Forum neuer Musik 2014
Das Programm vom 4. April

In zehn exklusiven Konzerten und Veranstaltungen thematisieren und befragen hauptsächlich junge Akteure Zusammenhänge von Krieg, Fortschritt und Kunst – damals und jetzt. Wie in den letzten Jahren, so versteht sich auch das Forum 2014 als Angebot zur Erweiterung von Denkhorizonten, in diesem Fall in Bezug auf Moderne und Krieg.

Interview mit Festivalleiter Frank Kämpfer zum Programm am Freitag |
    Deutschlandfunkredakteur und Leiter des Festivals Forum neue Musik Frank Kämpfer
    Deutschlandfunkredakteur und Leiter des Festivals Forum neue Musik Frank Kämpfer (Bild: Peter Christian Blum)
    1. Was erwartet die Besucher beim Forum neuer Musik 2014?
    Zuallererst sehr hochkarätige Konzerte. Das erste enthält nur Stücke, die im Jahre 1914 entstanden. In einem Klavierrezital zwei Tage später erklingt russische Maschinenmusik aus den 1920er Jahren, die gleichfalls ganz unbekannt ist. Dann gibt es Mauricio Kagels Kompositionen für Orgel. Die Highlights des Forum sind aber die multimedialen Projekte – in denen Video, Tanz, Instrumentalmusik und audiovisuelle Elemente zu etwas Ganzem, zum Teil Theatralen verschmelzen. Alle diese Veranstaltungen sind Beiträge zum Festivalthema "Die wilden Junge". Sehr allgemein gesagt, geht es darum, wie junge Künstler heute und vor 100 Jahren ihre Zeit reflektieren, und wie sie ihre Ortungen umschmelzen in klingende Kunst, die der Wirklichkeit nahe kommt.
    2. Wie sind die Beiträge des heutigen Festivaltages (Freitag, 4. April) kulturphilosophisch einzuordnen?
    Am Anfang steht heute "Krieg". So ist eine assoziative Blechbläsermusik betitelt, die eine sehr junge Komponistin aus Südkorea verfasst hat. Wir hören danach ein bedeutendes, der Neuen Sachlichkeit zuzuordnendes Streichquartett von Arnold Schönberg. Dem einstmals "wilden" Begründer der Zwölftontechnik ist ein heutiger, sehr provokanter junger japanischer Komponist entgegengesetzt. Das wirft Fragen auf nach der Bedeutung von Kulturtradition. Bietet sie noch Orientierung, zerbricht sie gerade, was kommt Neues danach? Im Konzert des belgischen Nadar Ensemble werden solche Fragen noch zugespitzter gestellt. Dieses Projekt führt auf sehr spannende Weise vor, wie sich Wirklichkeit und virtuelle Realität überlagern und mischen – wie im Zuge von Digitalisierung, Medialisierung, auch Globalisierung ganz neue Wirklichkeiten entstehen, mit neuen Spielregeln darin. Der ganze Abend ist "durchkomponier"" und läuft zielgerichtet auf das letzte Stück zu: "Generation Kill" von Stefan Prins. Darin vermischen sich Computerspiel und digital geführter Krieg.
    3. Wer sind die heute auftretenden Künstler und wofür stehen sie?
    Alle, die auftreten, sind jung. Unterschiedlich jung. Die Dame und die vier Herren des Ensemble Schwerpunkt sind gerade dabei, als Formation erste Schritte auf dem Veranstaltungsmarkt zu gehen – und sie haben dabei einiges vor. Das Asasello Quartett, vier Streicher, die gleichfalls aus verschiedenen Ländern kommen, sind da schon viel weiter. Sie arbeiten sehr konzeptionell, sind begeistert von unserer thematischen Arbeit beim Forum, und sie spielen in Kürze im Deutschlandfunk Kammermusiksaal sämtliche Streichquartette von Schönberg auf CD ein. Das gleichfalls noch junge Nadar Ensemble ist international schon eine Größe geworden, die Ensemblemitglieder verstehen sich als digital natives. In der Verquickung von technologischem Interesse, hoher Musikalität und politischem Scharfblick kommen sie mit ganz neuen Konzepten, und die Begegnung mit ihnen war für uns im DLF gewissermaßen 'Liebe auf den ersten Blick‘.
    4. Was erwartet die Zuschauer morgen, am Samstag 5. April?
    Ähnliches, das aber ganz anders ist! Wieder beginnt der Forums-Abend mit einem jungen Projekt: drei junge westdeutsche Performer und Komponisten entfalten ihren "Jahrhundertblick" an der vergessenen Ausdruckstänzerin Clotilde von Derp. Das wird ein wahrscheinlich recht trashiges Event, gespickt von Klamauk und Humor – und es wird in die unbequeme Erkenntnis münden, dass Individualität in der Welt der Moderne entweder ins Abseits oder in unbeabsichtigte Konformität führen wird. Das sind wir von der traditionellen Konzertform dann sehr weit entfernt und eigentlich mitten in einem multimedialen Theater, dem übrigens Gedankengut von Siegfried Kracauer zugrunde liegt. – Das Soloprogramm, das dann folgt, bietet ausschließlich Klaviermusik, aber was für welche! Die crème de la crème des Russischen Futurismus ist versammelt: Mossolow, Obuchow, Roslawetz, Lourié. Und deren Kompositionen erzählen sehr viel über die ungestüme Maschinisierung einer vom Fortschritt bis dahin noch wenig berührten Welt, in der es plötzlich auch ungeheure soziale Umbrüche gibt.
    Ausführliche Programminformationen finden Sie hier.
    Mit dem Forum neuer Musik verbindet sich am Samstag, 5. April 2014 im Foyer des Deutschlandfunks in Köln ein internationales Symposium. Diese politikwissenschaftliche Veranstaltung fragt nach der europäischen Kultur des Erinnerns, der Rolle der Intellektuellen und dem Wandel des Krieges bis heute.