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Gegenwind: Was die Energiewende bremst (5/6)
Individualverkehr "ein trostloses Kapitel"

SUVs, PS-starke Geschäftswagen, dicke Limousinen - zur miesen Klimabilanz trägt in Deutschland vor allem der Individualverkehr bei. Ein von der Bundesregierung eingesetzter Experte zur Energiewende fragt sich: "Wozu gibt es eigentlich ein Verkehrsministerium?"

Von Volker Mrasek |
    Zahlreiche Porsche Cayenne in einem Porsche-Werk in Leipzig
    The bigger, the better: Große SUVs vor der Auslieferung am Werk. Die Deutschen liebe große Limousinen, die Status zaubern. Klimaschutz scheint Nebensache. (Jan Woitas/dpa)
    Fahrzeugingenieur: "Wir gehen jetzt zum Fahrzeugprüfstand."
    Eine Tür geht auf, im Hintergrund hört man Geräusche aus einem Motorenlabor.
    "Es sind die letzten Checks vor einem Emissionstest."
    "Wächter der Energiewende" ist verzweifelt
    Joachim Ziesing, Mitglied der Gutachterkommission zum Energiewende-Monitoringbericht der Bundesregierung, Berlin:
    "Sprechen Sie Verkehr nicht an!"
    Fahrzeugtechniker: "Ich fahre jetzt noch die Klimaanlage hoch."
    Ziesing: "Es ist ein derart trostloses Kapitel."
    Ein Gebläse geht an.
    Fahrzeugingenieur: "Der Test, den wir jetzt fahren, ...das ist ein sogenannter Real-World-Zyklus - so wie man tatsächlich fährt."
    Ziesing: "Es ist ein derart trostloses Kapitel, dass man wirklich nur noch verzweifeln und sich fragen kann: Wozu gibt es eigentlich ein Verkehrsministerium?"
    Verkehr "der eindeutig schlechteste Sektor"
    Man könnte Hans-Joachim Ziesing als Wächter der Energiewende bezeichnen. Er ist Mitglied einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission, die prüft, ob dabei alles nach Plan läuft. Bei den CO2-Emissionen im Verkehr ist das nicht so:
    "Das ist der, das muss man schon sagen, der eindeutig schlechteste Sektor, wenn man das misst am Grad der Zielverfehlung."
    Nach dem Energiekonzept der Bundesregierung soll der Individualverkehr im Jahr 2020 ein Zehntel weniger CO2 ausstoßen als 2005. Doch:
    "Statt einem Minus von zehn Prozent werden wir ein Plus haben, möglicherweise auch in einer Größenordnung von fünf bis zehn Prozent."
    Tankwart: "So, der Tank ist leer. Den müssen wir jetzt erst mal befüllen."
    Blanck: "Was man in den letzten ein, zwei Jahren gesehen hat, ist ein weiterer Anstieg der Fahrleistungen sowohl bei Pkw als auch bei leichten Nutzfahrzeugen."
    Billiges Öl, konstante Steuern, mehr Verkehr, dicke SUVs
    Die Mobilitätsexpertin Ruth Blanck aus dem Berliner Büro des Öko-Instituts:
    "Wir hatten einen fallenden Rohölpreis in den letzten Jahren, die Steuern sind nominal konstant geblieben. Und dann wird auch mehr gefahren."
    Tankwart: "So, der Tank ist voll. Das war's! Jetzt können wir losfahren."
    Fataler noch ein anderer Trend, der ganz offensichtlich ist. Im Straßenbild, aber auch in der Statistik des Kraftfahrtbundesamtes: Jedes fünfte neuzugelassene Auto in Deutschland ist inzwischen ein Geländewagen oder SUV - von den anderen PS-strotzenden Limousinen ganz zu schweigen.
    "Autos, die viel zu viel Kraftstoff brauchen"
    Der Vize-Präsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie, Manfred Fischedick, bringt es auf den Punkt:
    "Wir fahren immer noch mit Autos 'rum, die viel zu viel Kraftstoff brauchen für die Mobilitätsdienstleistung, die sie am Ende des Tages vollbringen. Nämlich durchschnittlich schwere Menschen von A nach B zu bringen."
    Fahrer: "Anschnallen, bitte!"
    Effekte von Motoren-Effizienz und Biokraftstoff verpuffen
    Da hilft es auch nicht viel, dass der Kraftstoff heute geringe Anteile von Biodiesel und Bioethanol enthält. Oder dass Automotoren mit der Zeit effizienter geworden sind. All das verpufft, wie Ruth Blanck bedauert. Und die Politik zeigt bisher keinen Willen, das Steuer herumzureißen. Weil deutsche Konzerne vor allem eines gut verkaufen: Große, PS-starke Fahrzeuge:

    Blanck: "Das beste Beispiel dafür ist die Dienstwagenbesteuerung, die ja dazu führt, dass es in Deutschland einen sehr hohen Anteil von gewerblichen Neuzulassungen gibt, die auch hochmotorisiert sind, und wo die Leute, die halt über einen Dienstwagen verfügen, dann sehr häufig damit kostenlos fahren können, auch privat. Das ist wie so 'ne Flatrate, Flatrate fahren. Ein großes Hemmnis für die Erreichung der Klimaschutzziele."
    Ziele für die Verkehrswende! Da gibt es noch ein Weiteres. Die Bundesregierung hat es erst letztes Jahr festgelegt:
    Blanck: "Genau! Im Klimaschutzplan wurde das Ziel beschlossen, die Treibhausgas-Emissionen des Verkehrs um 40 bis 42 Prozent bis zum Jahr 2030 zu reduzieren gegenüber dem Referenzjahr 1990." "Na ja, heute sind wir eher bei plus ein bis zwei Prozent."
    "Wir brauchen unbedingt Elektromobilität"
    Um so größer ist nun die Herausforderung! Und umso schneller müsse man jetzt Autos mit Elektromotoren auf die Straße bringen, betont Florian Hacker, auch er Verkehrsexperte im Öko-Institut:
    "Wir brauchen unbedingt Elektromobilität, um Fahrzeuge, Pkw, zukünftig mit erneuerbaren Energien betreiben zu können. Das ist der energieeffizienteste Weg."
    Nach den Berechnungen des Öko-Instituts haben E-Mobile schon heute eine günstigere CO2-Bilanz als vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Und sie wird noch besser werden, da der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix ja weiter steigt. Es gibt aber erst 70.000 zugelassene E-Mobile und Hybrid-Modelle in Deutschland. Dabei hat die Bundesregierung einmal von einer Million Fahrzeuge im Jahr 2020 gesprochen:
    Hacker: "In dem Fall kann man sagen: Ja, es gibt die Hausnummer, aber keiner misst sich dran. Also im Sinne von: Wir überlegen uns Maßnahmen, wie kommen wir dahin?"
    "Interessenverbände finden sehr starkes Gehör"
    So kann es nicht klappen mit dem Fahrplan zur Dekarbonisierung des Verkehrs, grämen sich die Forscher des Öko-Instituts:
    Hacker: "Gerade auf bundespolitischer Ebene ist auch ein großes Problem, dass die entsprechenden Interessensverbände sehr starkes Gehör finden."
    Blanck: "Die Politik sollte mehr Politik tatsächlich im Interesse der Bürger machen als im Interesse von bestimmten Industrien, die jetzt halt noch sehr viel Macht haben, also die Automobilindustrie."
    Wie groß ihr Einfluss ist, zeigte sich erst heute wieder, als die EU-Kommission ihre Pläne für schärfere Abgasregelungen vorstellte. Bis zum Jahr 2030 sollen Neuwagen demnach im Schnitt 30 Prozent weniger CO2 ausstoßen, eine Quote für E-Mobile wurde fallengelassen. Umweltverbände kritisierten den Vorschlag umgehend als unzureichend. Er sei durch die Lobbyarbeit der Autoindustrie abgeschwächt worden.
    Die Ampeln für eine ernsthafte Verkehrswende stehen also immer noch nicht auf Grün.