Die rund hundert überwiegend syrischen Flüchtlinge, darunter viele Frauen mit ihren Kindern, protestieren seit Tagen auf dem Athener Syntagma-Platz. Sie haben Zelte aufgebaut. Auf einem großen schwarzen Transparent steht: "Hungerstreik! Vereint unsere Familien jetzt!" Die Protestierenden gehören nach eigenen Angaben zu einer Gruppe von mehr als 4.000 Geflüchteten aus verschiedenen Camps landesweit. Die Gruppe fordert einen schnelleren Familiennachzug. Vierzehn von ihnen, sieben Frauen und sieben Männer, verweigern die Nahrungsaufnahme.
Angst vor dem Fristablauf
Unter den Streikenden ist auch die Syrerin Fidan Bilal. Die dreifache Mutter befindet sich seit fast zwei Jahren in Griechenland, während ihr Mann in Deutschland auf sie und ihre Töchter wartet. Den Bescheid, dass sie im Rahmen des Familiennachzugs zu ihrem Mann nach Deutschland reisen darf, hat die 40-jährige Frau schon lange in der Tasche. Aber ausreisen konnte sie noch nicht: "Wir alle warten viel länger als die Frist vorsieht. Ich habe schon vor neun Monaten die Bewilligung bekommen und warte immer noch. Dabei wollen wir doch nur eins: Dass unsere Familien wieder vereint sind."
Tatsächlich sieht die Dublin-Verordnung eine Sechsmonatsfrist vor, in der die Angehörigen nach Bewilligung des Familiennachzugs ausreisen sollten. Doch gerade mit Deutschland soll es im Frühjahr dieses Jahres eine Vereinbarung gegeben haben, den Nachzug zu verlangsamen. In einem Brief des griechischen Migrationsministers Ioannis Mouzalas an den deutschen Innenminister Thomas de Maizière vom Mai dieses Jahres steht: "Überstellungen im Rahmen der Familienzusammenführungen werden - wie vereinbart - zurückgefahren." Den Brief hatte eine griechische Zeitung veröffentlicht.
Zuwanderungsbegrenzung durch die Hintertür?
Die Pressestelle des Bundesinnenministeriums erklärte auf unsere Nachfrage, bei dieser Vereinbarung ginge es nicht darum, den Familiennachzug zahlenmäßig zu begrenzen. Vielmehr solle die Vereinbarung die Überstellungen besser koordinieren, auch weil die Betreuungs- und Unterbringungsmöglichkeiten in Deutschland teilweise begrenzt seien. Die Zahlen aber würden schon eine Art Deckelung unterstellen, sagt Salinia Stroux von "Refugee Support Aegean", einer Partnerorganisation von Pro Asyl.
"Tatsächlich wurden über Monate nur rund hundert Personen überstellt. Nach den Wahlen in Deutschland, sind die Zahlen etwas gestiegen, es werden nun rund dreihundert Personen überstellt. Wenn man aber bedenkt, dass mehr als 4.500 Personen die Bewilligung schon haben, dauert es noch viele Monate bis die Menschen ankommen."
"Das ist ganz klare Abschreckungspolitik"
Laut der griechischen Asylbehörde behalten die Geflüchteten zwar auch nach Ablauf der Fristen ihren Anspruch auf Familiennachzug. Doch dass es so lange dauern muss, ist für Menschenrechtsaktivistin Stroux nicht nur mit mangelnden Unterbringungsmöglichkeiten zu erklären.
"Das ist ganz klare Abschreckungspolitik. Es soll ein Zeichen setzen und sagen, auch wenn ihr schon in der EU seid und das Gesetz das vorsieht, wird es nicht leicht, zu eurer Familie zu kommen. De facto gibt es keinen Grund, warum die Familien hier in Containern warten müssen und der einzige Kontakt zu ihrem Kind in Deutschland ist über Skype."
Das wollen sich die Geflüchteten auf dem Syntagma-Platz nicht länger gefallen lassen. Sie wollen mit dem Hungerstreik so lange weiter machen, bis ihre Forderungen erhört werden und sie zu ihren Angehörigen reisen dürfen.