Der junge Imam Ahmad Popal steht auf dem Münchner Marienplatz. Im Hintergrund hört man die Glocken der Münchner Innenstadt-Kirchen. In einer von ihnen, der St.Michaels-Kirche, hat Imam Popal neulich das muslimische Freitagsgebet gehalten. Auf Einladung der Jesuiten.
"Wir hatten das große, große Glück, dass die St.Michaels-Kirche uns unterstützt hat. Brüderlich im Sinne der abrahamitischen Religionen."
In einer christlichen Kirche zu beten, so der Muslim, sei durch ein Urteil des zweiten Kalifen legitimiert.
"Islamrechtlich haben wir überhaupt keine Schwierigkeiten, in einer Kirche zu beten. Im Gegenteil: es ist überwältigend, in einer Kirche zu beten, die so groß und gewaltig ist, mit diesen wunderschönen Bildern. Ich würde mir wünschen, da würde ein Bild von Michelangelo hängen, ein Bild von Caravaggio. Es war inspirierend und sehr spirituell für mich."
Ursprünglich hatte Popal geplant, öffentlich auf dem Marienplatz zu beten. Mit mehreren hundert Glaubensbrüdern. Von diesem Plan nahm er jedoch Abstand, nachdem ihm viele davon abrieten – auch Muslime. "Es sollte keine Provokation sein. Es sollte einfach nur aufmerksam machen auf die Not, die wir Muslime hier in München haben. Das Freitagsgebet ist fundamental, ein Fundament unserer Religion, dass wir das verrichten können, transparent, auf deutscher Sprache."
"Wir fühlen uns wie Gebets-Beduinen"
Vor einigen Wochen hat die letzte Moschee in der Münchner Innenstadt ihre Pforten geschlossen. Aus Brandschutz-Gründen. Der Andrang war zu groß, weil neben den alteingesessenen Muslimen inzwischen Tausende Flüchtlinge in die Gebetsräume drängen. Seitdem, sagt Erkan Inan vom Münchner Forum für Islam, fühlten sich die hiesigen Gläubigen "irgendwie als Gebets-Beduinen. Weil: wir können nichts dafür, dass diese Räumlichkeiten geschlossen wurden. Meine Kinder können auch nichts dafür. Und trotzdem müssen wir es jetzt irgendwie ausbaden."
Er sei dankbar, so Inan, dass viele Münchner spontan geholfen hätten. Die Kammerspiele stellten vorübergehend einen Gebetsraum zur Verfügung, und auch der jüdische CSU-Stadtrat Marian Offman sagte Unterstützung zu. Aber einen neuen Gebetsraum haben die Münchner Muslime bisher nicht gefunden. Aus verschiedenen Gründen:
"Ich glaube, ein gemeinsames Problem haben alle Münchner – das sind die Mietpreise. Und wenn man kaufen möchte, die Quadratmeterpreise. Das sind immense Preise. Wenn man bedenkt, dass all das, was wir tun, was die Moscheen tun, ehrenamtlich ist und zum Teil von Spenden lebt, dann ist das halt sowieso schon schwer zu stemmen", sagt Erkan Inan.
Am Geld ist auch das ehrgeizige Moschee-Projekt eines Münchner Islam-Zentrums gescheitert, das der oberbayerische Imam Benjamin Idriz in der Innenstadt errichten wollte. Dass ausgerechnet der umstrittene Emir von Katar die fehlenden Millionen zuschießen sollte, kam bei der Stadt München nicht gut an. Das Projekt liegt auf Eis. Für Achim Waseem Seger, einen Münchner Musiker und Muslim, täte es stattdessen schon ein schmuckloser Raum:
"Für mich muss es gar nicht unbedingt ein riesengroßes Millionen-Projekt sein. So lange jeder Platz hat zum Beten, würde mir das reichen."
Waseem sieht sich selbst nicht als strenggläubigen Muslim. Zwar sei ihm das gemeinsame Beten zur Freitagspredigt wichtig, weil es die Gemeinschaft der Gläubigen stärke. Aber zu strenge Konventionen schrecken den Künstler und Freigeist eher ab.
Er sagt: "Also ich versuche, so oft wie möglich zu beten. Bete aber meistens nicht die fünf Gebete zum richtigen Zeitpunkt. Ich bin da ein Mischling zwischen sehr liberal zu beten, wann es mir gerade passt. Ich mach‘ das nicht immer zu einem gewissen Minutenschlag. Und ich glaube auch, dass ganz viele Handlungen als Gebete zu sehen sind. Wenn man jemandem ein Lächeln schenkt, ist das auch ein Gebet."
Das Bayerische verbindet
Ein Teil des Problems der Münchner Muslime ist, dass sie keine einheitliche Gemeinde bilden, sondern sehr zersplittert sind. Es gibt viele Glaubensrichtungen, noch mehr Nationalitäten, aber wenig Koordination. Erkan Inan hofft, dass zumindest die liberalen, deutschsprachigen Muslime an einem Strang ziehen.
"Der Achmed ist Afghane, der Waseem ist halb Ägypter, halb Deutscher. Ich bin Türke. Und in unserer Initiative gibt es ganz verschiedene Nationalitäten. Tunesier. Marokko. Deutsche. Das, was uns verbindet, ist die Sprache."
Damit meint Inan nicht Arabisch, sondern deutsch. Bayerisch gar. Denn er und seine Mitstreiter sehen sich als waschechte Münchner Muslime. Seine Bitte gilt den Mitbürgern der Stadt:
"Jeder, der diesen Beitrag hört und kennt Räumlichkeiten in der Stadt, der kann sagen: ja hallo, hier gibt es einen Raum, warum bieten wir Ihnen diesen Raum nicht von Freitag zu Freitag diesen Raum für eine Stunde an? Das wäre schon mal was. Ich glaube, jeder kann etwas tun."
Wer auch immer sich angesprochen fühlt – Erkan Inan und seine Glaubensbrüder versprechen, ihn oder sie ins nächste Freitagsgebet einzuschließen.