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Fragen zur PISA-Studie
Viel Allgemeinbildung, wenig Unterrichtsbezug

Über eine halbe Million Schülerinnen und Schüler aus 72 Ländern wurden in diesem Jahr für die PISA-Studie getestet. Einige der Fragen waren schon im Voraus bekannt. Zehntklässler eines Gymnasiums in Kempen am Niederrhein haben sich die Aufgaben vorgeknöpft.

Von Stephanie Kowalewski |
    Siebtklässler strecken am 23.11.2016 während des Deutschunterrichts in einem Gymnasium in Friedrichshafen (Baden-Württemberg) ihre Hände nach oben.
    Es ist eine Armseligkeit unserer Gesellschaft, dass wir Menschen in dem Bildungssystem so stark auf ihre Herkunft reduzieren, dass sie keine Chance haben. (dpa/ picture alliance / Felix Kästle)
    Sebastian und Elisa sitzen im Biologieraum vor dem Schullaptop und suchen die Internetseite, auf der einige Fragen des jüngsten Pisatests zu finden sind.
    Beide sind 15 Jahre alt und besuchen die 10. Klasse des Gymnasiums Thomaeum in Kempen am Niederrhein. Damit entsprechen sie genau der Schülergruppe, deren Wissen in den MINT-Fächern im vergangenen Jahr international getestet wurde. In einer der Fragen geht es um Zugvögel.
    "Ok. Klicke eine Antwort an, um die Frage zu beantworten. Die meisten Zugvögel versammeln sich in einem Gebiet und ziehen nicht einzeln, sondern in großen Gruppen. Dieses Verhalten ist eine Folge der Evolution. Welche der folgenden Aussagen ist die beste naturwissenschaftliche Erklärung für die Evolution dieses Verhaltens bei den meisten Zugvögeln?"
    Leichte Aufgaben für viele Schüler
    Neben einem kurzen erklärenden Text samt Bild eines Zugvogels, sind vier mögliche Antworten vorgegeben, von denen eine richtig ist.
    "Also ich glaube, das dritte können wir ausschließen, weil die haben ja immer nur ihre eigene Gruppe. / Ja, das stimmt/ Ich würde das vierte auch ausschließen, weil in der großen Gruppe einen Nistplatz zu finden ist - ist schwierig – ja / Also erstes oder zweites/ Ja!."
    Ein paar Tische weiter wird gerade über den zweiten Teil der Aufgabe diskutiert. Hier sollen Faktoren genannt werden, die die Zählungen der Zugvögel durch Freiwillige ungenau machen können.
    "Die fliegen halt nicht in einer Ebene, so wie Zuggänse, sondern die können ja übereinander fliegen. Und wenn man dann ein Foto macht, dann sieht man ja nicht alle Vögel. / Du meinst, dass manche Vögel von anderen überdeckt werden? / Genau. Dass man halt auf einem Foto nicht alle sieht./ Es wäre wahrscheinlich einfacher, wenn man das nicht vom Boden aus macht, sondern mit einer Drohne oder so was."
    Hinter ihnen stecken Valentin, Tom und David die Köpfe zusammen:
    "Wir haben eine Aufgabe mit Meteoriten und Kratern. Und bis jetzt finden wir es eigentlich ganz leicht."
    Sie sollen beantworten, warum ein Meteoroid beschleunigt, wenn er sich der Erde nähert.
    "Hier gab es einmal: Der Meteoroid wird durch die Erdrotation eingezogen. Dann noch: Der Meteoroid wird vom Licht der Sonne vorangetrieben. Das fanden wir jetzt sehr unlogisch. Die dritte Antwort fanden wir am plausibelsten: Der Meteoroid wird von der Masse der Erde angezogen."
    Wenig Bezug zum Unterricht
    Das alles ist keine große Herausforderung für die Schüler des Kempener Thomaeums.
    "Einfach. Also vor allem die Aufgaben, wo man nur eine Antwortmöglichkeit hat. Kann man logisch überlegen und die Texte sind auch verständlich./ Also ich finde durch die Texte konnte man sich sehr viel erschließen und sehr viel rausfiltern. Die zweite Aufgabe war jetzt ein bisschen schwammig formuliert, aber an sich fand ich den Test sehr leicht./ Sehr einfach./ Ja, es war relativ einfach, aber es hat halt einfach nichts damit zu tun, was wir sonst im Unterricht machen."
    Denn eigentlich geht es im Biologieunterricht der Zehntklässler momentan um den Aufbau der Zelle, ihren Stoffwechsel und ihre Funktionen und nicht um Zugvögel, sagt auch Biologie- und Chemielehrerin Barbara Godizart.
    "Vogelzug ist auch ein Thema in Klasse 6. Das liegt natürlich jetzt schon ein bisschen länger zurück. Also diese Aufgaben, die ich jetzt hier gesehen habe, finde ich nicht so ganz passend, zum Bewerten dessen, was gerade im Unterricht läuft. Deswegen denke ich, ist es wirklich mehr Allgemeinbildung, die da abgefragt wird."
    Gewertet wird es aber als internationaler Schulleistungsvergleich in den MINT-Fächern. Fragwürdig, meint auch die 15-jährige Miriam:
    "Also ich weiß halt nicht, wie wir jetzt dadurch getestet werden, weil es halt einfach nur Allgemeinbildung ist, außerhalb des Unterrichts."
    Dabei könnten die Pisastudien-Designer wissen, was tatsächlich auf dem Lehrplan der 15-Jährigen steht, betont ihre Lehrerin.
    "Ja genau. Es gibt die Kernlehrpläne und nach denen wird ja unterrichtet an allen weiterführenden Schulen und das könnten die sich eigentlich anschauen."
    Barbara Godizart ist an ihrem Gymnasium auch für das Profil der MINT-Fächer verantwortlich. Sie betont, dass ihre Schule da schon ganz gut aufgestellt ist, es gibt naturwissenschaftliche Neigungskurse in den Klassen 5 und 6, ab Klasse 7 gibt es es gibt Science-Clubs und es gibt eigentlich in jedem MINT-Fach Leistungskurse. Viele Lehrer nutzen inzwischen auch ganz selbstverständlich digitale Medien und auch die Ausstattung der Räume sei schon ganz gut, aber besser geht immer, sagt sie.
    "Grundsätzlich brauchen wir mehr Geld, um nicht nur die experimentellen Voraussetzungen zu schaffen, sondern eben auch um Chemikalien und solche Sachen nachkaufen zu können. Wir haben jetzt die Bioräume mit Beamern ausgestattet und es fehlen eben teilweise noch diese digitalen Tafeln. Da sind wir immer dran und da könnten wir natürlich noch mehr brauchen."