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Die FIFA-Farce

Chaos regiert im Weltverband. Die FIFA steckt durch ihre missglückte Aufklärung des Manipulationsverdachts bei der Vergabe der WM-Endrunden 2018 an Russland und 2022 an Katar in einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise. Die Hintergründe!

Von Philipp May |
    FIFA-Präsident Sepp Blatter hält einen Zettel mit der Aufschrift Qatar hoch
    FIFA-Präsident Sepp Blatter (dpa/picture alliance/keystone/Walter Bieri)
    Marrakesch im Dezember – die letzte Pressekonferenz des Jahres für den FIFA-Präsidenten: Sepp Blatter steht mal wieder im Sturm der öffentlichen Entrüstung. Er ist eitel, es trifft ihn. Der Chef des Weltfußballs ist angeschlagen. Blatter muss Zugeständnisse machen.
    "Der Vorsitzende unser Compliance-Kommission, Herr Scala, hat uns empfohlen, ja zur Veröffentlichung des Garcia-Berichts zu sagen, aber unter bestimmten Bedingungen."
    Der so genannte Garcia-Bericht ist der Untersuchungsbericht des ehemaligen Chefermittlers der FIFA-Ethikkommission, Michael Garcia. Die Fußballwelt will wissen, was drin steht, ob der Report weitere Antworten liefert auf die Frage, die seit Jahren im Raum steht: Haben Katar und Russland die WM-Turniere 2018 und 22 gekauft?
    Lange hat sich FIFA-Präsident Blatter dagegen gesträubt, die brisanten 430 Seiten zu veröffentlichen. Jetzt gibt er dem Druck nach, doch es ist nur ein minimales Zugeständnis. Eine Neuvergabe der Weltmeisterschaften werde es nicht geben.
    "Es müsste schon jetzt ein Erdbeben kommen, oder neue Elemente hineintreten, dass man das ändern könnte oder müsste, aber im Moment sieht das Exekutivkomitee keinen Bedarf irgendwas zu ändern."
    Keine Transparenz
    Und auch darüber hinaus sollte man keine allzu große Transparenz vom Weltverband erwarten, sagt Guido Tognoni, langjähriger FIFA-Marketingdirektor und mittlerweile einer der größten Kritiker des Weltverbands.
    "Es heißt eigentlich, es ändert sich nicht viel. Wenn auch heute die Publikation des Berichts beschlossen wurde, dann heißt das noch nicht, dass er morgen schon auf dem Tisch liegt, weil man dann sicher noch Anonymisierungen vornehmen muss. Da wird noch einiges passieren, und die FIFA hat sicher noch ein bisschen Zeit, um diesen Bericht richtig vorzubereiten."
    Und das kann lange dauern, möglicherweise Jahre. Denn der Bericht soll erst veröffentlicht werden, bis alle Einzelverfahren gegen FIFA-Mitglieder abgeschlossen sind, gegen die Michael Garcia im Zuge seiner Untersuchungen Verfahren aufgenommen hat. Also doch ein weiterer Taschenspielertrick von der FIFA und Präsident Sepp Blatter?
    Viel Spricht dafür: Denn nicht der gesamte Untersuchungsbericht soll veröffentlicht werden, sondern, wie Blatter in einem Statement verbreiten ließ, "nur der Bericht in einer angemessenen Form". Gut möglich, dass am Ende alle der Korruption beschuldigten Personen in der veröffentlichen Fassung nicht namentlich genannt sein werden. Der Erkenntnisgewinn wäre bescheiden.
    Außerdem soll ausgerechnet der Münchener Strafrichter Hans-Joachim Eckert den Garcia-Bericht nun bearbeiten und veröffentlichen, also der Mann, der durch sein umstrittenes Urteil die neuerliche Vertrauenskrise der FIFA ausgelöst hat. In seiner Rolle als Vorsitzender Richter der FIFA-Ethikkommission hatte der Deutsche Katar und Russland nach Durchsicht von Garcias Report aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
    Einspruch abgebügelt
    Ein Urteil, das FIFA-Chefermittler Garcia nicht auf sich sitzen lassen wollte. Fehlerhaft und unvollständig sei Eckerts Zusammenfassung seines Untersuchungsberichts gewesen. Doch sein Einspruch wurde von der FIFA abgebügelt – aus formalen Gründen. Zu viel für den ehemaligen New Yorker Staatsanwalt. Er trat zurück und fällte dabei sein persönliches Urteil – über Eckert:
    "Durch Eckerts Entscheidung habe ich das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Rechtssprechenden Kammer verloren."
    Und über die FIFA:
    "Kein unabhängige Ethikkommission, kein Ermittler, kein Schiedsgericht kann die Kultur einer Organisation ändern."
    Zum gleichen Schluss wie Garcia war auch schon vor vier Jahren der frühere Präsident des Bundesgerichtshofs, Günter Hirsch, gekommen. Auch Hirsch hat die FIFA-Ethikkommission verlassen.
    Zurück bleibt Hans-Joachim Eckert, maximal beschädigt. Der Münchener Richter habe sich zum Schoßhündchen des Fifa-Präsidenten gemacht, finden viele Kritiker. Guido Tognoni:
    "Ich glaube, seine Rolle hat er jetzt noch nicht gefunden. Er hat wahrscheinlich einen Riesenrespekt vor den vier Buchstaben FIFA. Herr Eckert kam einfach aus einer ganz anderen Ecke. Er kannte den Sport nicht, er kennt die FIFA nicht, er kennt die Mechanismen nicht, er kennt vor allem die Geschichte der FIFA nicht. Und wenn man das alles nicht kennt, dann begibt man sich auf ein unerhörtes, glattes Eis. Da ist er gewissermaßen in eine Mausefalle geraten und ist voll reingefallen."
    Anhaltspunkte für Schmiergeldzahlungen
    Denn es gibt es viele Anhaltspunkte, dass bei der WM-Doppelvergabe im Dezember 2010 Schmiergeldzahlungen eine Rolle gespielt haben. Sowohl bei der Entscheidung für Russland, als auch für Katar.
    Vor allem das Wüstenemirat steht am Pranger. In tausenden Dokumenten, die der Londoner Zeitung Sunday Times zugespielt wurden, ist zu lesen, wie sich der ehemalige katarische FIFA-Funktionär Mohammad Bin Hammam die Gunst zahlreicher afrikanischer und asiatischer Top-Funktionäre mit viel Geld erkaufte.
    Auch Whistleblower plaudern. Die wichtigste Kronzeugin: Pheadra Almajid. Die US-Amerikanerin mit arabischen Wurzeln war Pressesprecherin der katarischen Bewerbung. Sie kooperiert mit Michael Garcia:
    "Bevor ich ihn überhaupt getroffen habe, hat er meinem Anwalt hundertprozentige Anonymität zugesagt, Und ich habe ihn auch noch einmal daran erinnert. Worauf er antworte: Keine Sorge, sie werden niemals erfahren, dass du mit uns kooperiert hast."
    FIFA-Richter Eckert fühlte sich allerdings nicht an Garcias Versprechen gebunden. Warum ist ein weiteres Rätsel. Als er vor einem Monat Katar von allen Vorwürfen freisprach, enttarnte er Almajid als Kronzeugin. Und stellt sie zudem als unglaubwürdig dar.
    "Ja, ich werde zukünftig in Angst leben, weil ich viele Menschen gegen mich aufgebracht habe und immer noch eine Bedrohung für die Kataris bin. Ja, ich lebe in Angst."
    Brisante Vorwürfe
    Denn ihre Vorwürfe gegen die katarische Bewerbung könnten brisanter nicht sein:
    "Ich war im Raum, als katarische Offizielle drei afrikanischen Mitgliedern der FIFA-Exekutive 1,5 Millionen Dollar geboten haben für Ihre Stimmen bei der WM-Vergabe."
    Klassische Korruption à la FIFA. Der Vorgang soll sich im Januar 2010 während eines Kongresses der Afrikanischen Fußballföderation in Angola abgespielt haben – also ein knappes Jahr vor der Vergabe nach Katar.
    "Zunächst lag das Angebot bei einer Million, das lehnten sie ab. Als auf 1,5 Millionen erhöht wurde, haben sie dann angenommen."
    Wer die drei Afrikanischen FIFA-Funktionäre sind, die nach Darstellung von Almajid geschmiert wurden, steht im vom Weltverband unter Verschluss gehaltenen Untersuchungsbericht von Garcia.
    Allerdings ist der Kreis der Verdächtigen extrem klein, denn dem Exekutivkomitee gehörten nur vier Afrikaner an. Da ist Amos Adamu aus Nigeria: Er wurde wenige Monate später von britischen Undercover-Journalisten der Korruption überführt und noch vor der Doppelvergabe von der FIFA suspendiert. Im Exekutivkomitee sitzen außerdem Hany Abo Rida, Ägypten, Jacques Anouma von der Elfenbeinküste und Issa Hayatou. Der Kameruner ist nicht nur Präsident des afrikanischen Fußball-Verbands, sondern im Weltverband die Nummer Zwei hinter Blatter. Sein Name tauchte schon einmal im Schmiergeldgeldskandal um den Rechtehändler ISL auf der Liste der Geldempfänger auf. Doch belangt wurde Hayatou nicht – als einziger aus der Riege der der Korruption überführten Funktionäre.
    Der Mann aus Kamerun ist mächtig. Eine Schlüsselfigur für Sepp Blatter bei der Präsidentenwahl kommenden Mai. Kaum vorstellbar, dass bis dahin der Untersuchungsbericht von Garcia veröffentlicht wird.
    "Sepp Blatter möchte ja in erster Linie wieder gewählt werden. Und er ist sicher bereit, im Hinblick auf diese Wahl mit Issa Hayatou oder anderen Fußballführern aus den Kontinenten Absprachen zu treffen. Diese Absprachen würde er wahrscheinblich nur einhalten, bis die Wahl vorbei ist und nachher ist es ihm egal, was damit passiert. Aber es ist absolut möglich, um nicht zusagen wahrscheinlich, dass da Absprachen getroffen sind: 'ich verhindere die Publikation, du bringst mir die Stimmen'."
    Nur UEFA gegen Blatter
    Niemand beherrscht das Spiel mit der Macht so gut wie der bald 79-Jährige. Blatter hat seine Macht längst abgesichert.
    Als einzige Konföderation im Weltverband hat sich der Europäische Fußballverband UEFA gegen den allmächtigen FIFA-Boss gestellt. Doch UEFA-Chef Michel Platini, einst Blatter-Zögling, nun erbitterter Gegner, weigert sich in ein aussichtsloses Rennen zu gehen. Ein Fehler, findet Tognoni.
    "Die UEFA muss einfach daran denken, dass es nicht nur die Wahlen 2015 gibt, sondern auch 2019. Und die UEFA müsste eigentlich auch damit spekulieren, dass es theoretisch möglich ist, dass sich Sepp Blatter in letzter Minute von der Wahl zurückzieht, sei es aus Überzeugung, sei es weil er bedrängt wird, sei es weil er nicht mehr so fit ist. Es ist alles möglich bis Mai, und wenn die UEFA dann mit leeren Händen dasteht und kein Konzept hat, blamiert sie sich ziemlich."
    Doch die Europäer wirken seltsam kopf- und ratlos bei der Suche nach einem Blatter-Herausforderer. Sie eiern herum, wie kürzlich DFB-Präsident Wolfgang Niersbach.
    "Die Frist läuft ab Ende Januar. Ich habe gesagt, es ist nicht auszuschließen, dass es einen europäischen Gegenkandidaten gibt."
    Frage: "Aber sollte Europa nicht, wenn man sich schon gegen Blatter positioniert, dann nicht zumindest auch eine Alternative da hinstellen?"
    "Ja, das ist naheliegend. Die Fragestellung kann ich absolut nachvollziehen, aber es nicht entschieden."
    Zwar könnte die UEFA allein gegen den Rest der Fußballwelt Sepp Blatter nicht verhindern. Doch der Europäische Fußball-Verband hätte die Macht, Veränderungen bei der FIFA durchzusetzen. Zumindest theoretisch: Die besten Nationalteams, die besten Clubs und die besten Profis spielen in Europa. Allein die Androhung eines Boykotts der Europäer könnte die FIFA zur Implosion bringen. Allerdings: Soweit wird es nicht kommen, ist sich Tognoni sicher.
    "Weil die UEFA nie unter sich einig ist mit seinen 50 Verbänden oder sogar jetzt mehr. Also, die UEFA ist politisch nicht halb so versiert als Ganzes wie Blatter ganz alleine. Und dafür muss sie immer wieder büßen, weil sie einfach nicht vorbereitet ist auf diese oder jene Situation. Sie hat keine Strategie, sie hat vielleicht auch nicht die richtigen Persönlichkeiten."
    Zumal auch einige europäische Funktionäre im Verdacht stehen, von Katar gekauft worden zu sein. Der Belgier Michel D'Hooge zum Beispiel. Er galt einst als Saubermann, bis herauskam, dass sein Sohn kurz nach der Katar-Kür einen Job als medizinischer Berater der Kataris angenommen hat. Oder Marios Lefkaritis aus Zypern, der durch mysteriöse Grundstückdeals mit Katar ein Vermögen machte. Selbst UEFA-Boss Platini ist befleckt. Er gibt offen zu, für Katar gestimmt zu haben. Sein Sohn arbeitet nun für den katarischen Investmentfonds.
    Vorwürfe gegen Beckenbauer
    Bis zuletzt hatte Michael Garcia auch gegen den Spanier Angel Villar Llona ermittelt, und gegen Franz Beckenbauer, damals für den Deutschen Fußball-Bund im FIFA-Exko.
    "Wer will auch an mich herantreten und mich zu irgendwelchen Dingen verleiten? Ist doch lächerlich. Ich habe nichts damit zu tun. Ich bin der falsche Ansprechpartner."
    sagt Beckenbauer. Es ist unklar, ob er für Katar gestimmt hat. Doch Deutschlands Fußballkaiser steht im Verdacht, von Russland gekauft worden zu sein. Fakt ist: Ein halbes Jahr nach der Doppelvergabe hat Beckenbauer einen millionenschweren Botschaftervertrag für die russische Gasindustrie unterschrieben. Ein Deal, der schon vor der Kür von Katar und Russland in englischen Zeitungen angekündigt worden war.
    "Damals, als der Entscheid gefallen ist, sind innerhalb von einer Stunde, am gleichen Ort, von den gleichen Leuten zwei Entscheidungen gefallen. Eine pro Katar, eine pro Russland. Und es ist schwer vorstellbar, dass die eine absolut sauber und die andere absolut schmutzig von sich gegangen ist. Das muss man sich immer wieder vor Augen halten."
    Dennoch: Von der Fußballwelt wird das Turnier in Russland weitgehend akzeptiert. Die WM in Katar ist dagegen zum Fanal für den Weltverband geworden.
    Eine Weltmeisterschaft im Hochsommer in der Wüste – es ist die absurdeste Entscheidung des Weltfußballs. Im März will sich die FIFA in der äußert schwierigen Terminfrage festlegen. Denn eine Verlegung der Sommer-WM in den Winter würde den gesamten Sportkalender über Jahre durcheinander wirbeln.
    Heikle Menschenrechtsfrage
    Ebenso heikel: Die Menschenrechtslage im Land. Besonders betroffen: Die rund 1,5 Millionen Gastarbeiter, die bei der WM-Vorbereitung eine entscheidende Rolle spielen. Schon jetzt gleicht Katars Hauptstadt Doha einer riesigen Baustelle. Das Land erschafft sich praktisch neu für 2022.
    Es ist später Nachmittag. Einbruch der Dunkelheit. Der Muezzin ruft zum Gebet. Schichtwechsel. Klapprige Busse kommen, um die Arbeiterkolonnen einzusammeln. Wir folgen einem der Busse. Er fährt ins Industriegebiet am Rande Dohas. An einem heruntergekommenen Backsteinbau, ihrer Unterkunft, lässt er die Menschen aus Bangladesch, Sri Lanka, China oder Indien heraus. Als die Gastarbeiter uns bemerken, bildet sich eine Traube um uns. Sie wollen reden.
    Ihr Arbeitgeber, eine ägyptische Firma, sei schlecht. Einmal habe er sich schwer verletzt, berichtet einer der Männer. Doch niemand habe ihm geholfen, er habe sich selbst um seinen Transport zum Krankenhaus kümmern müssen. Wenn sie sich bei den katarischen Behörden über die Zustände beschweren, melden die das dann dem Arbeitgeber weiter, sagt ein anderer. Und der würde zur Strafe das Gehalt von umgerechnet circa 200 Euro monatlich noch einmal kürzen.
    Dann zeigen die Gastarbeiter uns ihre Unterkunft: Bis zu zehn Menschen in einem Zimmer. Das eigene Bett ist gleichzeitig Schrank. Die Wände voller Schimmel. Die sanitären Anlagen: versifft. Es riecht nach Fäkalien. Man läuft durch Abwasser aus undichten Rohren. Dritte-Welt-Zustände im reichsten Land der Welt.
    "Das, was Sie da erlebt haben, ist gang und gäbe. Die Arbeitsbedingungen in Katar sind im Allgemeinen katastrophal",
    schimpft Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
    "Solange sich nichts ändert, am rechtlichen Rahmen, so lange wird sich da nichts tun."
    Moderne Sklaverei
    Vor allem Katars Rechtssystem hält mit dem atemberaubenden Modernisierungstempo des Emirats nicht Schritt. So können katarische Arbeitgeber Ausländern die Ausreise aus dem Land verbieten. Das Sponsorensystem, die so genannte "Kafala", macht es möglich. Moderne Sklaverei, der nicht nur Menschen aus Entwicklungsländern zum Opfer fallen.
    Der französische Fußballtrainer Stephane Morello zum Beispiel. Er kam 2007 nach Katar – als Fußball-Entwicklungshelfer in der 2. Katarischen Liga. Im Januar 2009 wurde Morello gefeuert, ein halbes Jahr vor Ablauf seines Vertrages. Der Franzose klagte auf die Auszahlung seines restlichen Gehalts – und wurde damit zum Gefangenen Katars. Weil er auf sein Recht pochte.
    "Vielen Spielern ist das Gleiche passiert wie mir. Richtig berühmten Spielern. Aber die haben so viel Geld verdient, die haben einfach direkt unterschrieben, dass sie auf ihr ausstehendes Gehalt verzichten, damit sie raus können. Mitglieder der französischen Weltmeistermannschaft waren darunter. Christoph Dugarry zum Beispiel."
    Hilfe von der FIFA hat der Fußballtrainer nicht erhalten. Erst nachdem Morello französische Medien einschaltete und nach der Fürsprache von Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande beim Emir erhielt Morello sein Ausreisevisum.
    "Um rauszukommen, musste ich unterschreiben, dass ich dem katarischen Staat 250.000 Euro schulde. Aber die Behörden haben beschlossen, mir etwas zu schenken und das Geld nicht einzufordern."
    Nun verklagt er selbst Katar auf Schadensersatz, vor französischen Gerichten.
    "Sie haben mich hier fünf Jahre festgehalten. Meine Trainerkarriere ist zerstört. Viele schlechte Dinge sind deshalb passiert. Ich und meine Familie haben wirklich gelitten."
    Geschichten von ausgebeuteten Arbeitern, Geschichten von Menschen wie Stephane Morello haben den Druck auf Katar enorm wachsen lassen.
    Die Fußball-Weltmeisterschaft, eigentlich dazu auserkoren, das aufstrebende Emirat in ein strahlendes Licht zu setzen, ist zur Image-Falle für Katar geworden. Der junge Emir versucht nun gegenzusteuern. Neue Arbeitsschutzgesetze sollen bald in Kraft treten. Human-Rights-Watch-Mann Michalski bleibt skeptisch.
    "Es gibt einige wenige, die dort an den organisatorischen Hebeln sitzen und die vielleicht tatsächlich was machen wollen, aber die können sich gegen die wirklich erzkonservative Mehrheit in Katar durchsetzen, und das sind harte Hunde dort."
    Andere sehen die Entwicklung positiver:
    "Katar ist heute das einzige Land im Golf, das ins Gespräch tritt mit seinen Kritikern",
    sagt der renommierte Journalist James Dorsey, weltweit anerkannt als großer Kenner des arabischen Raums und des arabischen Fußballs. Er glaubt daran, dass der Emir seinen Worten Taten folgen lassen werde.
    "Die meisten Weltmeisterschaften haben ja nicht wirklich eine Legacy. Es gibt, soweit ich nachgehen kann, sehr wenige Vorbilder von solchen Events, wo wirklich eine soziale oder politische Veränderung stattgefunden hat. Und die Tatsache, dass Katar es gewonnen hat, hat schon eine Veränderung gebracht."
    Neue Infrastruktur
    Eine Legacy – ein Vermächtnis für die gesamte Region. Das sei die Chance, die diese Weltmeisterschaft in Katar bietet, so argumentieren Befürworter wie Dorsey.
    Doch ist das winzige Emirat überhaupt in der Lage, das mit Abstand größte Sport-Event der Welt zu stemmen? Eine Weltmeisterschaft, Olympischen Spielen gleich, die praktisch in einer Stadt so groß wie Düsseldorf über die Bühne geht.
    Schon jetzt erleidet Doha den täglichen Verkehrskollaps. Damit bei der Fußball-WM zehntausende Menschen von Stadion zu Stadion können, baut Katar gerade ein U-Bahnnetz. Geplant von der Deutschen Bahn.
    Im gläsernen Büroturm der Katar-Rail-Company belegt die Bahn-Tochterfirma DB International eine ganze Etage. Hans Günther Jäger ist der technische Leiter des Projekts. Aus seinem Büro kann er auf eine der vielen U-Bahnbaustellen Dohas schauen. Nach seinen Plänen werden derzeit die Stadt untertunnelt und Straßenführungen geändert.
    "Wir sind überall am Bauen. ich gehe auch davon aus, gut, wenn es jetzt nicht 2019 wird, dann wird es 2020, dass wir rechtzeitig vor der FIFA-WM das Metronetz in Betrieb nehmen."
    Piekfein ist der neue Hamad International Airport. Bis zur WM soll er eine Kapazität für bis zu 50 Millionen Fluggäste erreichen. Zum Vergleich: Allein der Flughafen in Frankfurt schafft bei maximaler Auslastung 65 Millionen. Doch in Katar ist der Flughafen der einzige Weg, um ins Land zu kommen.
    "Auf dem Landwege ist kaum was möglich, wir leben hier quasi auf einer Insel. Man kann nur mit Transitvisum nach Abu Dhabi rüber. Eine Brücke die nach Bahrain gebaut werden sollte, ist schon seit zig Jahren in der Diskussion, aber da läuft uns auch die Zeit weg. Am Ende muss alles über diesen Flughafen",
    sagt DB-Mann Jäger. Und "alles" bedeutet in diesem Fall mindestens eine halbe Millionen WM-Touristen aus aller Welt zusätzlich. Das ist kaum zu bewältigen, auch nicht für ein Land mit den unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten Katars.
    "Also, so wie man das vielleicht bei uns kennt. Man geht zu einem WM-Spiel und fährt da mal schnell hin kurzentschieden und guckt, dass man 'ne Karte kriegt. Ich denke, hier wird sehr viel mehr Planung vorrauseilen müssen und sehr viel mehr logistische Überlegung, das entsprechend zu organisieren."
    WM nur für Reiche?
    Anders gesagt: Eine WM in Katar wird eine WM für eine kleine, zahlungskräftige Minderheit, die sich teure VIP-Pakete, inklusive Flug, Hotels und Eintrittskarten leisten kann. Normale Fans könnten dagegen schon beim Versuch, während der WM ins Land zu kommen, scheitern.
    Doch dass die absurdeste Weltmeisterschaft aller Zeiten wirklich stattfindet, ist trotz FIFA-Freispruch nicht ausgemacht. Acht Jahre sind es noch bis 2022, acht Jahre, in denen der Druck auf Katar weiter wachsen wird. Das amerikanische FBI ermittelt im Zuge der WM-Vergabe wegen Geldwäsche gegen FIFA-Funktionäre und hat ganz andere Methoden zur Verfügung als die FIFA-Ethikkommission: Vorladungen, Hausdurchsuchungen oder Zugriff auf Kontobewegungen.
    Und auch auf die Erkenntnisse des im Zorn zurückgetretenen Ex-FIFA-Ankläger Michael Garcia werden die Ermittler wohl zurückgreifen können. Die Drähte sind kurz. Garcia Frau arbeitet: beim FBI.
    Doch auch darüber hinaus, kann noch viel passieren, glaubt Whistleblowerin Phaedra Almajid:
    "Ich glaube nicht, dass die WM in Katar stattfindet, denn es gibt zu viele Unwägbarkeiten. Was ist, wenn ein Krieg im Mittleren Osten ausbricht? Und es ist noch nicht einmal sicher, dass die FIFA selbst diese Krise überlebt. Es sieht ja gerade so aus, als stünde die FIFA kurz vor der Explosion. Die Wahl Katars ist sicherlich der schlimmste Fehler, den die FIFA seit langem jemals begangen hat."
    Kein WM-Entzug!
    Anders sieht das FIFA-Insider Tognoni. Ein Entzug der WM verbunden mit Milliarden Schadensersatzforderungen könne sich die FIFA gar nicht leisten. Er glaubt, am Ende werde die WM in der Wüste kommen, und zwar im Sommer.
    "Ist es ein Fall Katar oder ist es ein Fall FIFA? Meines Erachtens ist es ein Fall FIFA, wenn sich die Funktionäre bestechen lassen für eine Austragung der WM und nicht ein Problem des Veranstalterlandes. Rückblickend muss man schauen, dass Katar nichts anderes gemacht hat, als viele Bewerber im Vorfeld von anderen Weltmeisterschaften auch getan haben. Das ist sehr selten ganz sauber gelaufen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man nach fünf oder noch mehr Jahren nach dem Entscheid den Kataris die WM noch wegnehmen kann."
    Um die WM zu bekommen, hat Katar also nur nach den FIFA-Spielregeln gespielt, die gleichen Spielregeln, die übrigens schon im Jahr 2000 galten. Damals bekam Deutschland den Zuschlag für sein Sommermärchen. Aber das ist eine andere Geschichte.