Stephan Detjen: Frau Springer, Axel Springer, Ihr Mann, ist am 22. September 1985 gestorben. Das ist jetzt 30 Jahre her. In welchen Momenten, in welchen Situationen Ihres Lebens heute ist er Ihnen noch mal ganz gegenwärtig?
Friede Springer: Immer wieder, immer öfter, ich träume sogar noch von ihm. Im Grunde lebe ich sein Leben nach wie vor.
Detjen: Auch ganz plastisch! Wenn man Sie besucht in Ihrem Büro in der 18. Etage des Springer-Hochhauses in Berlin, dann ist das das Büro, das Axel Springer für sich eingerichtet hat, holzgetäfelt, Holz aus den alten Räumen der "Times" in London.
Springer: Richtig.
Detjen: In dem Sie heute sitzen und arbeiten, seit 30 Jahren, schon länger, als Axel Springer selbst dort gesessen und gearbeitet hat.
Springer: Ja. Ich habe es alles so gelassen. Ich sage immer, ich bin Gast in seinem Büro. Ich habe alles so gelassen, wie er das eingerichtet hat, nur dass da jetzt auf dem Schreibtisch ein Computer steht, das gab es damals noch nicht.
Detjen: Aber die Rolle hat sich verändert, Sie sind kein Gast mehr, Sie sind Aufsichtsrat, Sie sind die Inhaberin dieses Hauses.
Springer: Ich bin da einfach reingewachsen. Ich habe einfach diese Challenge, diese Herausforderung angenommen. Ich musste alles mühsam lernen, aber ich fühlte mich irgendwie verpflichtet, diesen Verlag zu erhalten, weiterzuentwickeln, weiterzumachen. Und ich hänge am Haus, das ist mein Leben. Ich habe mein Leben total für den Verlag eigentlich gegeben. Nach dem Tod meines Mannes habe ich einfach nur versucht zu lernen, wie ist das Pressegeschäft in der heutigen Zeit. Das war mühsam, aber ich glaube, es hat sich gelohnt.
Eine wunderbare Erfolgs- und Aufstiegsgeschichte
Detjen: Ja, und das ist ja ein erstaunlicher Lebensweg, der Sie an diese Stelle, in diese Situation geführt hat, an die Spitze dieses Unternehmens. Ein Lebensweg, der – man kann das so sehen – etwas Märchenhaftes hat: Sie wurden geboren als Tochter eines Gärtnermeisters auf der schönen friesischen Insel Föhr, wir könnten dieses Gespräch jetzt wahrscheinlich auch auf Friesisch führen, oder? Ihre Mutter ...
Springer: Ja, ich spreche perfekt Friesisch! Ich habe erst Deutsch in der Schule gelernt!
Detjen: Wir bleiben beim Hochdeutsch, Frau Springer! Also, dort geboren in dieser, wenn man Bilder sieht, Idylle. Dann Kindermädchen im Hause Springer, seit 1978 Ehefrau, die fünfte Ehefrau Axel Springers. Man kann das als eine wundersame, wunderbare Erfolgs- und Aufstiegsgeschichte erzählen. Ist das auch Ihre Selbstwahrnehmung?
Springer: Ja, es ist wirklich ein kleines Wunder. Axel Springer hat mich gesehen, als ich mich im August 65 vorgestellt habe in Hamburg, in seinem Privathaus. Und er kam die Treppe runter, ich habe höflich guten Tag gesagt und er hat gesagt: Oh Gott! Nachher hat er mir das erzählt.
Detjen: Liebe auf den ersten Blick!
Springer: Ja, für ihn ja. Er hat sich auch sehr um mich bemüht. Und ich war natürlich das Kindermädchen für seinen jüngsten Sohn. Aber ich wusste nicht, dass die Ehe da schon brüchig war. Denn, ich glaube, ein Dreivierteljahr später hat er sich schon von seiner damaligen Frau getrennt. Ich bin dann erst mal ein bisschen weggegangen, ich bin nach England gegangen, aber Axel Springer hat immer Kontakt zu mir gehalten. Und das ist dann so ganz langsam gewachsen.
Detjen: Er hat um Sie geworben, Sie wurden ein Paar, haben dann 1978 geheiratet. Da muss es auf diesem Weg dahin viele Menschen gegeben haben, die gesagt haben: Wer fünfmal heiratet, tut es auch ein sechstes und ein siebtes Mal?
Springer: Nein, die Idee, glaube ich, kam ihm nie. Denn wir haben, glaube ich, elf Jahre zusammen gelebt, bevor wir geheiratet haben. Aber irgendwann sagte er dann sehr nett: Ich kann dieses Riewerts, Fräulein Riewerts nicht mehr hören – Friede, wir heiraten! Und dann haben wir das ganz schnell gemacht in Berlin. Und ein halbes Jahr später noch einmal kirchlich. Und es war und es wurde eine sehr, sehr glückliche Ehe. Wir waren nie getrennt, wir haben alles zusammen gemacht. Ich bin oft mit in den Verlag gefahren, habe nur zugehört, habe da gesessen. Dann so langsam bin ich in vielen Dingen reingewachsen. Er hat mich für Beratungsteams mitgenommen, ich musste auch Menschen, wenn ein neuer Angestellter sich bei uns vorstellte, haben wir dann nachher darüber geredet, und oft hat er gesagt: Deine Meinung ist mir wichtig. Also, so wurde ich ernst genommen mit der Zeit. Und das war, glaube ich, wichtig, dafür war das auch später nicht so ein Sprung ins kalte Wasser, sondern ich kannte die handelnden Personen, ich bin in die tägliche Arbeit so reingewachsen. Trotzdem war das für mich nachher furchtbar schwer.
Detjen: Und haben aber schon damals auch gerne Einfluss genommen, mit an der Leitung dieses Unternehmens teilgehabt, so wie Sie das jetzt schildern!
Springer: Ja, das kam daher, weil ich eben Axel Springer im Hintergrund hatte, weil er noch da war. Es wagte ja auch keiner, gegen mich zu sein in der Zeit, zuerst. Die haben mich dann zuerst wirklich mit eingebunden. Und das war mir wichtig, weil ich eben da plötzlich auch Selbstbewusstsein entwickelt habe mit der Zeit.
Detjen: Das dürfte dann viele überrascht haben später, dass diese junge Frau an der Seite Axel Springers dann diese selbstständige Rolle übernimmt. Aber lassen Sie uns noch mal über das gemeinsame Leben sprechen, das zunächst einmal ein Leben in einem auch märchenhaften Reichtum war! Luxus, ein Leben mit Privatjets, Häusern in Deutschland, einem schlossartigen Sitz in Schleswig-Holstein, ein Haus in Griechenland, eine Jacht, Privatflugzeuge, Hubschrauber ...
Springer: Ja, das war sehr schön, ich habe es genossen. Aber heutzutage brauche ich das alles nicht mehr. Ich weiß, wie schön es ist, aber ich brauche es nicht mehr. Ich lebe eher ein zurückhaltendes, bescheidenes Leben, das ist mir eher vertrauter. Und ich fühle mich auch so wohler. Ich brauche diesen Riesenapparat nicht.
Detjen: Und dieses Leben bedeutete aber auch für eine junge Frau an der Seite dieses mächtigen, reichen, selbstbewussten Mannes auch Verzicht. Verzicht nicht zuletzt auf eigene Kinder, auf eine eigene Karriere, vieles, was junge Frauen heute ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen und anstreben.
Springer: Da haben Sie Recht, das fiel mir auch zeitweise sehr schwer. Ich hätte gerne vier Söhne gehabt, das war immer mein Traum. Aber Axel Springer sagte dann auch, weißt du, dann musst du Herrn Meier, Herrn Müller oder Herrn Schmitt heiraten, dann kannst du auch Kinder haben. Das habe ich dann auch verstanden, ich habe das akzeptiert. Denn er war ... Er nannte mich dann nachher, als es ihm nicht mehr so gut ging, Oberschwester, du bist alles für mich, du bist meine Sekretärin, meine Mutter, meine Pflegerin, meine Freundin und meine Geliebte, und meine Frau! Ich hatte mehrere Aufgaben. Und so war ich einfach auch ausgefüllt.
"Wo man auch war oder fuhr, stand da: 'Enteignet Springer!'"
Detjen: Dieser Moment, als Sie sich begegnet sind, 1965 dann diese erste Begegnung, zwei Jahre später, glaube ich, dann wurden Sie ein Paar 1967, das war für Axel Springer zugleich eine Phase, die für ihn zu einer kritischen Lebensphase wurde. Er geriet öffentlich in der von beiden Seiten ja erbittert geführten Auseinandersetzung mit der Studentenbewegung in die Kritik, hat selber mit seinen Zeitungen hart ausgeteilt, wurde aber auch zu einer öffentlichen Hassfigur für viele Menschen. Wie haben Sie Axel Springer in dieser Zeit und in dieser Auseinandersetzung erlebt?
Springer: Ja, das ging einfach rasant, wie bekannt er plötzlich wurde. Also ich weiß, das erste Jahr, wir konnten überall spazieren gehen, kein Mensch hat uns erkannt, hat Axel Springer erkannt. Aber dann plötzlich auf jeder Brücke, auf jeder Scheune, wo man auch war oder fuhr, stand da: "Enteignet Springer!" Und ich weiß, einmal flohen wir für ein Wochenende nach Norwegen, nach Bergen, und gingen abends, bevor wir ins Hotel gingen, noch einmal durch die Stadt. Und da war so eine Demonstration und die gaben uns so Zettel in die Hand. Und ich habe das dann im Hotel angeguckt, da stand: "Blad kongen Axel Springer met ut!" – "Schmeißt den Zeitungskönig Axel Springer raus!" Also, sogar in Norwegen war irgendwie bekannt, dass wir da ein Wochenende waren, und war eine Demo gegen uns. Aber die sind an uns vorbeigelaufen, die haben uns gar nicht erkannt. Aber das fing dann an. Wir mussten mit Sicherheitsbeamten reisen, mit gesicherten Autos fahren und das war eine furchtbare Zeit. Wir mussten eigentlich immer irgendwo immer Bescheid sagen, wenn wir irgendwo hingehen, und ich wurde auch begleitet von einem Beamten, das war eine furchtbare Zeit.
Detjen: Diese Studenten der Studentenbewegung, die Ihren Mann da so angegriffen haben, aber eben auch von den Zeitungen des Verlages heftig angegriffen wurden, das waren ja Ihre Altersgenossen, das war Ihre Generation! Wie war das für Sie?
Springer: Ganz genau meine Generation. Ja, schwer. Ich hatte einen anderen Lebensweg, ich bin anders aufgewachsen. Aber das war, tja, genau meine Generation, Sie haben recht.
Detjen: Einer dieser Generation, einer der Akteure der damaligen Zeit, der damaligen Studentenbewegung, Thomas Schmid, wurde später dann im Springer-Verlag eine leitende Figur, Chefredakteur der "Welt", Herausgeber der "Welt". Und er schreibt in einer Gedenkschrift für Axel Springer, die in diesen Tagen in Ihrem Verlag erschienen ist, dass Springer und die revoltierenden Studenten viel mehr gemeinsam hatten, als man das damals habe wahrnehmen können. Thomas Schmid sagt, das sei ...
Springer: Ich freue mich, dass er es so sieht jetzt! Ich bin mit Thomas Schmid inzwischen eng befreundet. Wir verstehen uns so gut, ich habe ihn gerade vorgestern angerufen. Weil er so einen tollen Artikel geschrieben hatte. Er macht jetzt so einen Blog ...
Detjen: Ja, der Artikel ist interessant, der Artikel über Springer und die Studentenbewegung ist interessant, weil er sagt, da sei so viel Gemeinsamkeit gewesen, dieser kämpferische, bis ins Unvernünftige reichende Idealismus habe beide Seiten geprägt, aber auch – das benennt er sehr deutlich – die Ignoranz auf beiden Seiten. Auf der Seite, zu der er damals gehörte, aber er bezieht das auch auf Axel Springer und seinen Verlag und sagt, da sei auch Ignoranz gegenüber den Motiven, den Biografien der damaligen Studentenbewegung gewesen.
Springer: Das ist bestimmt so, ja.
Detjen: Die Zeit, in der sich Ihre Biografien treffen – 1965/67 –, ist auch die Zeit, wo sich Axel Springer Berlin zuwendet, 1966, und das Springer-Hochhaus hier in Berlin ...
Springer: Am 10. Oktober 66 wurde es eingeweiht.
Detjen: Das Gebäude an der Kochstraße damals.
Springer: Das Gebäude an der Kochstraße, und schon 58 gegen das Chruschtschow-Ultimatum war die Grundsteinlegung. Und dann, als die Mauer gebaut wurde 61, kam dieses Gebäude so gerade aus der Erde raus. Also, die Keller, alles war fertig. Und 14 Tage stand der Bau still und alle in Hamburg dachten, die sowieso gegen das Berlin-Engagement waren von Axel Springer, sagten, ha, wir haben gewonnen, er kommt wieder zurück nach Hamburg! Aber nein, Axel Springer hat nach 14 Tagen auf den Tisch geschlagen und hat gesagt, wir bauen weiter. Die ganzen Bauarbeiter, die in Ostberlin lebten, die waren natürlich nicht mehr da, es musste alles neu aufgebaut werden. Aber der Bau ging weiter und wurde am 10. Oktober eingeweiht, 66.
Detjen: Und dieses Haus unmittelbar an der Mauer dann war ein ...
Springer: Ein Symbol.
Detjen: Ein architektonisches Fanal, kann man fast sagen, ein Bekenntnis zu Berlin, zur Zukunft der Stadt, zur Freiheit und Demokratie. Wie haben Sie dieses Verhältnis von Axel Springer zu Berlin erlebt und wie hat es Sie selber geprägt? Er hat Ihnen ja auch Berlin erschlossen dann!
Springer: Ja. Also, Berlin war für ihn immer der Traum. Schon als junger Mann ist er oft nach Berlin gefahren, damals mit dem schnellen Zug von Hamburg dahin, und hat da das Nachtleben mitgemacht und war immer ein, ein Überzeugter: Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands, ich kenne nichts anderes, sagte er schon früher. Und sein Traum war sowieso, nach und nach den ganzen Verlag von Hamburg nach Berlin zu verlegen. Das hat Mathias Döpfner dann auch verwirklicht. Viel später, aber nach und nach, Vorstand, Aufsichtsrat kam dann, Aufsichtsrat vorher schon nach Berlin verlegt, aber das war immer sein Ziel. Und ich freue mich, dass wir diesen Wunsch auch erfüllt haben letzten Endes.
Detjen: Wir haben jetzt im Grunde über die beiden Pole der Wahrnehmung von Axel Springer in seiner Zeit gesprochen, für die einen die Hassfigur, der Gegner in einer heftigen Auseinandersetzung, für die anderen ein Visionär, ein Vorkämpfer für Demokratie und Freiheit, für diese Stadt, also ein sehr polarisiertes Bild. Wie verändert sich dieses Bild für Sie eigentlich jetzt mit der zeitlichen Distanz, die man gewonnen hat? Erlaubt die mehr Differenzierung, erkennen Sie Seiten an Axel Springer, die Sie damals vielleicht noch nicht so gesehen haben?
Springer: Eigentlich hatte er immer Recht. Er hat für dieses vereinigte Deutschland gekämpft und alle sagten immer, ach, Axel, du bist ein Träumer, das wird noch 100 Jahre oder noch viel länger dauern, dass wir das vereinte Deutschland wieder haben! Sagt er: Nein, viel eher! Da hat er Recht behalten, vier Jahre nach seinem Tod kam der Fall der Mauer! Wie gerne hätte ich ihm das noch zugeflüstert! Und der Einzige, der früher ihn so abgelehnt hat, Peter Glotz, SPD-Politiker, der ist im Bundestag aufgestanden und hat gesagt: Einem Menschen muss ich Abbitte tun, Axel Springer hat Recht behalten! Das fand ich echt schön! Ich bin dann zu Peter Glotz gegangen, habe ihm warm die Hand geschüttelt, ich sage: Wunderbar, danke, dass Sie das gesagt haben, öffentlich! Das war schon eine sehr schöne Sache. Letzten Endes hat Axel Springer mit all den Weissagungen, will ich mal so sagen, Recht behalten.
Detjen: Was waren für Sie im Rückblick die glücklichsten Zeiten an der Seite Axel Springers?
Springer: Das klingt vielleicht sehr komisch, aber es waren eigentlich die beiden letzten Jahre. Da ging es ihm nicht sehr gut. Das fand ich traurig. Aber wir hatten so viel Zeit füreinander. Wir haben manchmal nächtelang zusammen gesprochen, er hat mir sein Leben erzählt und alles, was er auch vielleicht falsch gemacht hatte. Da hat er mir den Auftrag gegeben, manches gutzumachen, manches wieder auszugleichen. Ich habe Menschen besucht, denen er vielleicht etwas angetan hatte. Die hatten das längst vergessen, aber ihm, ihm war das noch ... Bei ihm war das noch drin im Kopf und das belastete ihn. Also, er ist so - wie soll ich das sagen - so ruhig gestorben, so mit sich und der Welt im Einen, das ist unglaublich. Hat sich sehr mit dem Tod beschäftigt, hat viel darüber gelesen, hat mit vielen Pastoren und Psychiatern, allen möglichen Leuten gesprochen, so privat. Er wollte immer mehr wissen, was kommt dann, was passiert dann. Er wurde ja sehr gläubig in den letzten Jahren, hat viele religiöse Bücher gelesen und hat sich mit allem sehr auseinandergesetzt. Das habe ich sehr bewundert. Und es war für mich eine glückliche Zeit, weil wir so nah waren. Und das ist schon ungewöhnlich. Das kann man nie wiederholen. Das ist so in mir drin, davon profitiere ich eigentlich immer noch, von diesen Gesprächen, die wir die ganzen Nächte zwei, drei Jahre geführt haben. Das war herrlich.
Tod und Vermächtnis – Axel Springer und sein schwieriges Erbe
Detjen: Dann kommt der Tod, am 22. September 1985. Wir haben schon vorhin gesprochen und Sie haben das angedeutet: Er hinterlässt Ihnen ein Unternehmen in einem schwierigen Zustand. Er hat in den letzten Jahren die Mehrheit am Unternehmen abgegeben, ein immer noch riesiges, bedeutsames Unternehmen, Sie erben zugleich ein riesiges Vermögen, aber eben auch eine schwierige, möglicherweise fast erdrückende Aufgabe!
Springer: Also, das Problem war, dass er nicht so richtig wusste, wie er den Verlag erhalten muss nach seinem Tod, wie das geht. Und sein Sohn, er hat zwei Söhne gehabt, der eine Sohn hat sich selbst erschossen. Das war für ihn ganz furchtbar, ist er nie drüber hinweggekommen, dass sein Axel sich das Leben genommen hatte. Er fand das auch furchtbar, man soll sich nicht umbringen, das war für ihn, damit kam er nicht klar mit seinem Glauben, das konnte er eigentlich nicht verarbeiten, er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Und sein jüngerer Sohn kriegte mit 23 Jahren Hodenkrebs und war sehr, sehr krank und hat das überlebt, aber er war nicht in dem Sinne ein Verleger, er wollte nicht mit dem Verlag eigentlich so weiter, das war ihm alles zu viel, zu anstrengend. Und so wusste er nicht so richtig, wie kann ich mein Werk erhalten. Und hat dafür dann 50 Prozent an die Börse gegeben, 25 Prozent an den Sohn von Burda, drei Söhne waren es, an die drei Söhne gegeben, und 25 Prozent haben wir fünf Erben dann übernommen. Aber das war keine gute Lösung, was sich dann danach herausstellte.
Detjen: Sie haben ja eben schon erzählt, dass Sie zunächst einmal sich von vielem getrennt haben, von Besitztümern, von diesem wunderbaren, schönen Herrensitz in Schleswig-Holstein, Schierensee, das Haus, an dem Sie sicherlich auch sehr hingen, auf der griechischen Insel Patnos ... All das haben Sie verkauft. Das nennt man heute Downsizing, eine Veränderung des Lebensstils. Sie hätten ja auch die 25 Prozent verkaufen können mit der Familie und sich ein schönes ...
Springer: Daran habe ich keine Sekunde gedacht. Nein, das stand überhaupt keine Sekunde zur Debatte! Ich wollte das Haus erhalten!
Detjen: War das ein Auftrag von Axel Springer, der Ihnen am Ende des Lebens gesagt hat – so ist es überliefert –, Friede, du schaffst das schon, du kannst das? Oder war das ein Versprechen, das Sie ihm gegeben haben?
Springer: Ja, ich habe ihm das Versprechen gegeben. Und das war mir doch wichtig, das zu erfüllen. Und das waren ja Kämpfe. Es waren Kämpfe um die ... 10 Prozent hat die Kirch-Gruppe gekriegt, das war der Deutschen Bank wichtig, weil sie Angst hatten, einen Verlag an die Börse zu geben. Dass das funktioniert, das war ja was Neues, auch für die Deutsche Bank. Und darum hat Kirch schon vorher zehn Prozent gekriegt, Leo Kirch.
Detjen: Und hat hartnäckig versucht, die Mehrheit am Unternehmen zu kriegen, wurde dann eben später im Verlauf zu dem sozusagen Anti...
Springer: Das war später! Der hat, das war ja ... Das waren ja vinkulierte Namensaktien. Das heißt, wenn man sie kauft beim Axel-Springer-Verlag wird das eingetragen ins Aktienbuch, damit man auch mitstimmen kann. Wenn man das heimlich und über Treuhänder kauft, merkt man das nicht. Man weiß, es ist irgendwo, man weiß nicht, wer dahintersteht. Und so hat Kirch dann heimlich an die 40 Prozent aufgekauft vom Verlag. Und das war natürlich eine böse Sache.
Detjen: Er war Ihr großer Widersacher.
Springer: Er war mein Widersacher für viele, viele Jahre. Aber irgendwie ist das dann doch gut ausgegangen ganz zum Schluss.
Detjen: Ein anderer großer Mächtiger der deutschen Medienlandschaft, dessen Unternehmen dann tragisch zerbrochen ist. Wie haben Sie ihn selber erlebt? Sie haben ihn ja dann auch kennengelernt.
Springer: Er war fast blind, hatte schwere Diabetes und war aber ein ungewöhnlicher, auch teilweise charmanter Mann. Und war lange im Aufsichtsrat mit uns. Und das waren teilweise schwere Zeiten, aber er sagte oft, auch im Aufsichtsrat, wenn wir etwas beschließen mussten: Frau Springer, Sie haben die Mehrheit, ich stimme dann doch mit Ihnen, auch wenn ich nicht einer Meinung bin mit Ihnen! Also, letzten Endes bin ich irgendwie mit ihm klargekommen, weil er dann auch nicht gegen mich sein wollte. Er hat natürlich auch mir oft Milliarden angeboten, um ein paar Anteile von mir zu kaufen. Ich sage, Herr Kirch, was soll ich mit den ganzen Milliarden? Ich hänge hier am Haus, das ist mir wichtig, ich brauche das Geld nicht! – Ja, Sie sind aber hartnäckig, sagt er dann immer. Aber letzten Endes ist alles gut ausgegangen, ich habe jetzt die Mehrheit schon seit vielen Jahren am Verlag, nicht.
Detjen: Woher kommt diese Hartnäckigkeit, Frau Springer, die ja viele überrascht hat? Sie stehen da auf einmal, die junge Witwe, an der Spitze dieses Unternehmens, umgeben von lauter Rechtsanwälten, Medienmanagern, selbstbewussten Männern, die Ihnen das eigentlich gar nicht zutrauen!
Springer: Das stimmt, viele haben es mir nicht zugetraut. Der eine zog mich in eine Richtung, der andere in die andere Richtung, die ersten Jahre war ich ja nur damit beschäftigt, mich loszureißen von allen Seiten. Und ich habe einfach ... Ich weiß es gar nicht, woher ich die Kraft genommen habe! Aber den Willen gehabt, es zu schaffen. Und das ... Auch wenn man mal die Nächte durchgeweint hat, am nächsten Morgen hat man weitergemacht. Das ist einfach so, ich fühlte mich von Axel Springer beauftragt, das zu halten. Und das hat mir irgendwie dann immer wieder die Kraft gegeben.
Detjen: Ist das eine Kraft, die Axel Springer Ihnen gegeben hat, so wie Sie das schildern, oder ist das eine Kraft, die man auch in einer Heimat wie der Ihren, auf einer solchen Insel wie Föhr in einem Elternhaus mitbekommt?
Springer: Wer weiß es schon, kann sein! Irgendwie habe ich mich nicht unterkriegen lassen letzten Endes, nein.
Detjen: Sie haben schon gesagt, wie schwierig das war, was das für Kämpfe waren auch mit der eigenen Familie, ein heftiges Ringen um die Zukunft des Unternehmens, um die Rollen als Erben. Was waren da für Sie die schwierigsten Momente?
Springer: Ach, irgendwie habe ich dann immer gesagt, das ist Familie Springer, das wird schon irgendwie gutgehen. Mit seiner ältesten Tochter bin ich eng befreundet, mit seinem Sohn bin ich eng befreundet, der in Amerika lebt im Moment. Und mit seinen Enkeln komme ich jetzt auch klar. Alles ist gut geworden.
Detjen: Das ist die Familie, aber es muss, kann auch nicht leicht für Sie gewesen sein, diesen vielen Männern gegenüberzutreten - teilweise dann, face to face, unter vier Augen!
Springer: Ja, das fiel mir schon schwer oft.
Detjen: Als Eigentümerin Nachrichten zu überbringen, die die nicht gerne hören!
Springer: Nein, das fiel mir besonders schwer. So einem gestandenen Manager zu sagen, also, du wirst es nicht. Oder irgend so mich da durchzusetzen, das war schon hart. Das fällt mir immer noch schwer. Auch Reden zu halten und so etwas, so in der Öffentlichkeit stehen. Ich halte mich sehr zurück. Das ist mir immer gut bekommen, mich nicht selber zu präsentieren. Das passt nicht zu mir. Das bin ich nicht.
Detjen: All das auch in einer Männerwelt! Was bedeutet das für Sie und was hat das für Sie bedeutet, als Frau in dieser Männerwelt zu stehen?
Springer: Das habe ich nie gemerkt. Ich komme immer mit Männern besser aus als mit Frauen. Ich finde klasse, es gibt so viele, gute, schöne, klasse, zuverlässige Männer, also, da fühle ich mich immer wohl unter Männern!
Detjen: Frau Springer, das ist eine ganz unzeitgemäße Betrachtung!
Springer: Ich weiß!
Detjen: Wir sprechen zurzeit über Frauenquoten in Unternehmen, in Aufsichtsräten, in Führungsgremien von Unternehmen. Im Axel-Springer-Verlag gibt es neben Ihnen eine weitere Frau im Aufsichtsrat, im Vorstand hat es, glaube ich, nie eine Frau gegeben.
Springer: Nein, stimmt. Es gibt genauso viele gute, tolle Frauen. Aber ich bin irgendwie immer mit Brüdern, mit Männern aufgewachsen und bin immer gut gefahren damit. Ich merke das gar nicht mehr, wenn ich in einer Männerrunde bin, dass ich die einzige Frau bin. Sicher war ich auch in so Freundeskreisen oder Beratungskreisen eine Quotenfrau. Aber das habe ich, ist mir nie sozusagen aufgefallen. Aber das war ich sicher ein paarmal die ersten Jahre.
Detjen: Wie nehmen Sie die jüngeren Frauen war, die jüngeren Generationen von Frauen, die ihre Rolle, ihr Bild als Frau ganz anders definieren, auch andere Erwartungen möglicherweise an Frauen als Vorbilder stellen?
Springer: Alle Achtung! Ich bewundere die. Die werden so taff und so toll, mit guter Ausbildung. Wir haben im Verlag in der zweiten Reihe super Frauen, ganz toll, da bin ich immer total begeistert. Also, ich freue mich, dass es so diese neue Entwicklung ist. Aber ich bin schon anders aufgewachsen, ich habe das nicht so richtig selber machen müssen, ich war nie so ... Für Frauen habe ich mich nie so einsetzen müssen. Und jetzt ist das schon anders, es ist eine andere Zeit.
Medienmacht im Wandel der Zeit – Die Grundsätze des Springer Konzerns und die Führungsrolle von Matthias Döpfner
Detjen: Sie sind mit Angela Merkel befreundet.
Springer: Ja, wenn ich das so sagen darf, ja.
Detjen: Persönlich, da wird manchmal auch gesagt, das ist ein Netzwerk von Frauen, dann wird dann gerne noch Liz Mohn dazugerechnet, die Eigentümerin des Bertelsmann Verlags, Angela Merkel ... Ist das so, dass da ein solches Netzwerk besteht?
Springer: Kann sein, ja, kann sein. Darüber möchte ich gar nicht so öffentlich sprechen, nein.
Detjen: Aber die Freundschaft zwischen der Eigentümerin eines der größten Presseunternehmens und der Bundeskanzlerin ist keine reine Privatsache! Zumindest ist es legitim, die Frage aufzuwerfen! Was ist das, kann man das als eine rein persönliche Verbindung definieren? Die Frage, die natürlich gestellt wird: Nutzt Angela Merkel die Medienmacht, die ihre Freundin Friede Springer hat?
Springer: Nein. Ich habe die Bundeskanzlerin kennengelernt, da war sie noch gar keine Bundeskanzlerin, das war lange vorher, wenige Jahre nach der Wende, also viel, viel früher. Und daher stammt die Freundschaft, das Vertrauen zueinander. Aber, dass sie sich irgendwo einmischen würde, nie und nimmer, das ist nicht ihre Art, gar nicht. Das ist auf einer anderen Basis, unsere Freundschaft.
Detjen: Lassen Sie uns über Publizistik sprechen, über das Verlegen von Zeitungen, über Medien! Wie gehen Sie mit der Medienmacht um, die Sie haben, die Ihnen zugeschrieben wird?
Springer: Ich weiß gar nicht, ob das wirklich eine Medienmacht ist, ob das so ist. Ich bin ja nicht im operativen Geschäft. Ich bin ja im Aufsichtsrat. Ich würde nie einen Artikel in unseren Zeitungen irgendwie kritisieren. Also im Nachhinein vielleicht, man kann mal darüber sprechen. Aber ich ...
Detjen: Tun Sie nicht, wenn Ihnen etwas nicht gefällt? Das kann Sie ja nicht kaltlassen, wenn in Ihren Zeitungen was steht, was Ihnen nicht gefällt!
Springer: Nein, nein, darüber rede ich schon mit dem Chefredakteur, aber dann ist es passiert. Ich würde das nicht beeinflussen wollen. Das tu ich nicht. Dann spricht man drüber! Der Aufsichtsrat hat ja die Aufgabe, den Chefredakteur zu wählen, auszusuchen nach dem Vorschlag des Vorstands. Und er stellt sein Team dann zusammen. Da würde ich nicht sagen, also diesen Auslandskorrespondenten, den würde ich nicht nehmen, den mag ich nicht, so was gibt es nicht bei uns!
Detjen: Aber wie muss man sich das praktisch vorstellen? Friede Springer liest morgens die Zeitungen, die in ihrem Haus entstehen, ...
Springer: Ja, sehr gründlich, ja!
Detjen: ... guckt ins Internet, was machen die da, und dann fällt Ihnen etwas auf, dann greifen Sie mal zum Telefonhörer und rufen den Chefredakteur an. Oder ruft man dann den Vorstandsvorsitzenden an?
Springer: Das kommt schon mal vor, das kommt schon mal vor, ja.
Detjen: Der Verlag Axel Springer zeichnet sich ja durch eine Besonderheit aus, die einmalig in der deutschen Presselandschaft ist: Er hat eine publizistische Unternehmensverfassung mit fünf Grundsätzen, die für die Medien dieses Hauses, für alle Journalisten verbindlich sind. Von dem Eintreten für Rechtsstaat und Demokratie bis hin zur, wie es heißt, Förderung der Einigungsbemühung der Völker Europas. In welchen Situationen fühlen Sie sich als Eigentümerin dieses Verlags gefordert, veranlasst, ganz unmittelbar und praktisch für diese Grundsätze einzutreten?
Springer: Also, jeder Redakteur muss bei uns diese Grundsätze unterschreiben. Und wir haben noch nie irgendwelchen Ärger gehabt oder dass jemand sagt, das unterschreibe ich nicht. Das gehört einfach mit ... Ich glaube, wir sind der einzige Verlag, der solche Grundsätze hat. Axel Springer hat diese vier Grundsätze, ich glaube, 68 aufgestellt, dann nach dem großen Terroranschlag in New York 2001, da ist dann einer dazugekommen, die freiheitlichen Grundrechte, Atlantisches Bündnis und so weiter dazugekommen.
Detjen: Das Eintreten für die westliche Staatengemeinschaft, ja.
Springer: Ist dazugekommen, ja. Aber damals meinte man wirklich, das sind doch Selbstverständlichkeiten! Mit sozialer Marktwirtschaft und so weiter. Aber nein, es ist schon wichtig, dass wir dies machen, finde ich. Und es ...
Detjen: Und gerät ja auch öffentlich in die Diskussion. Ich habe eben zitiert, einer der Grundsätze ist das Eintreten für die Einigung der Völker Europas, und dann gerät Ihre Zeitung, die "Bild"-Zeitung heftig, und zwar europaweit, in die Kritik, weil sie wiederholt von den Pleite-Griechen schreibt und ihr vorgeworfen wird, die Völker Europas auseinanderzutreiben.
Springer: Ja, aber ist das wirklich so? Ich weiß es nicht. Unsere Zeitungen sind ja nicht alle gleichgeschaltet. Jeder hat ja seine eigene Meinung in den Zeitungen, da lassen wir eine große Freiheit dem Chefredakteur gegenüber. Das glaube ich nicht, dass das ein Widerspruch ist.
Detjen: Also, das ist keine Situation, wo Sie eingreifen und sagen, Leute, der Kurs gefällt mir nicht?
Springer: Nein, überhaupt nicht, nein, nein.
Detjen: Das sind Grundsätze, über die wir jetzt gesprochen haben, die – und Sie haben das ja auch gerade geschildert – ganz persönlich geprägt sind von Ihrem Mann, von Axel Springer.
Springer: Stimmt.
Detjen: Es gehörte ja am Anfang auch dazu das Eintreten für die Einigung Deutschlands. Er war ein Verleger in dem Sinne, dass er ein Unternehmer war, um publizieren zu können, um für diese Grundsätze zu kämpfen, seine Überzeugungen zum Ausdruck zu bringen. Das ist eigentlich ein Leitbild, ein Idealbild des Verlegers, das man heute als ein schon fast überkommenes Bild dem 20. Jahrhundert zurechnen muss, heute geht es um Medienmanagement.
Springer: Das gibt es nicht mehr, ja, genau. Das sind ganz andere Voraussetzungen. Es geht alles viel schneller, man muss dranbleiben, durch diese neuen digitalen Zeiten ist das eine andere Welt jetzt. Ich weiß nicht, ob Axel Springer sich in dieser Welt wohlgefühlt hätte.
Detjen: Der Wandel Ihres Hauses in die digitale Medienwelt wird vorangetrieben, maßgeblich gestaltet von Ihrem Vorstandsvorsitzenden, von Mathias Döpfner, der jetzt auch inzwischen schon 13 Jahre – das ist eine lange Kontinuität in dieser Branche – an der Spitze des Axel-Springer-Verlags als Vorstandsvorsitzender steht. Er ist ein intellektueller Kopf, ursprünglich selbst Journalist, promovierter Musikwissenschaftler, mit dem auch Sie persönlich ja nicht nur das Geschäftliche verbindet, sondern eine enge, bis ins familiäre gehende Beziehung. Sie sind Patin seines zweiten Sohnes, haben Döpfner zwei Prozent aus Ihren Unternehmensanteilen am Axel-Springer-Verlag geschenkt. Das ist auch eine in der Unternehmenswelt ganz ungewöhnliche Konstellation.
Springer: Ich bin so froh, dass wir Mathias Döpfner an der Spitze haben, dass er CEO ist. Seitdem er da ist, ist Ruhe im Verlag, das Haus wächst, Mathias Döpfner ist wirklich ein Könner, auch in dieser neuen Medienwelt wird er anerkannt - in aller Welt. Und man sieht den Erfolg. Und das möchte ich, dass es so bleibt. Darum habe ich ihm ein paar Prozent geschenkt. Ich finde, es ist richtig, ich kriegte viel Zuspruch von anderen Leuten dafür, dass ich dieses gemacht habe. Das ist neu, aber ich glaube, es war richtig. Ich möchte, dass er es weiterführt, so erfolgreich wie heute. Besser geht es nicht!
Detjen: Dazu gehören dann auch schwierige Entscheidungen. 40 Prozent des Gewinns kamen zuletzt aus den digitalen Geschäften, der Preis dafür ist, dass der Verlag sich von Zeitungen getrennt hat, letztes Jahr wurden die regionalen Zeitungen – von der "Berliner Morgenpost" bis zum "Hamburger Abendblatt", nach 60 Jahren, diese Zeitung, erste Zeitung von Axel Springer – in Ihrem Haus an die Funke Mediengruppe verkauft. Wie sind Sie, wenn man das so sagen kann, dem Geist Axel Springers nach dieser Entscheidung gegenübergetreten?
Springer: Ehrlich gesagt, es fiel mir schon schwer. Denn diese Zeitungen, besonders das "Hamburger Abendblatt" war die erste Zeitung, die Axel Springer gegründet hat nach dem Zweiten Weltkrieg. Es war was ganz Neues. Damals gab es schon sechs Zeitungen in Hamburg und in kürzester Zeit war das "Hamburger Abendblatt" die Nummer eins in Hamburg. Es war ein neuer Stil, es waren Bilder auf der ersten Seite, es waren nicht die Todesanzeigen auf der letzten aus aller Welt, sondern es war eine bunte Seite, die letzte. Ganz und gar eine Springer-Zeitung. Die hat er selbst entworfen, immer eine gute Nachricht auf der ersten Seite, das war ihm wichtig. Also, ein ganz neues Konzept, nicht so ernst und immer ein Bild. Und auf der letzten Seite eben aus aller Welt lustige, bunte Nachrichten, dass die Leute auch erst mal die erste Seite lasen, dann die ganze Seite umdrehten und da noch mal etwas zur Entspannung lasen. Das gab es früher nicht! Und jetzt ist es verkauft, es ist keine Springer-Zeitung mehr. Das fiel mir dann doch schwer. Aber ich bin so lange im Aufsichtsrat, ich sah die Auflagen der Zeitungen zurückgehen, ich sah den Gewinn der Zeitung zurückgehen und ich musste mich dazu durchringen. Aber ich habe dann doch, als die Entscheidung dann fiel, wir verkaufen das, habe ich doch eine Träne vergossen.
Detjen: Aber diese Auflagenrückgänge sehen Sie ja auch bei der "Welt" nach wie vor. Wie viel ist es Ihnen wert, in Ihrem Haus eine gedruckte Zeitung noch zu publizieren?
Springer: Das ist doch sehr wichtig. Wir wollen ein journalistisches Haus bleiben. Journalismus ist wichtig. Also, darum: "Welt" und "Bild" werden nicht angetastet.
Detjen: Ein Bekenntnis zum gedruckten Wort in einer Medienlandschaft, die sich auch in Ihrem Haus eben enorm verändert. Wie nehmen Sie die digitalen Medien selbst wahr, um die auch Ihr Haus jetzt so kreist? Das Internet, Social Media?
Springer: Ich musste das alles mühsam lernen. Aber, ich sehe den Erfolg und ich habe mich auch damit angefreundet, doch sehr viel im Internet nachzuschauen. Auch wenn ich unterwegs bin, lese ich die Zeitungen im Internet. Zu Hause lese ich immer noch die gedruckte Zeitung, das ist dann doch was anderes, es raschelt so schön, man kann was rausreißen, das gefällt mir dann doch, statt mit dem Finger da übers iPad zu wischen. Aber ich nutze beides!
Detjen: Die Zeitungen, Sie sprechen jetzt von den Zeitungen. Nutzen Sie auch die neuen Medienformen? Twitter, sind Sie auf Facebook, schauen Sie da rein, vielleicht unter einem Pseudonym, wie Sie das machen?
Springer: Nein, mache ich nicht. Ich kriege so viel mit, das brauche ich nicht. Ich möchte mich nicht immer mitteilen, wo ich bin, was ich mache oder was ich gerade esse oder mit wem ich zusammen bin, das geht niemand was an. Das, finde ich, das muss ich nicht mitteilen, das finde ich etwas albern.
Detjen: Wie nutzen Sie andere Medien? Sie sind eine passionierte Radiohörerin, auch eine Freundin dieses Programms, ...
Springer: Oh ja!
Detjen: ... in dem wir jetzt mit Ihnen sprechen dürfen, was uns freut! Was schätzen Sie an unserem Medium, dem Radio?
Springer: Weil es so schnell ist. Und ich muss Nachrichten hören! Ich höre mindestens fünfzehnmal am Tag Nachrichten. Ich habe immer Angst, ich verpasse etwas. Wir leben in so einer interessanten Zeit, es passiert so viel! Ich muss das mitkriegen, mich interessiert es! Ich mag auch gern mit Politikern, mit Wissenschaftlern sprechen, mit Pastoren. Jeder hat so sein Bild. Und das finde ich ... Menschen sind so interessant. Und die Nachrichten aus aller Welt. Also, ich reise gerne. Und darum ... Ich muss alles mitkriegen. Ich habe immer Angst, ich verpasse etwas! Komisch!
Friede Springers besondere Beziehungen zu Israel und ihr Stiftungs-Engagement
Detjen: Sie haben eben erwähnt Reisen. Gehören viele Reisen, die Sie nach Israel machen. Auch eine Verbindung, die geprägt ist durch Ihren Mann, durch Axel Springer, sein besonderes Verhältnis zu Israel, wir haben über die Grundsätze des Verlags gesprochen, zu denen gehört das Einstehen, wie es dort heißt, für das Lebensrecht des israelischen Volkes, auch ein interessanter Begriff. Mancher in Israel, manche Juden würden sagen, das gibt es gar nicht, das ist ein Vielvölkerstaat oder es ist der Staat der Juden. Sie sind viel in Israel. Was bedeutet Ihnen das Land? Und wie nehmen Sie es heute, in diesen schwierigen Zeiten wahr?
Springer: Ich glaube, ich war 1968 das erste Mal in Israel. Und seitdem über 50 Mal war ich im Land, jedes Jahr, mindestens einmal, oft zweimal. Wir hatten sogar eine Wohnung in Jerusalem. Und daher kenne ich auch das normale Leben, habe mir ein Auto gemietet, bin herumgefahren. Und ich habe mich total in dieses Land verliebt. Ich habe dann auch meine Familie eingeladen und meine Geschwister, alle waren da und es ging uns allen so: Wir lieben dieses Land. Und dass Axel Springer mir die Juden und Israel nahegebracht hat, dafür bin ich ihm sein Leben lang immer dankbar, weil ich wirklich ... Das ist so aufgegangen: Ich habe so viele gute Freunde in Israel. Und auch wenn das Land jetzt eigentlich immer mir ein bisschen fremder wird, es wird immer mehr ein Land des Nahen Ostens, es wird immer arabischer, will ich mal so sagen, also mehr dem Gebiet zugehörig. Was sicher auch richtig ist. Aber ich muss jedes Jahr einmal hin, mindestens einmal. Ich bin einfach sehr, sehr gerne da. Das ist mir so vertraut wie meine alte Heimat Schleswig-Holstein.
Detjen: Sie haben – lassen Sie uns das am Ende dieses Gesprächs noch ansprechen – nach dem Tod Ihres Mannes drei eigene Stiftungen gegründet. Eine trägt den Namen Axel Springers, die kümmert sich unter anderem um hilfsbedürftige Journalisten; eine Stiftung, die sich der Erforschung und Heilung von Herz-Kreislauf-Krankheiten widmet; und eine Stiftung, die Friede-Springer-Stiftung, die Ihren eigenen Namen trägt. Was bewegt Sie da, was ist Ihnen bei dieser Tätigkeit besonders wichtig?
Springer: Das war ganz einfach. Nachdem das Ganze geklärt war mit dem Erbe und ich alles bezahlt hatte ... Denn durch den Kauf der ganzen Aktien hatte ich auch große Schulden, das mussten die ersten Jahre, die Dividende des Verlags ging erst mal, um die Schulden zu tilgen. Und als dann vor zehn, zwölf Jahren das erste Mal Geld auf mein Konto kam, was mache ich damit, ich brauche das gar nicht? Ich habe ein Haus, ich habe ein Bett, ich brauche das gar nicht! Da habe ich gleich eine Stiftung gegründet. Die erste war die Herz-und-Kreislauf-Stiftung, weil immer noch, die Todesursache Nummer eins in Deutschland ist nicht Krebs, sondern es sind Herz- und Kreislauferkrankungen. Mich hat immer Medizin interessiert. Ich war von 85 an im Stiftungsrat des Deutschen Herzzentrums, was damals hier in Berlin gegründet wurde und einen Weltruf hat, so gut ist es. Und so hatte ich immer mit Herz- und Kreislauferkrankungen da zu tun, hörte ich da immer von und wie wichtig das ist. Und dann habe ich das dann da gegründet und hatte ein sehr gutes Kuratorium. Und da habe ich sehr viel gelernt schon. Habe immer so große Symposien gemacht und immer ein Thema, Herzinfarkt, Schlaganfall oder hoher Blutdruck oder ... Solche, immer jedes Jahr eine ... Da kamen 800 Leute! Unten bei uns im Verlag habe ich die eingeladen und da merkte ich, was für eine Freude das macht, etwas zu tun für Gesundheit. Und dann habe ich dann auch die Axel-Springer-Stiftung übernommen, als Ernst Cramer mit 97 Jahren starb. Denn die gab es schon lange. Die kümmert sich wirklich um in Not gekommene Schauspieler, in Not gekommene Journalisten. Und tut sehr viel für Israel. Das habe ich so übernommen, das mache ich auch sehr, sehr gerne. Und dann, vor einigen Jahren, habe ich dann mein ganzes Vermögen in die Friede Springer-Stiftung getan, die sehr viel für Wissenschaft macht. Das macht mir irrsinnig viel Spaß!
Detjen: Frau Springer, ich danke Ihnen für diese Begegnung, für diese Dreiviertelstunde im Deutschlandfunk!
Springer: Gerne!
Äußerungen unserer GesprächspartnerInnen geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner GesprächspartnerInnen in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.