Benedikt Schulz: Das Schlagwort "Open Access" geistert ja schon seit einigen Jahren durch die Wissenschafts-Community - freier Zugang zu wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, das soll für bessere und natürlich auch effektivere Forschung sorgen. Der Hintergrund ist dabei natürlich auch der: Wissenschaft wird ja in Deutschland trotz der stark gestiegenen Bedeutung von Drittmitteln immer noch zu einem enormen Anteil aus der öffentlichen Hand finanziert, also indirekt aus Steuermitteln.
Deshalb sollen Forschungsergebnisse öffentlich zur Verfügung stehen, und der freie Zugang zu Forschungsdaten wird auch von der EU-Kommission gefordert. Was aber natürlich nicht heißt, dass auch jeder Forscher oder jede Forscherin das auch bereitwillig tut. Die Zurückhaltung hat viele Gründe. Einen davon haben Forscher des Leibniz-Forschungsverbunds Science 2.0 nun etwas genauer in den Blick genommen, nämlich die individuelle Persönlichkeit des Wissenschaftlers oder der Wissenschaftlerin. An der Studie gearbeitet hat Stephanie Linek. Jetzt am Telefon ist Frau Linek, hallo!
Wichtig: Unterstützung durch den Arbeitgeber
Stephanie Linek: Hallo!
Schulz: Also welche Persönlichkeitsmerkmale führen denn dazu, dass Forscher ihre Forschungsdaten teilen oder eben nicht teilen?
Linek: Es gibt jetzt nicht den Persönlichkeitstyp, der besonders teilt, und es gibt auch nicht den totalen Verweigerer. Es ist einfach so, dass die Persönlichkeit natürlich beeinflusst, ob jemand mehr oder weniger bereit ist zu teilen, aber auch da finden wir einen eher geringen Einfluss. Also wir finden, dass Leute, die einen sehr hohen Grad an Offenheit haben, die zeigen auch eine höhere Bereitschaft, Daten zu teilen – das ist jetzt nicht weiter überraschend. Was allerdings überraschend ist: Das spiegelt sich nicht unbedingt in dem tatsächlichen Verhalten wider. Das heißt, sie haben zwar eine höhere Bereitschaft, aber sie teilen deswegen nicht mehr. Umgekehrt finden wir, dass Menschen, die eigentlich ein sehr hohes Maß an Kooperationsbereitschaft haben, das wirkt sich nicht unbedingt auf die Bereitschaft aus, Daten zu teilen, es wirkt sich aber erstaunlicherweise negativ auf das tatsächliche Verhalten aus, das heißt, Leute, die eigentlich sehr kooperativ sind, teilen weniger. Was wir zum Beispiel finden, ist, dass Menschen, die einen hohen Grad an Offenheit haben und die deswegen auch bereitwilliger wären theoretisch, ihre Daten zu teilen, für diese Menschen ist zum Beispiel Unterstützung durch den Arbeitgeber sehr wichtig. Das heißt, wenn diese Bedingungen nicht gegeben sind, dann erklärt es natürlich auch, warum sie trotz der Bereitschaft, Daten zu teilen, weniger Daten teilen oder nicht mehr Daten teilen.
"Wirklich auf die individuellen Bedürfnisse eingehen"
Schulz: Und wie kann man dieses psychologische Wissen nutzen, um spezifische Anreize zu setzen, damit die Bereitschaft zu teilen größer wird?
Linek: Ja, es ist so, es gibt ziemlich viele Untersuchungen und auch viele Debatten dazu, was für globale Maßnahmen man ergreifen muss, wie man das System verbessern muss, also dass man zum Beispiel das Datenteilen auch wirklich honorieren muss, dass es dem Einzelnen was nützt für die wissenschaftliche Karriere, oder dass die Sekundärdatennutzung transparenter sein muss. Das sind alles wichtige Maßnahmen, wenn man die aber ganz global quasi so nach dem Gießkannenprinzip über die Wissenschaftler ausschüttet, dann reicht es nicht aus. Man muss dann auch wirklich auf die individuellen Bedürfnisse eingehen. Das heißt, was wir zum Beispiel auch gefunden haben, ist, dass Leute, die sehr gesellig sind, dass für die zum Beispiel wichtig ist, dass sie sich auch mit den Sekundärdatennutzern austauschen können, was in diesen globalen Maßnahmen noch nicht wirklich berücksichtigt wird. Oder was wir auch gefunden haben, ist, dass es für Leute, die ein hohes Maß an emotionaler Labilität haben, die so ein bisschen ängstlich sind und auch Angst haben vor Datenverfälschung, dass es für die wichtig ist, dass sie ein Mitspracherecht haben, wer kann die Daten nutzen, und dass sie womöglich auch eine Vetooption haben.
Geschlechterunterschiede auch beim Teilen von Daten
Schulz: Ein, finde ich zumindest, überraschendes Ergebnis Ihrer Studie ist, dass Frauen offenbar weniger bereit sind, ihre Forschungsergebnisse zu teilen. Was glauben Sie, soweit Sie das sehen können, woran könnte das liegen?
Linek: Ja, sagen wir so, wenn man sich allein diese Geschlechtseffekte anschaut, dann liegt natürlich der Verdacht nahe, dass Frauen irgendwie ängstlicher sind oder dass sie einfach generell weniger bereit sind. Wenn man aber sich quasi dieses Gesamtmuster an Ergebnissen anschaut, dass sie zwar eine geringere Bereitschaft haben und auch weniger teilen, aber eben auch diese ganzen Anreize und Barrieren, die für das Datenteilen vorhanden sind, dass sie die auch als wichtiger beurteilen, dann kommen wir eher zu der Interpretation, dass es um diese Systembedingungen geht, dass die einfach für Frauen momentan noch anders sind als für Männer. Wir haben mal ganz konkret dann auch die Daten noch mal nachausgewertet, angeschaut, in welchen Domänen arbeiten denn die Frauen, wie sieht's aus in Domänen, die stark männliche Domänen sind und für die Verteilung von Wissenschaftlern eklatant unterschiedlich ist, dass es zum Beispiel nur sehr wenige Frauen gibt, wie sieht's in den Domänen aus, wo die Geschlechterverteilung ungefähr gleich ist. Und was wir da gefunden haben, ist, dass in den männlichen Domänen - also wo es nur sehr wenige Frauen gibt, wo es aber andererseits auch sehr viele Fördermaßnahmen für Frauen gibt - dass in diesen Domänen keine Unterschiede mehr da sind. Da teilen Frauen genauso bereitwillig wie Männer. Andererseits, in den Domänen, wo die Geschlechterverhältnisse ausgeglichen sind, wo andererseits dafür aber auch keine besonderen Fördermaßnahmen da sind, da finden wir dann auch diesen Unterschied, dass Frauen weniger bereitwillig teilen.
Schulz: Stephanie Linek hat untersucht, inwieweit die Persönlichkeit des Forschers oder der Forscherin Einfluss hat auf seine oder ihre Bereitschaft, die Daten zu teilen, und welche Folgerungen man daraus ziehen kann. Frau Linek, danke Ihnen!
Linek: Ich danke Ihnen auch!
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