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Fußballtrainer
Abrücken vom alten Ideal

Trainer im Spitzenfußball sind einem enormen Verschleiß ausgesetzt, dessen Symptome je nach Führungsstil früher oder später erkennbar werden. Ein Verbleib eines Trainers über viele Jahre bei ein und demselben Verein scheint kaum mehr möglich.

Von Daniel Theweleit |
    Jürgen Klopp, Ex-Trainer von Borussia Dortmund
    Jürgen Klopp, Ex-Trainer von Borussia Dortmund (dpa / picture alliance / Federico Gambarini)
    Jenseits der Ereignisse auf dem Rasen beschäftigt viele Fans von Bayern München derzeit die Frage, wer den Rekordmeister im kommenden Jahr trainieren wird. Es wird befürchtet, dass ein englischer Klub kommt und Pep Guardiola mit viel Geld in die Premier League lockt. Allerdings gibt es noch ganz andere Argumente, die den Spanier zu einem Ortswechsel bewegen könnten. Trainerarbeit nutzt sich ab, wie im vorigen Jahr bei Borussia Dortmund unter Jürgen Klopp zu sehen war.
    Auch diese Erkenntnis spielt wahrscheinlich eine wichtige Rolle in den Überlegungen von Pep Guardiola. "Ich habe mich noch nicht entschieden. Was ist das Beste für diesen Verein. Ich habe mein Bestes getan, ich tue mein Bestes bis zu meiner letzte Periode, dieses Jahr, ein Jahr mehr oder zwei Jahre mehr, ich habe mich noch nicht entschieden."
    Es geht an die Grenze einer Person
    Alle paar Wochen muss Pep Guardiola der Frage nach seinen Zukunftsplänen aufs Neue ausweichen. Mal reagiert er eher sachlich, mal unwirsch, aber immer wirkt er genervt. Und die geschwätzige Fußballöffentlichkeit spekuliert munter weiter über die Gründe für sein Zögern. Fühlt er sich nicht wohl in München? Will er mehr Macht? Oder, und das ist die gängigste Variante: Gibt es irgendwo einen Klub, der ihm eines dieser schwindelerregenden Millionenangebote unterbreitet hat?
    Guardiola selbst gewährt der Öffentlichkeit keine tieferen Einblicke in seine Überlegungen, die womöglich viel weniger mit Geld zu tun haben, als gemeinhin angenommen wird. Das glaubt jedenfalls Werner Mickler, der an der Hennes-Weisweiler-Akademie, wo alle Profitrainer ausgebildet werden, das Fach Psychologie lehrt.

    Wenn Trainer an Wirkungskraft verlieren
    "Das ist ein sehr, sehr anspruchsvoller Beruf, darüber muss man sich einfach klar sein. Das heißt, es geht auch an die Grenze einer Person. Sie können irgendwann auch nicht mehr. Das haben wir ja jetzt öfters gehabt, dass mancher Trainer gesagt hat: Ich nehme mir eine Auszeit weil ich einfach an mein Limit gekommen bin. Sie können trotzdem alles noch gut strukturiert haben, aber sie merken, dass sie psychisch angeschlagen sind und dass sie einfach eine Erholung brauchen."
    Mickler beobachtet, dass viele Fußball-Lehrer vom alten Ideal eines möglichst langen Verbleibs bei einem Verein abrücken. Weil ihr Beruf gerade im internationalen Spitzenfußball derart anspruchsvoll sein kann, dass man irgendwann leer und ausgelaugt ist. Guardiola hat vor drei Jahren schon beim FC Barcelona freiwillig aufgehört, um ein Jahr zu pausieren und um seine Erfolgsmannschaft neuen Einflüssen auszusetzen.
    Der emotionale Führungsstil nutzt sich schneller ab
    Jürgen Klopp hingegen hat diesen Zeitpunkt verpasst. Beim BVB war in der vorigen Saison beispielhaft zu beobachten, wie ein Trainers an Wirkungskraft verlieren kann. Bis Klopp erkannt hat, "dass Borussia Dortmund tatsächlich eine Veränderung braucht. Aber es gibt unterschiedliche Veränderungen. Wenn ich hier geblieben wäre, hätten sich unter Umständen viele, viele Dinge verändern müssen. Wenn meine Position verändert wird, können viele Dinge gleich bleiben, und der Rest wird automatisch anders." Genau das ist passiert. Nun ist Klopp weg, und unter dem neuen Trainer Thomas Tuchel spielt eine kaum veränderte Mannschaft wie verwandelt. Alleine durch einen Führungswechsel.

    Detlef Fetchenhauer, der am Kölner Institut für Wirtschafts- und Sozialpsychologe zur Arbeitsweise von Führungskräften forscht, glaubt, die Dauer einer erfolgreichen Zusammenarbeit sei stark abhängig vom "Führungsstil, den man pflegt. Viele Bundesligatrainer haben ja in einen Stil, den man in der Literatur als charismatische Führung bezeichnen würde. Mitreißend, nach vorne tragend, begeisternd, sehr emotional. Und das ist nun in der Tat ein Führungsstil, der sich sehr schwer auf Dauer durchhalten lässt."
    Alex Ferguson hielt es fast 27 Jahre bei Manchester United aus
    Die sieben Dortmunder Jahre mit Klopp sind da schon eine lange Zeit. Wenn man nun Guardiola während der Spiele des FC Bayern beobachtet, wie er permanent motiviert und dirigiert, welch eine emotionale Intensität seine Arbeit kennzeichnet, kommt man nicht an der Vermutung vorbei, dass auch seine Methoden irgendwann an Wirkung verlieren. Was ja gar nicht schlimm sein muss, findet Fetchenhauer.

    Drei gute Jahre sind ja auch viel Wert. Trainer, die deutlich länger bei ein und dem selben Klub erfolgreich sind, arbeiten hingegen meist anders. "Es gibt sowohl im Fußball als auch in der Wirtschaft ganz unterschiedliche Wege zum Erfolg. Wir haben die sehr emotionalen Charismatiker, wie Jürgen Klopp, aber es gibt immer wieder Beispiele von Trainern, die teilweise Jahrzehnte eine Mannschaft trainieren. Denken Sie nur an Alex Ferguson bei Manchester United. Ein besonnener, ruhiger gelassener Führungsstil, den kann man vielleicht sogar Jahrzehnte durchhalten."
    Trainer werden jeden Tag hinterfragt
    In Deutschland stehen Trainer wie Ottmar Hitzfeld oder Thomas Schaaf für diese Art der Führung. Guardiola weiß vermutlich, dass seiner Arbeitsweise zeitliche Grenzen gesetzt sind. Womöglich zögert er deshalb mit seiner Vertragsverlängerung. Denn gerade innovative Führungskräfte sind davon abhängig, dass die Mitarbeiter sich vorbehaltlos von neuen Ideen überzeugen lassen. Und diese Überzeugung nimmt Schaden, wenn Fehler passieren, wenn schwere Niederlagen erlitten und Ziele verpasst werden.

    Und im Fußball wird dieser Effekt verstärkt, weil zahllose Experten, Journalisten oder Fans permanent Zweifel hegen und Kritik formulieren. "Nennen Sie mir mal einen Beruf, außer vielleicht noch Politiker, wo Sie jeden Tag für das was Sie da machen hinterfragt werden. Situationen laufen auch manchmal negativ, und da brauchen sie eine unheimlich hohe Bereitschaft, gegen diese Widerstände anzugehen und das auch noch öffentlich. Und deswegen kann der Zeitfaktor auch mal limitiert sein", sagt der Sportpsychologe Mickler. Kaum ein Trainer schafft es, diesen komplexen Anforderungen jahrelang gerecht zu werden und zugleich innovativ und interessant für die Spieler zu bleiben.

    In der Bundesliga streben trotzdem die meisten Klubs nach Kontinuität, wollen zumindest in der Theorie möglichst lange mit ihrem Trainer zusammen arbeiten. Vieles deutet allerdings darauf hin, dass die meisten Trainer einem natürlichen Abnutzungsprozess ausgesetzt sind. Besonders, wenn sie wie Jürgen Klopp oder Pep Guardiola einen sehr emotionalen Stil pflegen. Vielleicht ist es also an der Zeit anzuerkennen, dass drei, vier, fünf Jahre genug sind. Um den Trainern nach einer extrem anstrengenden und intensiven Lebensphase Zeit für Erholung zu verschaffen. Und um die Fußballer nach Jahren unter dem selben Chef mit neuen Impulsen zu versorgen.