zeit der Gastarbeiter Anfang der Sechziger Jahre gelernt: Damals sei man davon ausgegangen, dass viele der Menschen Deutschland wieder verlassen würden - stattdessen seien sie über mehrere Generationen geblieben. Sie betonte aber auch, dass die verbesserte Förderung nur für Menschen gelte, "die wirklich verfolgt sind" und in Deutschland bleiben dürfen.
    Schärferes Asylrecht in Kraft getreten
    Einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zufolge schwindet an der CDU-Basis der Rückhalt für Merkel: In der jüngsten Sitzung des Parteipräsidiums soll Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Lage als dramatisch bezeichnet haben. Wenn das neue Asylpaket nicht bald Wirkung zeige, werde das Verhältnis der Parteispitze zur Basis Schaden nehmen.
    Das schärfere Asylrecht ist heute zu Teilen in Kraft getreten. Es sieht vor, dass Abschiebungen nicht mehr angekündigt werden; außerdem werden der Kosovo, Montenegro und Albanien als sichere Herkunftsländer eingestuft. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) kündigte im Deutschlandfunk an, Nordrhein-Westfalen werde die neuen Regeln mit Augenmaß umsetzen: "Was wir in Nordrhein-Westfalen nicht tun werden, ist, in den frühen Morgenstunden plötzlich bei irgendeiner Familie aufzutauchen, die Kinder aus dem Bett zu zerren und dann eine Abschiebung durchzuführen." Nach Angaben des Minister reisen schon heute rund 80 bis 90 Prozent der abgelehnten Asylbewerber freiwillig aus. Andere könne man nicht abschieben - etwa weil das Herkunftsland nicht kooperiere, weil Papiere fehlten oder weil es gesundheitliche Einschränkungen gebe.
    Tausende Menschen unterwegs
    Noch immer sind viele Menschen vor allem auf der Balkanroute in Richtung Deutschland unterwegs: In der Nacht zum Samstag kamen mehr als 1300 Flüchtlinge über die grüne Grenze von Kroatien nach Slowenien, berichtete die dortige Polizei. Damit seien seit dem Vortag rund 13.000 Menschen allein über das kleine slowenische Grenzdorf Rigonce eingereist. Weiter Richtung Norden, am österreichischen Grenzübergang Spielfeld, halten sich rund 3000 Flüchtlinge am Samstagvormittag auf. Polizeisprecher Fritz Grundnig zufolge sollen die Menschen so schnell wie möglich von hier aus in Verteilzentren in ganz Österreich gebracht werden. Fast alle werden von den Notunterkünften weiter in ihr Zielland Deutschland gebracht.
    Auch deswegen drängt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die EU-Staaten zu einer, wie er sagt, europäischen Lösung: Die von ihm eingeladenen Staats- und Regierungschefs der am meisten betroffenen europäischen Länder sollen am Sonntag "die dringend notwendige operative Antwort auf die aktuellen humanitären Herausforderungen beraten und über kurzfristige Maßnahmen entscheiden", sagte Juncker der Funke Mediengruppe. Er forderte eine bessere Zusammenarbeit in der EU: "Die Aufgabe ist so groß, dass wir sie nur europäisch lösen können", sagte der Kommissionspräsident.
    (swe/sdö)