Stellvertretende Parlamentspräsidentin der Hamburger Bürgerschaft: "Wir kommen zu den Punkten zwei, drei und fünf der heutigen Tagesordnung. Den Wahlen zu verschiedenen Gremien."
Wieder einmal findet in der Hamburgischen Bürgerschaft die Wahl eines Mitglieds der Härtefallkommission statt. Zum zwölften Mal schickt die Alternative für Deutschland (AfD) einen Kandidaten ins Rennen für den Posten und vermutlich wird die Partei auch dieses Mal damit scheitern. Alle in der Bürgerschaft vertretenen Parteien – SPD und Grüne, FDP und CDU, Linke und AfD – dürfen einen Kandidaten für das Amt vorschlagen.
Gewählt wird er oder sie aber von der Bürgerschaft. Alle Parteien sind schon in dem Gremium vertreten, nur die Vertreter der AfD bekommen einfach nicht die erforderliche Mehrheit. Auch dieses Mal nicht, beim letzten Anlauf vor der Winterpause des Stadtparlaments. Dirk Nockemann, Innenexperte der Hamburger AfD, kann darüber nur noch müde lächeln:
"Das scheint ja mittlerweile parlamentarischer Brauch zu sein, dass Minderheitenrechte nicht von der Mehrheit des Parlaments geachtet werden. Es gibt einige Abgeordnete, insbesondere aus den Reihen der CDU, die unsere Wahl mittragen. Das war es dann aber auch schon. Die Ablehnung bei den übrigen Abgeordneten ist recht groß – überraschend für mich, denn es entspricht eben nicht parlamentarischem Brauch."
Keine Pflicht, einen Kandidaten zu wählen
Dirk Nockemann war als erster Anwärter auf den Posten in der Härtefallkommission gescheitert. Vor zehn Jahren war er für kurze Zeit Hamburger Innensenator gewesen, als Nachfolger und Parteifreund des hochumstrittenen Ronald Schill. "Law and Order" – das war die Linie der damaligen Schill-Partei und von Innensenator Dirk Nockemann. Aber ein "Law and Order"-Politiker zu sein, dafür, so der Innenexperte der AfD, müsse er sich ja wohl kaum schämen. Das deutsche Recht, die deutsche Ordnung seien schließlich große Errungenschaften, erklärt Dirk Nockemann. Jetzt prüft das Hamburgische Verfassungsgericht die Klage der AfD gegen die Verweigerungshaltung der anderen Parteien.
"Es gibt einen sogenannten Minderheitenschutz. Das bedeutet, dass alle vom Volk, vom Souverän gewählten Angeordneten auch in den Ausschüssen mitarbeiten dürfen und vertreten sein dürfen. Und das ist die Grundlage für die Klage, die wir erhoben haben. Es gibt nämlich keinen nachvollziehbaren Grund dafür, dass unsere Abgeordneten nicht in diesen Ausschüssen sitzen sollen."
Und genau das sehen viele – offenbar die Mehrheit – der Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten anders. Dass die AfD das Recht hat, einen Vertreter in die Kommission zu entsenden, ist zwar unstrittig. Aber eine Pflicht, den von der Partei vorgeschlagenen Kandidaten auch zu wählen, eine solche Pflicht gibt es eben nicht erklärt Andreas Dressel, Fraktionschef der SPD, am Rande der letzten Bürgerschaftsdebatte vor Weihnachten:
"Wenn es jetzt nicht anders geht, ist das eben etwas, was das Verfassungsgericht klären muss. Aber ich kann als Fraktionsvorsitzender meine Fraktion nicht dazu verpflichten, jeden einzelnen, da irgendwo sein Kreuz zu machen. Sondern das ist eine individuelle Entscheidung, die jeder Abgeordnete trifft. Und da hat er mit dem freien Mandat auch das Recht dazu."
Kandidaten mit besonderer Schärfe gegenüber Flüchtlingen
Geht es diesen Abgeordneten nur ums Prinzip? Darum, die AfD einfach rauszuhalten aus wichtigen, ihr aber zustehenden Ämtern? Anjes Tjarks, Fraktionschef der Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft verneint das. Immerhin, so Tjarks, wäre auch schon der AfD-Mann Detlef Ehlebracht zum stellvertretenden Parlamentspräsidenten gewählt worden und der Chef der AfD-Fraktion Jörn Kruse ist gewählter Vertreter Kontrollgremium für den Verfassungsschutz.
Aber für den Sitz in der Härtefallkommission hätte die Partei bislang – vielleicht aus Prinzip? – nur jene Vertreter vorgeschlagen, die in Bürgerschaftsreden vor allem durch eine besondere Schärfe gegenüber Flüchtlingen aufgefallen sind.
Anjes Tjarks: "Und wenn man eben im Plenum einige Reden hört, kann man schon daran zweifeln, dass nicht alle Mitglieder der AfD sich genau mit dieser Frage auch in der Tiefe so auseinandersetzen, wie wir das für geboten halten. Und deswegen kann man natürlich zu dem Ergebnis kommen, dass man diesen Menschen auch nicht wählen möchte."
Aber so unmenschlich seien er und die Hardliner in der AfD doch gar nicht, beteuert Dirk Nockemann:
"Weil es sich eben um eine Gnadenkommission handelt, dann dürfen sie gern davon ausgehen, dass wir auch mal Gnade obwalten lassen."
Und immerhin sitzt ja schon ein AfD-Mitglied auf einem Stellvertreter-Posten in der Härtefallkommission. Die Fronten sind verhärtet. Im Frühjahr muss das Verfassungsgericht über den Streit entscheiden. Wie oft es vorher noch erfolglose Anläufe der AfD auf den Posten geben wird, wird sich zeigen.