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Fotografien von Sepp Werkmeister
Der Jazz darf nicht fehlen

Eigentlich wollte Sepp Werkmeister Jazzmusiker fotografieren, als er in den Sechzigerjahren nach New York ging. Dann war er fasziniert von den Menschen und ihrem Alltag in dieser Stadt. Im Münchner Stadtmuseum sind jetzt erstmals viele seiner damaligen Aufnahmen zu sehen.

Von Julian Ignatowitsch |
    Sepp Werkmeister
    Sepp Werkmeister (Kulturkontor / S. Werkmeister)
    Sepp Werkmeister steht im Stadtmuseum München vor drei seiner Fotografien und erinnert sich: an den New Yorker Alltag und seine Menschen - so ganz anders als in der Heimat: "Dann laufen da Menschen rum, die ganz anders ausschauen als die 1965 in München, da hat man damals noch Krawatte und Anzüge getragen. New York war Turnschuhe und schlampigere Leute und ganz Elegante - und das hat mich schon sehr gereizt, diese Mischung."
    Das New York der 60er-Jahre, für ihn eine fremde Welt, so viel war gleich vom ersten Augenblick an klar: "Am Flugplatz geht’s ja schon an, dass sie Dir die Koffer durchsuchen. Es waren unhöfliche Leute damals, sind es heute wahrscheinlich auch. Und damals gab es ja noch nicht diese Elektronik, damals hatte der ein dickes Buch und hat ganz hinten geblättert bei W, wie Werkmeister, hat geblättert und geblättert und geschaut, ob ich gesucht werde."
    … wurde er natürlich nicht. Er durfte einreisen, sonst gäbe es ja diese Ausstellung heute überhaupt nicht.
    Mit versteckter Kamera im Problemviertel
    Das fremde New York, es trieb Werkmeister, der eigentlich nur wegen der Größen des Jazz nach New York gekommen war, auf die Straße. Plötzlich fotografierte er dort die unterschiedlichsten Leute: Schwarz und Weiß, Arm und Reich, Alt und Jung. Hier der Obdachlose mit zerrissenem Hemd, dreckig, betrunken, dahin gestreckt, mitten auf der Straße neben einer Mülltonne; und dort zwei junge Frauen, im Designerkleid, mit Pumps und Handtasche vor einem Kaufhaus in der Fifth Avenue.
    Werkmeisters Bilder zeigen genau diese Extreme. Sie bewegen sich, so wie der Fotograf selbst zu dieser Zeit, zwischen Manhattan und Harlem, zwischen goldenen Schaufensterauslagen und heruntergekommenen Hinterhöfen.
    "Da muss man schon schauen, dass man die Kamera möglichst in eine Tüte tut. Du kriegst für alles eine 'brown bag'. Da hab ich meine Kamera auch reingetan, habe ein Loch gemacht, das auf oder zu gemacht. Die Leute haben gemeint, da hat er seinen Whiskey drin, aber da war meine Rolleiflex drin - und ich konnte damit Bilder machen."
    Hemmungslos, furchtlos schoss Werkmeister seine Motive ab, er ging in Problemviertel, manchmal mit versteckter Kamera, nur sich selbst verpflichtet. Eben ein echter Straßenfotograf, Kurator Ulrich Pohlmann: "Er reiht sich in eine ganze Gruppe von Street Photographers, wie Diane Arbus, Lisette Model, Lee Friedlander, Robert Frank ein, die in New York fotografiert haben - und das Geschehen mit größter Direktheit und authentisch abgelichtet haben."
    Zeuge des Alltags einer Stadt
    Werkmeister interessierten immer die Menschen - ihre Tiefen und Oberflächlichkeiten. Auf der Straße sieht man vor allem letztere. Man mag die Bilder plakativ finden, man kann sie aber auch schlicht realitätsgetreu nennen. Ja, einfache Wahrheiten werden hier illustriert - und gleichzeitig wird klar: es gibt solche einfachen Wahrheiten!
    Es wäre nun sicherlich zu viel den Münchner Werkmeister zu einem engagierten Chronisten von Diskriminierung, Elend und sozialem Gefälle in den USA erheben zu wollen, dazu bleiben seine Bilder auch zu beliebig. Sie sind mehr ein zufälliges Sammelsurium als ein bewusst arrangiertes Thesenwerk - so sind sie entstanden, so werden sie in der Schau präsentiert.
    In jedem Fall aber ist Werkmeister ein aufmerksamer Zeuge des Alltags einer Stadt, in der man auch heute noch stolz vom American Dream und demselbigen Way of Life spricht, der aber eben nicht für alle gleichermaßen wahr wird. Obdachlosigkeit und Armenviertel gibt es in New York natürlich nach wie vor, wenn auch nicht mehr so augenscheinlich.
    Die Bilder, noch nie öffentlich gezeigt, vielmehr private Aufnahmen des Fotografen Werkmeister, sind es also durchaus Wert, in einer eigenen Ausstellung gezeigt zu werden. Am Schluss darf dann der Jazz nicht fehlen, ihm hat Werkmeister seine Fotokarriere zu verdanken. Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Miles Davis - er hat sie alle gehabt, vor der Kamera. Sie haben ihm die Augen geöffnet, auch für andere Themen, wie die Straßen von New York.