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Freihandelsabkommen
"Stoppt das TTIP, stoppt das TTIP!"

Bis Ende 2015 wollen die EU und die USA ihre "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP) unter Dach und Fach haben. Doch der Protest von Globalisierungskritikern, Umwelt- und Verbraucherschützern reißt nicht ab. Sie befürchten Chlorhühnchen, Fracking und Investorenschutz.

Von Anke Petermann |
    Zwei Frauen protestieren am 06.05.2014 vor dem Brandenburger Tor in Berlin gegen das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA mit Transparenten.
    Bundesweit reißt der Protest gegen das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen EU und USA nicht ab. (dpa picture alliance / Kay Nietfeld)
    Bis Ende 2015 wollen die Europäische Union und die USA ihre "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft", kurz TTIP, unter Dach und Fach haben. Doch gegen das Freihandelsabkommen machen Globalisierungskritiker, Umwelt- und Verbraucherschützer seit Monaten mobil. Dass der US- und der EU-Chefhändler gestern in Berlin gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Gabriel, SPD, Arbeitsplätze und Chancen für alle Beteiligten versprachen, hält sie davon nicht ab. Auch heute wieder blasen diverse Gruppen zum TTIP-Protest: in Berlin illustriert das Bündnis „Unfairhandelbar" mit einem Riesenchlorhühnchen und einer Fracking-Spritze, welche umstrittenen Methoden der Lebensmittelproduktion und der Gasförderung in Europa möglich werden könnten. In Karlsruhe macht am Abend die Kultur-Tour der Globalisierungskritiker von attac Station. Bis zur Europawahl am 25. Mai ist sie in 14 Städten unterwegs, derzeit im Südwesten und im Rhein-Main-Gebiet – Anke Petermann berichtet.
    Ein Dutzend Aktivisten von attac Frankfurt mischt sich zwischen Zeil und Hauptwache unter die Passanten, drückt ihnen orangefarbene Postkarten mit einem wohl gerundeten Hinterteil in die Hand. Aufschrift: "Freihandelsabkommen TTIP: Die Arschkarte will ich nicht haben."
    "Eine Arschkarte, die hast du bekommen, weil das Freihandelsabkommen hierher kommt, die darfst du aber wieder zurückgeben. Und hier kannst du ankreuzen, warum du sie wieder zurückgeben möchtest und an einen der Spitzenkandidaten der wichtigsten Parteien schicken, ja."
    "Gerne - das werde ich mit Überzeugung tun!"
    "Brauchst du einen Kuli?"
    Demonstranten beklagen mangelnde Transparenz
    Selten fallen Überzeugungsgespräche so einfach aus. Die beiden kennen sich, und der Mann im Anorak ist ohnehin TTIP-Skeptiker - obwohl - so ganz durchblicke er das nicht. Kein Zufall, meint Dorothea Korn, die sich anschaut, was Frankfurter Künstler vorn auf die Lastwagen-Bühne bringen:
    "Keiner wird informiert, das ist das Schlimme daran. Die mangelnde Transparenz ist genau das, was am meisten verängstigt."
    "So'n Handelsabkommen, wo wir sozusagen als Land, als Kultur, als Menschen, verfrühstückt werden, und das am liebsten geheim – da muss man alles dafür tun, damit das publik gemacht wird",
    sagt die Frankfurter Schauspielerin Bettina Kaminski, bevor sie die Bühne besteigt. Mehr Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum, von dem auch die Kultur profitiert? Daran glaubt sie nicht. Eher fürchtet sie Kommerzkultur, die sich keiner mehr leisten kann. Der Bundeswirtschaftsminister von der SPD griff die Kritik an der mangelnden Information durch die Chefunterhändler von EU und USA gestern in Berlin auf. Sigmar Gabriel warnte sie davor, das Abkommen durch "Geheimniskrämerei" zu gefährden. Allerdings versicherte er gemeinsam mit den Unterhändlern, dass TTIP Umwelt- und Verbraucherschutzstandards nicht senken werde. Die Frankfurter Greenpeace-Frau Edeltraud Tobe bezweifelt das. Was die resolute grauhaarige Umweltschützerin vor allem aufbringt:
    "Ja, der Investorenschutz, dass also irgendwelche Schiedsrichter, die aus Rechtsanwälten bestehen, über deutschen Gerichten stehen - ja, ich mein, das heißt: im Endeffekt wird das so sein, dass die schon gar keine Gesetze mehr machen, weil die schon Angst haben, da klagt irgendeiner dagegen."
    "Am Ende fällt auch die Buchpreisbindung", weil sie US-Medienkonzerne benachteiligen könnte, argwöhnt Edeltraud Tobe.
    "Ich möchte kein Chlorhähnchen haben und keine anderen genmanipulierten Lebensmittel essen."
    Sozialdemokratische Basis skeptisch gegenüber Freihandelsabkommen
    Die Sozialdemokratin Gisela Weber wirft die orangefarbene A-Karte zuerst in die Papp-Wahlurne mit dem Konterfei von Martin Schulz. Der Spitzenkandidat ihrer Partei will Präsident der EU-Kommission werden. Die sozialdemokratische Basis steht TTIP skeptisch gegenüber, mag Vizekanzler Gabriel noch so sehr betonen, dass das Abkommen die Globalisierung in ein Regel-Korsett zwingt. Sollte sein Genosse Schulz den angestrebten Posten an der Spitze der Kommission ergattern, so will der die Verhandlungen zur Chefsache machen, Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucherschützer mit Hilfe eines Beirats beteiligen.
    "Gabriel, aber auch Martin Schulz als europäischer Spitzenkandidat stehen voll hinter diesem Abkommen, sie werden versuchen, das durchzuboxen. Dass man jetzt im Wahlkampf ein paar kritische Töne hört, das kann sein. Aber an der Substanz der Positionierung der Sozialdemokratie für dieses EU-USA-Wirtschaftsabkommen wird sich da erstmal nicht viel ändern",
    meint Alexis Passadakis von attac. Das Bündnis gegen das Abkommen will sich an den Verhandlungen gar nicht beteiligen lassen, denn seine Forderung heißt:
    "Stoppt das TTIP, stoppt das TTIP!"
    Die Demonstranten an der Hauptwache hüpfen dazu. Das ist erst die Aufwärmübung. „Die kommenden Monate sind entscheidend: Entweder nehmen die Verhandlungen dann Fahrt auf", sagt Passadakis, „oder wir schaffen es, sie zu blockieren."
    "Stoppt das TTIP, stoppt das TTIP!"