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Freihandelsabkommen und Kultur
"Der Gefahrennebel ist sehr, sehr dicht geworden"

Nach Ansicht von Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, könnten die Freihandelsabkommen CETA und TTIP zur Gefahr für die Vielfalt der Kultur werden. Denn Vielfalt sei ein Hemmnis für gute Geschäfte - und deswegen intendierten die Verträge den Abbau der Vielfalt, sagte Zimmermann im DLF.

Olaf Zimmermann im Gespräch mit Michael Köhler |
    Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des deutschen Kulturrats
    Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des deutschen Kulturrats: "Wir verhandeln über alles, außer es ist rechtssicher ausgenommen. Und das ist das Problem." (imago stock & people)
    Zimmermann räumte ein, dass er nur Gefahrenpotenziale hinsichtlich der Freihandelsabkommen beschreiben könnte. Der Deutsche Kulturrat sei nicht gegen einen Freihandelsvertrag mit Kanada oder den USA, aber sie dürften nicht der Kultur schaden, so Zimmermann.

    Michael Köhler: Für kommendes Wochenende, da rufen Gewerkschaften, Globalisierungsgegner, Wohlfahrts-, und Umweltverbände zu einer Großdemonstration gegen TTIP und CETA auf. In sieben großen deutschen Städten wird demonstriert. Mitveranstalter ist auch der Deutsche Kulturrat, und dessen Geschäftsführer Olaf Zimmermann ist. Und den habe ich natürlich gefragt: CETA, das beabsichtigte Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, wird gern schon mal kleiner Bruder von TTIP genannt. Wir wollen uns nicht über hormonbelastetes Rindfleisch oder genveränderten Mais unterhalten, oder mit fairem Welthandel befassen, sondern mal fragen: Warum ist CETA in den Augen des Kulturrates eigentlich kulturfeindlich, ja Sie sagen sogar kulturfeindlich?
    Olaf Zimmermann: Weil in CETA zwei unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden. Das heißt, die Kanadier haben vernünftigerweise ihre Kultur fast vollständig aus dem Abkommen herausgenommen, und die EU-Kommission quasi als Gegenpart, der für uns verhandelt, hat die Kulturwirtschaft nur zu einem ganz kleinen Teil aus dem Vertrag ausgenommen. Das ist einfach vollkommen unsinnig, mit zwei unterschiedlichen Standards im selben Vertrag zu arbeiten, und das schadet der Kultur, ganz unabhängig, dass CETA auch sonst viele Problembereiche hat. Aber dieser spezielle Bereich für den Kulturbereich ist einfach nicht nachzuvollziehen.
    "Nachher zählt nur das, was im Vertrag drinsteht"
    Köhler: Es heißt doch in der Präambel des Abkommens schon, es gibt berechtigte Gemeinwohlziele wie öffentliche Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz, öffentliche Sittlichkeit und Förderung und Schutz der kulturellen Vielfalt zu verfolgen. Steht in der Präambel!
    Zimmermann: Genau.
    Köhler: Wo ist das Problem?
    Zimmermann: Das ist das Problem, dass es in der Präambel steht und nicht im Vertragstext. Die Präambel ist der Vorspann zum Vertragstext. Das ist, wenn man so will, die Lyrik, die einen einführt in einen Vertrag. Aber der ist nicht rechtsverbindlich. Nachher zählt nur das, was im Vertrag drinsteht. Jetzt haben wir ja eine ganz andere Situation. Jetzt haben wir die Situation, bei CETA und auch bei TTIP, ein sogenanntes Negativlisten-Prinzip. Wir verhandeln über alles, außer es ist rechtssicher ausgenommen. Und das ist das Problem. Wissen Sie, Sie können solche allgemeinen Formulierungen in einem Vertrag gerne immer gebrauchen. Nachher muss es konkret werden. Das heißt, Sie müssen bei einem eventuellen Rechtsstreit ganz konkret definieren, was Sie damit gemeint haben. Und jetzt bei CETA und TTIP wird über alles verhandelt und jetzt müssen wir schauen: Sind die Bereiche, die wir geschützt haben wollen, sind rechtssicher ausgenommen. Und das ist unglaublich schwierig bei dem CETA-Vertrag. Der liegt uns ja vor. Der hat 2.200 Seiten.
    Köhler: Sie sagen, das Negativlisten-Prinzip mache eine Herausnahme der Kultur aus den Verträgen unmöglich. Sie sprechen auch wiederholt und häufig vom Sündenfall. Was verändert oder was verschlechtert sich denn konkret für Maler, Tänzer, Grafiker, Schauspieler und so weiter?
    Zimmermann: Erst mal ist das ganz schwer zu sagen. Das will ich Ihnen gleich sagen. Die Idee ist letztendlich, dass sogenannte Handelshemmnisse abgebaut werden, damit man mehr Handel letztendlich über die Grenzen hinaus hat. Dafür sollen letztendlich die Schutzmaßnahmen, die wir ja eingebaut haben, die sollen letztendlich abgebaut werden, und das wird zumindest bedeuten, dass die kulturelle Vielfalt, wie wir sie heute kennen, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, weil es ist die Idee, dass sie nicht aufrecht erhalten werden soll. Das ist letztendlich, wenn Sie so wollen, der Kern, weil Vielfalt ist ein Hemmnis für gute Geschäfte. Das widerspricht letztendlich unserer Grundpositionierung im Kulturbereich, dass wir eine Vielfalt von Angeboten haben wollen und nicht nur wenige.
    Köhler: Es handelt sich unter dem Strich um so etwas wie eine Kollision der Kultur-Kulturen?
    Zimmermann: Es handelt sich, wenn Sie so wollen, um eine Wertediskussion. Es handelt sich darum, was wollen wir eigentlich in der Zukunft für eine Kultur haben. Wollen wir unsere Vielfalt an Kultur abbilden? Wollen wir die unterschiedlichen Regionen auch kulturell sichtbar machen? Wollen wir die unterschiedlichen Nationen kulturell sichtbar machen? Oder reicht es uns, wenn wir Google, Apple und Amazon quasi als weltweiten Standard unserer Kultur haben.
    "Ich kann nur die Gefahrenpotenziale beschreiben"
    Köhler: Ob bei Liberalisierung und Deregulierung so viel über die Klinge springt, wie Sie gerade befürchten, muss sich aber erst noch zeigen. Das können Sie auch nicht sagen?
    Zimmermann: Das ist richtig, das kann ich nicht sagen. Ich kann nur die Gefahrenpotenziale beschreiben und die Gefahren bedeuten nicht, dass man sie für den einen oder anderen konkreten Fall schon festlegen kann, weil das geht nicht mit einem solchen Vertrag, sondern es ist, wenn Sie so wollen, ein Gefahrennebel, der dort entsteht, aber der ist sehr, sehr dicht geworden. Und wir sind die Letzten, die etwas gegen einen Freihandelsvertrag mit Kanada haben, auch nicht gegen einen Freihandelsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Er darf nur der Kultur nicht schaden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.