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Folgen der US-Wahl
"Die liberale Weltordnung ist dadurch infrage gestellt"

Trump gebe den Entmachteten einen Sündenbock, sagte Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, im Deutschlandfunk. Das sei sehr gefährlich. Es breche nun ein Zeitalter an, in dem "Länder miteinander wütend umgehen" würden. Dadurch stiegen die Risiken für die gesamte Welt.

Dennis Snower im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Pappfigur von Donald Trump
    Durch die Wahl Donald Trumps befürchtet Dennis Snower nachhaltige Folgen für die gesamte Welt, vor allem bezüglich der Sicherheit und der Weltwirtschaft. (dpa / picture alliance / Georgi Licovski)
    Jasper Barenberg: Mitgehört hat Dennis Snower, der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Schönen guten Morgen auch Ihnen, Herr Snower!
    Dennis Snower: Guten Morgen!
    Barenberg: Herr Snower, Sie haben in den vergangenen Wochen und Monaten immer mal wieder mahnend das Wort ergriffen und vor einer sich abzeichnenden Tragödie gewarnt. Ist jetzt in Ihren Augen eine Tragödie eingetreten?
    Snower: Genau, ich glaube, schwarze Wolken ziehen über die Vereinigten Staaten und über die restliche Welt. Weil, wir wissen von der Zwischenkriegszeit, dass zivilisierte Länder einen Kurs gehen können, der kampfbereit innerhalb und außerhalb des Landes getrieben wird, der gegen Minderheiten ist, der sich nur auf sich bezogen befasst. Und dass es viele verwundete Menschen gibt, die aggressiv handeln wollen, die gehässig sind. Und das verkörpert er.
    Wir dürfen nicht vergessen, dass er der Kandidat ist, der meint, Muslime sollen bewacht werden, das Ansehen der Frauen hängt von ihrem Aussehen ab, Waterboarding ist okay im Verhör. Von der Mauer haben Sie schon gesprochen. Er will 111 Millionen illegale Migranten deportieren, die gesundheitliche Fürsorge, Versicherung, Obama Care war ein Desaster, Klimawandel ist ein Hoax [Anm. der Redaktion: Schwindel], NATO ist ein Betrug. Das soll uns ernsthafte Sorgen machen, wie es mit der Welt weitergeht. Die liberale Weltordnung ist dadurch infrage gestellt.
    Barenberg: Und welche Sorge macht Ihnen, dass dieses Potenzial an Wut und an, wenn ich es zusammenfassen darf, schlechten Gefühlen sich derart Bahn bricht?
    "Die Entmachteten sind böse und suchen einen Sündenbock"
    Snower: Ich glaube, wir haben gesehen, wie das innerhalb der Vereinigten Staaten Bahn bricht. Und dass sich das außenpolitisch auswirken wird, das muss man annehmen. Und ich glaube, wir kommen jetzt in ein Zeitalter, wo Länder miteinander wütend umgehen. Und das ist höchst beängstigend. Und die Risiken für die gesamte Welt bezüglich Sicherheit, Weltwirtschaft steigen enorm.
    Ich glaube, die Stimmen von zwei Bevölkerungsgruppen, besonders einer in den Vereinigten Staaten, sind sehr stark geworden. Das sind die Entmachteten, die fürchten, dass ihre Kinder nicht dieselben Chancen haben wie sie. Und sie sind böse. Und weil sie den amerikanischen Traum leben, denken sie, das Versagen ist nur dem Individuum zuzuschreiben. Und das ist natürlich falsch, weil, sie arbeiten so hart, wie sie können, und kommen nicht weiter. Und daher suchen sie einen Sündenbock und Trump gibt ihnen diesen Sündenbock. Und das ist sehr gefährlich.
    Barenberg: Wir sprechen mit Dennis Snower, dem Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Wir wollen das auch weiter tun, Dennis Snower, wir warten nur jede Sekunde förmlich darauf, dass Donald Trump sich öffentlich zu Wort meldet, und bitte verzeihen Sie es mir, wenn es so weit sollte, würden wir gern direkt zu unserem Korrespondenten nach Washington schalten.
    Aber vorher von mir noch die Frage: Sie sind Ökonom. Und mein Kollege aus der Wirtschaftsredaktion hat gesagt, alles, was wir von ihm ökonomisch hören, läuft darauf hinaus, dass es quasi wirtschaftspolitisch ein Rückfall in die ökonomische Steinzeit sein würde. Teilen Sie dieses Urteil?
    Snower: Ich glaube, wenn Trump all das machen würde, was er gesagt hat, dann würde es in diese Richtung gehen. Weil je mehr man sich wirtschaftlich abschottet, desto schwieriger kann man auskommen. Ich meine, stellen wir uns vor, dass es Handel zwischen Menschen nicht mehr geben könnte. Dann wären wir wirklich in der Steinzeit. Und wenn ...
    Heutzutage in dieser globalisierten Welt entstehen die meisten Güter und Dienstleistungen nur in Zusammenarbeit mit anderen Länder. Und daher, wenn man das beenden will, dann natürlich hat man weniger Möglichkeiten. Und die Preise von den Gütern und Dienstleistungen in den USA werden steigen. Und genau die Leute, die Trump gewählt haben, werden ganz besonders beeinträchtigt werden.
    "Vernunft hat in dieser Wahlkampagne keine Rolle gespielt"
    Barenberg: Haben Sie eine Erklärung dafür – einige haben Sie ja schon angedeutet –, dass es möglich ist, dass, sagen wir mal, die Seite der Vernunft so ins Hintertreffen geraten ist und die Menschen, die jetzt in großer Zahl offenbar Donald Trump gewählt haben, in größerer Zahl, als alle gedacht haben, gar nicht mehr erreicht?
    Snower: Ich glaube, Vernunft hat in dieser Wahlkampagne überhaupt keine Rolle gespielt. Es war eine sehr schmutzige Kampagne. Und es gab keinen wirklichen Austausch über Strategien, wie Amerika weiterkommen soll, über Fakten und so weiter. Es ging um Gerüchte, es ging um arge Anschuldigungen und es ging um viel Emotionales. Und wie gesagt, es gab Zeiten in der Geschichte, wo Emotionen die wichtige Rolle gespielt haben und Personen, dessen psychische Stabilität man bezweifelte, zur Macht kamen. Und hier haben wir große Gefahr.
    "Eine Person kann einen großen Einfluss auf die Vereinigten Staaten ausüben"
    Barenberg: Geben Sie uns noch ein Stück Hoffnung, wenn es möglich ist: Bei all der Machtfülle und dem, was Sie befürchten, wer wird die Kraft sein, dem etwas entgegenzusetzen in den kommenden Jahren? Können es die Demokraten sein, die offensichtlich jetzt gerade eine so bittere Niederlage einstecken?
    Snower: Die Demokraten haben nicht nur eine bittere Niederlage im Weißen Haus, sondern auch im Kongress haben sie eine große Niederlage. Man kann nur hoffen, dass der amerikanische Regierungsapparat genügend stark ist, um Schreckliches zu verhindern. Man weiß aber, als unter George Bush, dass eine Person einen großen Einfluss auf die Vereinigten Staaten ausüben kann. Und deshalb kann ich leider nicht sehr beruhigend wirken.
    Barenberg: Vielen Dank für diese Einschätzung, Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Vielen Dank für Ihre Zeit heute Morgen!
    Snower: Vielen Dank, Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.