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Gegenwind: Was bremst die Energiewende (2/6)
Bremsklotz energetische Gebäudesanierung

18 Millionen Wohngebäude in Deutschland sollen bis 2050 annähernd "klimaneutral" sein, also so gut wie kein CO2 mehr produzieren. Experten glauben allerdings nicht, dass der Zeitplan eingehalten werden kann. Der Grund: Noch immer wird in Deutschland zu wenig energetisch saniert.

Von Volker Mrasek |
    Ein Mann trägt vor dem Rohbau eines mehrstöckigen Hauses eine Wärmedämmplatte unter dem Arm.
    Die Möglichkeiten wären da, dennoch werden in Deutschland noch zu wenig Passivhäuser gebaut. (dpa/picture alliance/Carmen Jaspersen)
    "Wir sind jetzt im vierten Stock. Hier haben wir eine Musterwohnung. Die zeige ich Ihnen jetzt gerade mal. In dem Wohnzimmer gibt es keine Heizkörper. Das ist das Erste, was Sie vielleicht gleich feststellen."
    So etwas würde man sich für viele deutsche Wohngebäude wünschen.
    "Im Keller finden wir die Zentraleinrichtung für Lüftung und Heizung. - Das ist das Geräusch der Lüftungsventilatoren, die einfach die Frischluft in die Wohnungen pumpen. Eine eigentliche Heizungsanlage ist nicht mehr notwendig."
    Wohnungen werden noch auf lange Sicht Heizungen haben
    Doch die Mehrzahl aller Häuser wird immer noch mit Öl oder Erdgas beheizt und ist nicht vernünftig wärmegedämmt. Das verursacht unnötige CO2-Emissionen. Der Physiker Nikolaus Diefenbach vom Darmstädter Institut für Wohnen und Umwelt:
    "Das Gros der Gebäude, grob gesprochen zwei Drittel, wurde noch vor der ersten Wärmeschutzverordnung gebaut, also bis 1980 in Deutschland. Und das heißt also: Der Gebäudebestand, auch die später gebauten Gebäude, die auch noch nicht so energieeffizient waren, spielen die entscheidende Rolle.
    Ein Gros des heutigen Bestandes wird auch im Jahr 2050 noch stehen und wird auch da unseren Energieverbrauch noch dominieren."
    Das ist ein Problem! Denn die mehr als 18 Millionen Wohngebäude in Deutschland sollen eigentlich im Jahr 2050 annähernd "klimaneutral" sein, also so gut wie kein CO2 mehr produzieren. Das ist das erklärte Ziel der Bundesregierung.
    "Wir wühlen jetzt die Pellets durcheinander. Wobei das eigentlich gar nicht nötig ist. Die Pellets sind so, wie sie sind, fließfähig."
    Zweifel an der Umsetzbarkeit
    Häuser und Wohnungen dürfen dann nicht mehr mit Öl oder Erdgas geheizt werden, sondern zum Beispiel mit Biomasse in Form von Holz-Pellets. Oder man installiert elektrische Wärmepumpen. Gleichzeitig muss der ganze Gebäudebestand wärmegedämmt sein, um nicht unnötig Heizenergie zu vergeuden.
    "Sie müssen in jedem Jahr im Grunde mindestens eine Million Wohnungen energetisch sanieren, damit Sie das Kriterium der Klimaneutralität annähernd erfüllen."
    Hans-Joachim Ziesing, lange Jahre Leiter der Abteilung für Energie und Umwelt im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

    "Da kommen bei mir Zweifel, ob dies gelingen wird."

    Das liegt daran, dass die energetische Sanierung bisher zu langsam läuft, wie auch Nikolaus Diefenbach sagt:

    "Beim Wärmeschutz ist es so, dass etwa ein Prozent der Bauteilfläche - ob es jetzt Wände, Dächer, Fenster sind - im Jahr erneuert werden. Aber das ist eben leider nicht ausreichend. Wir müssen hier ungefähr die Anzahl verdoppeln."
    "Wir müssen hier zu besseren Systemen kommen"
    Deutlich höher ist die Erneuerungsrate bei den Gebäudeheizungen. Doch oft hilft das dem Klimaschutz gar nicht:

    "Da haben wir Raten von etwa drei Prozent pro Jahr. Nur ist es so, dass halt bei dem Einbau neuer Heizsysteme bisher weiterhin in der Regel einfach Erdgaskessel oder Ölkessel eingebaut werden.
    Vielleicht ergänzt um Solaranlagen, die dann im Sommer das warme Wasser machen. Aber das allein wird nicht reichen! Wir müssen hier zu besseren Systemen kommen."

    "Hier werden gerade Fertigteil-Elemente, also Tafelbauweise ist das hier dieses Gebäude, vom Kran entladen. Also, es werden über 300 Gebäude. Die größte Null-Emissionssiedlung in Europa."
    Auch im Neubaubereich könnte mehr geschehen. Zwar werde die Energie-Einsparverordnung immer wieder verschärft, sagt Zeno Bastian, Architekt im Passivhaus-Institut in Darmstadt. Aber:
    "Die aktuelle Verordnung ist immer noch ein ganzes Stück von Passivhäusern entfernt."
    Dabei kann man solche Häuser schon seit gut 20 Jahren bauen. Sie brauchen nur noch 1,5 Liter pro Quadratmeter und Jahr, wenn man es in Heizöl umrechnete - durch optimale Wärmedämmung und intelligente Lüftungssysteme, die zugleich heizen. Da ist ein Wohngebäude nach dem gesetzlichen Standard viel ineffizienter:
    "Man kann ganz grob sagen, dass es vom Heizwärmebedarf noch ungefähr drei- bis viermal so viel wie beim Passivhaus ist. Also, der Passivhaus-Standard ist inzwischen wirklich ausgereift.
    Er ist wirtschaftlich. Es gibt eigentlich aus dieser Warte keinen Grund, weshalb nicht nur noch im Passivhaus-Standard gebaut werden sollte beziehungsweise in einem vergleichbar effizienten Standard."
    Deutschlands Wohngebäude sind also energetisch noch nicht auf Kurs. Das müsse sich in den nächsten zehn Jahren ändern, sagt Nikolaus Diefenbach:

    "Es sind Maßnahmen im Bereich der ökonomischen Rahmenbedingungen gefragt. Also Energie teurer machen und gleichzeitig die Förderung erhöhen."
    Vorschläge, die keine Begeisterung auslösen
    Den Preis für Öl und Gas vorübergehend etwas erhöhen, und das bringt zusätzliche Milliarden für die energetische Gebäudeertüchtigung. Solche Vorschläge gibt es - in Studien, die auch Politikern vorliegen. Nur lösen sie keine Begeisterung aus. Denn Verbraucher werden so zusätzlich belastet. Womöglich ist das aber die einzige Lösung:

    "Ohne eine verstärkte Nutzung solcher Instrumente im Gebäudebereich wird es nicht gehen. Ich sehe keine andere realistische Möglichkeit, die Klimaschutzziele zu erreichen."