Archiv


Geistliche Geschichten von Giacomo Carissimi

2005 jährt sich der Geburtstag Giacomo Carissimis zum 400. Mal, aber es gibt kaum Veröffentlichungen, die sich diesem Jubiläum widmen. Vielleicht liegt es daran, dass das Werk dieses römischen Komponisten auch unter Liebhabern der Alten Musik noch immer eine Art Schattendasein fristet. Eine Produktion des Ensembles Les Paladins unter der Leitung von Jérome Correas hat sich jetzt den "Geistlichen Geschichten" von Carissimi gewidmet.

Von Christiane Lehnigk |
    Wir stellen Ihnen heute geistliche Werke von Giacomo Carissimi vor, mit dem Ensemble Les Paladins unter der Leitung von Jérome Correas. Erschienen ist diese CD beim Schweizer Label Pan Classics unter dem Titel "Histoires Sacrées".

    " Musikbeispiel: Giacomo Carissimi - Anfang aus: Judicium Salomonis"

    Dies war der Beginn der lateinischen "Historia Judicium Salomonis - Das Urteil des Salomo" von Giacomo Carissimi mit dem Kontratenor Jean-François Lombard als Historicus.

    2005 jährt sich der Geburtstag Giacomo Carissimis zum 400. Mal, aber es gibt kaum Veröffentlichungen, die sich diesem Jubiläum widmen. Vielleicht liegt es daran, dass das Werk des römischen Komponisten auch in der Alten-Musik-Szene noch immer eine Art Schattendasein fristet, oder zumindest die bekannteren Werke schon alle aufgenommen sind.

    Und das Oeuvre Carissimis war immer schon eher Gegenstand der Wissenschaftler denn der Musiker. Eine gelungene Aufnahme ist die mit Ersteinspielungen lateinischer Oratorien unter der Leitung von Roland Wilson, die Anfang des Jahres erschien. Die vorliegende Produktion mit dem Ensemble Les Paladins unter der Leitung von Jérome Correas hat sich jetzt den Geistlichen Geschichten gewidmet, eine Umschreibung für die hauptsächlich lateinischen Werke Carissimis, die sich nicht immer ganz genau einem Genre zuordnen lassen, und sowohl im Bereich des Oratoriums, der Motette, der Historia Sacra oder des Dialogo angesiedelt sind.

    Da die Quellenlage allerdings im Falle Carissimis sehr schlecht ist, befinden sich auf dieser CD auch Werke, die ihm nicht ganz zweifelsfrei zugeordnet werden können, so neben Job und Cain auch das Oratorio della Santissima Vergine mit einem italienischen Text. In dieser lebendigen Interpretation wird einmal mehr deutlich, wie es die Kirche in der Fasten-, also Opernlosen Zeit vermochte, theatralisch-dramatische Musik entstehen zu lassen. Carissimi war die meiste Zeit seines Lebens am jesuitischen Collegium Germanicum et Hungaricum tätig, er lebte dort von seinem 23. Lebensjahr an bis zu seinem Tode 1674. Als Maestro di Capella an San Apollinare war er für die repräsentative Musik erbaulichen Charakters für die die Künste und Bühnenspiele liebenden Jesuiten zuständig.

    " Musikbeispiel: Giacomo Carissimi - Schluss aus: Oratorio dell Santissima Vergine"

    Trotz seines abgeschiedenen, bescheidenen Lebens war Carissimi schon zu Lebzeiten ein international bekannter Komponist und er gilt als der Wegbereiter des Oratoriums, in dem er die gleichen musikalischen Strukturen verwendete, wie sie sich auch in der Oper etablierten.

    Nur der Chor erhielt, orientiert an der griechischen Tragödie, eine größere Bedeutung und ein Erzähler, der historicus, kam hinzu. Ein besonders beeindruckendes, ergreifendes Beispiel dafür ist der Schlusschor von Jephte, der bewundert und imitiert wurde und eine Vorlage für Trauerchöre von Charpentier wie später von Händel darstellte. Besondere Bedeutung kam auch der Ausarbeitung des Rezitatives zu. Der "stile recitativo" verstärkte den theaterhaften Charakter der erbaulichen Stücke und verhalf Carissimi zu dem Ruf, "ein musikalischer Redner" zu sein.

    Die Stoffe beziehen sich auf bestimmte Geschehnisse aus dem Alten Testament oder auf Gleichnisse aus dem Neuen Testament wie auch auf Themen wie das Jüngste Gericht. Dabei liegt zumeist der originale Text der Vulgata zugrunde, der aber auch dramatisiert und "rhetorisiert" und mit neu gedichteten metrischen Einschüben versehen wurde. Das umfangreiche Werk Carissimis umfasst nahezu ausschließlich geistliche Musik mit lateinischem Text sowie italienische Kantaten. Dabei hat er zu Lebzeiten nie etwas veröffentlicht und nach seinem Tode verbot die Kongregation der Jesuiten bei Androhung der Exkommunikation die Veräußerung seiner Werke. Dies hatte jedoch zur Folge, dass, als das Kolleg durch die Napoleonischen Truppen aufgelöst wurde und nach dem "Sacco di Roma" auch die Schriften und Noten zerstört wurden.

    Daher gibt es wenige offizielle Zeugnisse über Carissimis Leben und seine Arbeit bei den Jesuiten und seine Werke sind nur durch die Abschriften seiner Schüler erhalten geblieben und fanden vor allem in Frankreich und England weitere Verbreitung, wobei auch eine Menge an Imitationen und Plagiaten im Umlauf waren.

    Zu den ausdrucksvollsten und vielfältigsten oratorischen Kompositionen des 17. Jahrhunderts gehört Carissimis oratorio Jephte, das um 1650 entstand . Es behandelt das unglückliche Schicksal der Tochter von Jephta, dem Heerführer Israels gegen die Ammoniter in fünf Bildern.

    Jephta hatte Gott versprochen, im Falle eines Sieges über die Feinde, bei seiner Rückkehr das erste Wesen zu opfern, das ihm aus dem Haus entgegenkommt. Unglücklicherweise traf dieses Schicksal seine Tochter, die sich trauernd in ihr Schicksal fügt. Die bewegende Klage der, bezeichnenderweise ungenannten Tochter und ihrer Gefährtinnen, beschließt das Werk.

    Jérome Correas und seinem Ensemble Les Paladins ist es mit dieser Aufnahme gelungen, der Musik Carissimis zu einer großen Lebendigkeit zu verhelfen und ihr die ursprüngliche dramatische Gestaltung zurückzugeben. Das Sängerensemble überzeugt durch Homogenität und Textgestaltung, wenn auch das Vibrato einiger Sängerinnen den Gesamteindruck trübt. Das Instrumentalensemble mit Françoise Duffaud an der 1. Geige spielt frisch und phrasierungsreich. Nur schade, dass es im Booklet weder Texte noch nähere inhaltliche Erläuterungen zu den einzelnen Werken gibt und noch nicht einmal die lateinischen und italienischen Titel im Original angegeben sind. Um zu demonstrieren, dass es sich hierbei um eine Live-Aufnahme handelt, wurde der Schlussbeifall beibelassen, was allerdings eher störend wirkt.

    Hören Sie hier zum Abschluss das letzte Bild von Jephte mit Monique Zanetti als Filia sowie Raphaële Kennedy, Patrizia Gonzalez, Jean-François Lombard und Renaud Delaigue als Historici.

    " Musikbeispiel: Giacomo Carissimi - Schluss aus: Jephte"

    In unserer "Neuen Platte" stellten wir Ihnen heute geistliche Werke von Giacomo Carissimi vor, mit dem Ensemble Les Paladins unter der Leitung von Jérôme Correas.

    Diese CD, ein so genannter Live-Mitschnitt, wurde im Oktober 2004 produziert und erschien jetzt beim Französisch-Schweizer Label Pan Classics.

    CD:
    Titel: Giacomo Carissimi - "Histoires Sacrées"
    div. Solisten
    Ensemble: Les Paladins
    Leitung: Jérôme Correas
    Label: Pan Classics
    Labelcode: LC 1554
    Bestellnr.: 10182