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Gegen Störerhaftung
Der Kampf für freies WLAN

Freifunker wollen die sogenannte Störerhaftung für ihr freies WLAN kippen. Bislang wird der Besitzer eines Zugangs etwa für Urheberrechte verantwortlich gemacht - auch wenn er sie gar nicht begangen hat. Den Freifunkern geht es aber nicht darum, Rechtsverstöße zu legalisieren.

Von Jan Rähm |
    Eine Lampe leuchtet am Mittwoch (12.05.2010) an einem WLAN-Router.
    Als Störerhaftung bezeichnen Juristen den Umstand, dass der Besitzer einer Sache für alle Störungen verantwortlich ist, die von dieser Sache ausgehen. (picture alliance / dpa)
    Da geht es natürlich weniger um technische Überlegungen, sondern vielmehr um rechtliche. Die Freifunker haben den sprichwörtlichen Spieß umgedreht, erklärt die Berliner Rechtsanwältin Beata Hubrig, die die Freifunker in den aktuellen Verfahren vertritt:
    "Dann kristallisierte sich das im Winter heraus, dass es die beste Möglichkeit ist, feststellen zu lassen, dass die Abmahnungen, die abgesandt werden, eben rechtswidrig sind. Das heißt, wir wollen vor Gericht feststellen lassen, dass sie nicht abmahnen durften, weil es um die Frage geht: Wie frei darf ich kommunizieren? Wie frei darf ich mir Informationen geben? Wie frei darf ich über mein Eigentum entscheiden? Auf der anderen Seite von den Rechteinhabern sind auch Verfassungsrechte. Das heißt, man muss da sozusagen einen Kompromiss finden. Und das findet man selten vor Amtsgerichten, Landesgerichten, sondern das macht man dann höhergerichtlich."
    So wollen die Freifunker die sogenannte Störerhaftung für ihr freies WLAN kippen. Als Störerhaftung bezeichnen Juristen den Umstand, dass der Besitzer einer Sache für alle Störungen verantwortlich ist, die von dieser Sache ausgehen. Dieses schon alte Rechtskonzept wurde unverändert auch für Internetzugänge adaptiert. Wird über den Zugang ein Schaden erzeugt, haftet der Anschlussinhaber. Somit haben Juristen in der Störerhaftung ein Vehikel gesehen, Verstöße im digitalen Raum zu ahnden, wenn der eigentliche Schuldige nicht ermitteln wurde. Der Rechtsprofessor Boris Paal von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hält die Störerhaftung allerdings im Zusammenhang mit Internetzugängen für unangebracht:
    "Es ist eine Krücke und ich denke, man muss sich fragen: Wollen wir eine offene Medien- und Informationsgesellschaft, weil wir möglichst freien Zugang zu Informationen haben? Und wenn wir das mit ja beantworten, dann denke ich, sollten wir nicht diejenigen in Anspruch nehmen, die den Zugang nur eröffnen und neutral sind, sondern diejenigen, die tatsächlich die Rechtsverletzungen begehen."
    Keine Privilegierung bei Störerhaftung
    Boris Paal weiß, dass die Strafverfolgung in der digitalen Welt komplex ist. Er lässt das allerdings nicht als Begründung gelten, die Störerhaftung beizubehalten. Vor allem auch deshalb, weil immer noch Unsicherheit besteht. So hält beispielsweise das Telemediengesetz eine Ausnahme bereit: das Providerprivileg. Das besagt, dass ein neutraler Zugangsanbieter nicht haftet. Nur sieht das der Bundesgerichtshof, der BGH, nicht immer so.
    "Aus der Rechtsprechung des BGH ergibt sich ganz klar und eindeutig, dass er keine Privilegierung bei Störerhaftung vorsieht. Das heißt, der Betreiber von offenen WLAN-Netzwerken - sei er nun klein oder groß - sieht sich der Gefahr der Störerhaftung ausgesetzt und wenn wir sagen, wir haben Störerhaftung, dann stellt sich die Frage, welche Prüfungs- und Überwachungspflichten bestehen. Also Frage Verschlüsselung, Belehrung, Identifizierbarkeit von Personen. Nach meinem Dafürhalten sollte bereits jetzt die Privilegierung eingreifen und damit haben wir bereits keine Störerhaftung."
    Der Rechtsgelehrte betont, ihm gehe es nicht darum, Rechtsverstöße zu legalisieren. Deshalb will er auch nicht am Urheberrecht rütteln, dass in der Netzwelt durchaus umstritten ist:
    "Urheberrechtsverletzungen sollen und bleiben rechtswidrig. Deswegen, es geht ja um die Frage, wen kann ich in Anspruch nehmen. Und hier denjenigen in Anspruch zu nehmen, der nur den Zugang eröffnet hat, wenn er das nicht rechtsmissbräuchlich tut, wenn er dies nicht mit der Absicht tut, Rechtsverletzungen herbeizuführen, das halte ich für den grundsätzlich falschen Ansatz."
    Am Ende plädiert Boris Paal für eine Neuregelung. Wie bisher könne es nicht weitergehen:
    "Die Juristen würden sagen: 'Bad cases make bad law.' Wir sehen, dass wir nicht herankommen an den eigentlichen Rechtsverletzer und nehmen dann dafür jemanden in Anspruch oder in Haftung, der leichter greifbar ist. Das halte ich grundsätzlich für den falschen Weg. Das ist ein praktikabler Weg. Aber ich denke, wir brauchen andere Lösungen für dieses Problem."