Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hatte Gauland mit den Worten zitiert, die Leute fänden den farbigen Innenverteidiger Boateng "als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben". Lohse betonte: "Wir haben ihn gefragt bei dem Thema 'Fremd sein in Deutschland und Integration', wie es denn mit Herrn Boateng zum Beispiel sei. Und dann hat er die Antwort gegeben, die er gegeben hat, und die wir veröffentlicht haben. So banal war der ganze Ablauf."
Es gebe keinen Audiomittschnitt des 1,5-stündigen Gesprächs, das sei auch nicht üblich. Aber er und sein Kollege Markus Wehner hätten beide unabhängig voneinander mitgeschrieben. Lohse sprach von einem "klassischen Informationsgespräch", wie es in der Vergangenheit auch schon mit Gauland geführt worden sei. Ab dem Moment, in dem der AfD-Politiker darum gebeten habe, nicht mehr mitzuschreiben, hätten beide auch ihre Stifte beiseite gelegt. Am Ablauf des Gesprächs sei nichts Ungewöhnliches gewesen.
Gauland hatte am Sonntag angegeben, er sei kein Fußballfan. Er habe den Verteidiger des FC Bayern München gar nicht gekannt und erst nach dem Interview erfahren, dass Boateng gebürtiger Deutscher sei. Lohse betonte allerdings, Gauland "hat einen Namen genannt, er hat eine Person genannt, es ging sehr konkret in diesem Gespräch um eine einzige Person, nämlich um das Beispiel Jérôme Boateng." Der AfD-Politiker habe auch nicht gesagt, dass er nicht wisse, wer das sei. "Als wir ihn nach Boateng fragten, war für uns erkennbar: er weiß, wer gemeint ist, und er hat ja auch geantwortet."
Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Es gibt jetzt viel Hin und Her darüber, wie es war, was Alexander Gauland über Boateng gesagt hat. Sie waren ja dabei. Wie war die Situation aus Ihrer Sicht?
Eckart Lohse: Das war ein klassisches Informationsgespräch, was mein Kollege Markus Wehner und ich geführt haben. Wir sprechen übrigens gelegentlich mit Herrn Gauland, also das war auch nicht so, dass da Leute miteinander zu tun hatten, die noch nie miteinander zu tun gehabt hätten. Er wusste, wir bereiten einen Artikel vor. Da ging es um das Fremde in Deutschland, da ging es um die AfD und den Umgang mit dem Islam, mit dem Christentum. Das Gespräch hat insgesamt anderthalb Stunden gedauert. Es war also auch nicht irgendwo so zwischen Tür und Angel einen Happen aufgeschnappt, sondern es war, ich möchte mal sagen, ein Standard-Informationsgespräch, wie wir das mit politischen Gesprächspartnern und auch gelegentlich mit Herrn Gauland führen.
"So banal war der ganze Ablauf"
Schulz: Jetzt sagt er ja, er wisse gar nicht mehr so genau, wie das war (zieht damit natürlich Ihre Darstellung auch in Zweifel). Was genau hat er denn gesagt?
Lohse: Na ja. Was er wörtlich gesagt hat zu dem hier in Rede stehenden Fall Boateng, das haben wir ja zitiert. Im Übrigen haben wir ja auch eine ganze Seite in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vollgeschrieben, wo der Gesamtkontext des Gespräches ja sehr, sehr gut deutlich wird, Herr Gauland auch häufig zitiert wird. Für alle die, die sagen, das ist irgendwie aus dem Zusammenhang gerissen, kann man sagen, das lässt sich leicht nachlesen, dass es da einen großen und sehr tiefschürfend behandelten Zusammenhang gegeben hat.
Ja, er hat gestern gesagt, er habe den Namen Boateng nicht erwähnt in dem Gespräch. Das war gestern gegen Mittag, als er eine schriftliche Erklärung verbreitet hat. Am Abend hat er dann gesagt, vielleicht sei der Name gefallen, von den Journalisten erwähnt. Heute hat er dann gesagt, es sei vielleicht kein glückliches Beispiel gewesen mit Boateng. Tatsächlich ist es so: Wir haben ihn gefragt bei dem Thema "Fremd sein in Deutschland und Integration", wie es denn mit Herrn Boateng zum Beispiel sei, und dann hat er die Antwort gegeben, die er gegeben hat und die wir veröffentlicht haben. So banal war der ganze Ablauf.
Schulz: Haben Sie denn Belege? Es ist immer wieder von Aufzeichnungen die Rede. Aber Audiomaterial, eine Aufnahme gibt es nicht?
Lohse: Nein, es gibt kein Audiomaterial. Das ist ja bei solchen Gesprächen ganz unüblich. Übrigens meistens wollen das auch die Gesprächspartner gar nicht, dass das mitgeschnitten wird. Die meisten sprechen etwas freier. Aber wir hatten beide unabhängig voneinander sehr gut deutlich in dem gut beleuchteten Raum, wo wir gesessen haben, unsere Blöcke dabei. Wir haben also notiert und wir haben übrigens auch aufgehört mit unseren Notizen in dem Moment, wo Herr Gauland gesagt hat, was er jetzt sage, das sei nicht mehr zum Schreiben. Daraufhin haben wir unsere Stifte hingelegt und haben auch aus diesem Teil des Gesprächs kein Wort veröffentlicht. Auch das ein Ablauf, der Ablauf eines Gespräches, wie es Printjournalisten fast täglich haben und führen. Da war nichts Ungewöhnliches daran.
"Er hat einen Namen genannt"
Schulz: Gestern hat Alexander Gauland ja der ARD gesagt, Sie haben es eben auch schon zitiert, er wisse gar nicht mehr, ob er den Namen Boateng gesagt habe, aber er habe jedenfalls klar machen wollen, dass viele Menschen es nicht ideal finden, Fremde in der Nachbarschaft zu haben. Das war der Wortlaut, den dann gestern die ARD ausgestrahlt hat. Welchen Unterschied macht das in der Substanz eigentlich, dieses Arbeiten mit dem Begriff des Fremden? Wer ist da in dem Zusammenhang fremd in meiner Nachbarschaft, der den ich nicht duze, oder der, der eine dunkle Hautfarbe hat, oder der, der raucht, wenn ich Nichtraucher bin?
Lohse: Na ja. Der Kontext, in dem wir gesprochen haben, war ja nicht Raucher oder Nichtraucher, sondern es ging ja schon sehr klar um Leute, die in Deutschland fremd sind oder auch nicht fremd sind. Er hat auch nicht gesagt, Leute, die in der Nachbarschaft leben, die fremd sind, sondern er hat einen Namen genannt, er hat eine Person genannt. Es ging sehr konkret in diesem Gespräch um eine einzige Person, nämlich um das Beispiel Jérôme Boateng. Und Herr Gauland hat auch nicht gesagt, ich weiß nicht, wer das ist, oder erklären Sie mal, wer das ist. Er tut ja so, weil er kein Fußballkenner ist, hätte er den gar nicht gekannt. Nein, nein, als wir ihn nach Boateng fragten, war für uns erkennbar, er weiß, wer gemeint ist. Und er hat ja auch geantwortet und ich finde, es macht einen großen Unterschied, ob ich von einer Menschengruppe spreche, oder ob ich von einem einzelnen Menschen spreche, hier einem ganz konkreten Menschen wie von Herrn Boateng.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.