Später Vormittag: In der Halle wird gerade Getreide gesäubert und zu Mehl vermahlen. Märkisches Landbrot gehört seit Anfang der 1980er Jahre zu den ökologischen Pionieren in Deutschland. Das Getreide kommt heute von Demeter-Bauern aus der Region, das Wasser aus einem eigenen Brunnen, und Energie von der Photovoltaikanlage auf dem Dach. Geschäftsführer Christoph Deinert:
"Man hat den Eindruck, man tut alles, was man tun kann. Aber ob man jetzt irgendwas vergessen hat, das weiß man ja so gar nicht als kleiner Betrieb, wenn man so nur hauptsächlich intern agiert. Dann haben wir beide, also beide Geschäftsführer unabhängig voneinander, über die Gemeinwohl-Bilanz gelesen, und das fanden wir sehr interessant und haben gesagt, dann machen wir das einfach mal."
Beitrag für das Allgemeinwohl
Märkisches Landbrot ist mit 60 Mitarbeitern ein großer Biobäcker, verglichen mit konventionellen Großbäckereien aber klein. Bei der Bestandsaufnahme nach den Kriterien der Gemeinwohl-Bilanz konnten die Bäcker viele Häkchen machen, aber es gab es auch manche Überraschung, etwa beim Thema Mitarbeiterschulung.
"Die Gemeinwohl-Ökonomie interessiert nicht, was die Geschäftsführer für Schulungen machen, da geht die davon aus, dass das sowieso notwendig ist. Sie fragt nach den Schulungsstunden von der Reinigungskraft. Und das ist dann schon ein ganz anderer Ansatz. Da muss man erst einmal gucken. Das passt dann nicht mit dem Bild zusammen, dass man gut ist in Schulungen, also das ist ein anderer Ansatz, den man sich dann auch erst mal bewusst machen muss. Der erst mal erschreckt und dann ist aber gut, dass man dann so Punkte findet dann."
Unternehmen können ihre Wirtschaftsweise nach ganz verschiedenen Schemata bewerten lassen - und dann mit dem verliehenen Siegel hausieren gehen und Werbung machen. Der Ansatz der Gemeinwohl-Bilanz unterscheidet sich fundamental von gewöhnlichen Zertifizierungssystemen für Unternehmen - etwa Fairtrade oder dem EU-Biosiegel. Gemessen werden hier nicht nur Mindestpreise für Bauern im globalen Süden oder eine biologisch verträgliche Herstellungsweise, sondern: welchen Beitrag das Unternehmen in der Breite zum Gemeinwohl leistet.
Alte Idee mit neuem Leben erfüllt
Ein Wirtschaftssystem, das sich statt an Wachstum an Nachhaltigkeit und Solidarität orientiert - dafür treten die Anhänger der Gemeinwohl-Ökonomie ein. Sie vertreten ein Gegenmodell zur kapitalistischen Marktwirtschaft. Erfolgreich sind sie damit jedoch bislang nur in einer wirtschaftlichen Nische.
Denn die Gemeinwohl-Bilanz ist Bestandteil einer alternativen Wirtschaftsordnung, der sogenannten Gemeinwohl-Ökonomie, kurz GWÖ genannt. Dabei soll die Profitmaximierung nicht mehr über allem stehen, privates Unternehmertum aber trotzdem wichtig bleiben.
In Kontinentaleuropa orientierten sich nach dem Zweiten Weltkrieg viele Firmen an den Wünschen und Interessen von Kunden, Mitarbeitern, Eigentümern und Bürgern. Diese sogenannte breite "Stake-Holder-Orientierung" ist jedoch in vielen Unternehmen einer Fixierung auf den Gewinn gewichen, mit teils gravierenden Folgen für Menschen und Umwelt. Die Finanzkrise hat diese hässliche Seite des Kapitalismus ab 2008 bewusst gemacht, die "Share-Holder-Economy" geriet wieder verschärft in die Kritik. In Österreich wurde zu der Zeit die alte Idee einer am Gemeinwohl orientierten Wirtschaft mit neuem Leben gefüllt. Christian Felber - Publizist, Aktivist und Tänzer - gehört zu den Initiatoren.
"Die allerersten Schritte waren dann zwischen 2008 und 2010 innerhalb von Attac Österreich mit der sogenannten Attac-UnternehmerInnengruppe. Also das waren alles kleinere, mittelständische oder Einpersonen-Unternehmen, und die haben zum einen die erste Version der Gemeinwohl-Bilanz für Unternehmen ausgearbeitet, und zum anderen das Grundgerüst des Wirtschaftsmodells, dem ich dann mit dem Buch 2010 einen Namen gegeben habe."
Mehr als ein Gegenmodell zum Kapitalismus
Die "Gemeinwohlökonomie" wurde in mehreren Ländern ein Bestseller bei Menschen, die sich für andere Wirtschaftsweisen interessieren. Seit der Etablierung des Kapitalismus als Produktionsregime haben immer wieder Menschen versucht, Gegenmodelle zu organisieren, die einem Kollektivinteresse gegenüber dem Einzelinteresse Vorrang geben: Die Frühsozialisten im 18. Jahrhundert etwa, und die Arbeiter im 19. Jahrhundert, die Genossenschaften gründeten, um bezahlbare Wohnungen oder preisgünstige Lebensmittel zu bekommen. In der Alternativbewegung wurden seit den 1970er Jahren selbstverwaltete Kollektivbetriebe gegründet. Weltweit gibt es eine Vielzahl von Initiativen, die das Gemeinwohl hochhalten, etwa die Bewegung für die Einrichtung von Saatgutbanken für Kleinbauern in Indien, oder die Bewegungen für eine öffentliche Wasserversorgung.
Die GWÖ geht darüber hinaus, weil sie die Wirtschaftsordnung ändern will. Dabei knüpft sie an unsere Verfassungen an.
In Bayerns Verfassung lautet Artikel 151:
"Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl."
In Artikel 14 des Deutschen Grundgesetzes heißt es:
"Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen."
"Das heißt, die real praktizierte und real existierende Wirtschaftsform widerspricht eigentlich dem Geist der Verfassungen. Und dort, wo dieser Widerspruch konkret wird, ist die wirtschaftliche Erfolgsmessung. Wenn wir aber schauen, wie wir wirtschaftlichen Erfolg heute messen, mit den Finanzrenditen für Investitionen, mit dem Finanzgewinn für Unternehmen oder dem Bruttoinlandsgewinn für die Volkswirtschaft, dann erkennen wir, dass wir eigentlich die Mittelverfügbarkeit oder sogar die Mittelakkumulation - noch verkehrter - messen, aber nicht die Zielerreichung."
Gemeinwohl als Punktesystem
Kritik an der einseitigen Orientierung der Gesellschaft am Wachstum des Bruttosozialprodukts gibt es von vielen Seiten. Längst existieren andere Maßstäbe, etwa das "Bruttonationalglück". Trotzdem ist für Regierungen das Wachstum des Angebots von Waren und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft heute der entscheidende Indikator - genauso wie für Unternehmen das Wachstum des Gewinns.
Bei der Gemeinwohl-Bilanz werden dagegen viele Dimensionen gemessen. Es zählen die Werte: Menschenwürde, Gerechtigkeit und Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit und demokratische Mitbestimmung. Erfasst werden die am Wirtschaftsprozess beteiligten oder betroffenen Gruppen: also Eigentümer, Lieferanten, Finanzpartner, Mitarbeiter, Kunden, und das gesellschaftliche Umfeld. Maximal 1.000 Punkte können bei dieser Art der Bilanzierung erreicht werden. Märkisches Landbrot kommt auf 773 Punkte - ein sehr guter Wert. Christoph Deinert.
"Punkte in der Gemeinwohl-Ökonomie gibt es nur, wenn es über den gesetzlichen Rahmen hinaus nachhaltig ist. Also nur gesetzlicher Rahmen heißt null Punkte in der Gemeinwohl-Ökonomie."
Märkisches Landbrot punktet etwa mit seinem Mindestlohn, der mit zehn Euro über dem gesetzlichen von 8,84 Euro liegt. Es verkauft sein Demeterbrot auch zu dem niedrigeren Preis für Biobrot, damit es sich mehr Menschen leisten können. Die Bäcker haben ein anonymes Verfahren eingeführt, bei dem ihre Bauern die Fairness von Märkischem Landbrot bewerten. Und bei allem steht die Firma wirtschaftlich mit einem Eigenkapital von 75 Prozent und einer Verzinsung darauf von vier Prozent gesund da.
Mehr Suffizienz = weniger Ressourcen-Verbrauch
Im Schnitt verdiente ein Vorstand eines Dax-Unternehmens 2014 laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung das 57-fache eines Angestellten. Nach Ansicht der GWÖ sollte der Höchstverdiener in einer Firma nicht mehr als das drei- bis 15-fache des Mitarbeiters mit dem geringsten Lohn erhalten. Bei Märkisches Landbrot ist es das Fünffache.
Ein Hinterhof im Berliner Stadtteil Wedding. Das Artloft - ein Tagungsraum - ist an diesem Montag im Februar gut gefüllt bei der Abschlussveranstaltung eines Forschungsprojektes zur Gemeinwohl-Ökonomie. Sieben Jahre haben die Universitäten Flensburg und Kiel sich damit beschäftigt. Auftraggeber war das Bundesministerium für Bildung und Forschung, es wollte Wege in eine nachhaltige Wirtschaft beschrieben haben. Bernd Sommer, Leiter des Projekts an der Europauniversität Flensburg:
"Viele Ansätze, die da erforscht werden, sind eher technischer Art. Wir kennen das durch erneuerbare Energien: Energieeffizienz soll unsere Wirtschaften nachhaltig werden. Und wir hatten den Ansatz, dass wir uns eine soziale Innovation, also eine Innovation, die darauf setzt, die Praxis zu verändern, untersuchen, inwiefern auch dort Potenziale bestehen."
Elf Unternehmen mit einer Gemeinwohl-Bilanz haben die Forscher analysiert, darunter Märkisches Landbrot, die Tageszeitung "taz" und ein Seniorenheim. Hat das Mess-Instrument den Firmen dabei geholfen, ökologisch und sozial nachhaltiger zu werden?
"Durchaus. Unter anderem haben wir in Vergleich zu anderen Nachhaltigkeitsinstrumenten festgestellt, dass die GWÖ auf etwas setzt, das man in der Forschung als Suffizienz bezeichnet. Suffizienz meint, dass das absolute Maß des Ressourcenverbrauchs in den Blick genommen wird, und nicht nur, dass man effizienter mit Ressourcen umgeht. Und ganz konkret heißt das, die Gemeinwohl-Bilanz honoriert zum Beispiel, wenn Produkte reparaturfähig sind."
Es ist höchste Zeit für Suffizienz, weil die Menschheit jedes Jahr mehr Ressourcen verbraucht, als sich regenerieren können, abzulesen am Welterschöpfungstag, der letztes Jahr am 2. August lag. Vom 1. Januar bis zum 2. August 2017 hatten die Menschen die Ressourcen verbraucht, die sich in dem Jahr regenerieren können. So errechnet es jährlich die Organisation Global Footprint Network, indem sie die menschliche Nachfrage nach Ressourcen in ein Verhältnis zur Biokapazität des Planeten setzt.
400 Unternehmen unterstützten die GWÖ, 120 haben bislang eine Gemeinwohl-Bilanz vorgelegt. Mit dabei sind auch Kommunen, Universitäten, Schulen und andere gesellschaftliche Institutionen. Die Überprüfung erledigen Auditoren wie Nils Wittke, früher Umweltbeauftragter bei Ikea und heute Unternehmensberater. Die Tauglichkeit solcher privater Überprüfungen von Firmen steht allerdings in der Kritik - etwa bei der Zertifizierung von Fabriken in Asien. In der GWÖ achte man deswegen strikt auf Unabhängigkeit, sagt Wittke.
Eine ethische Marktwirtschaft
"Das System ist extra so aufgebaut, dass keinerlei Geschäftsbeziehung zwischen Auditor und dem zu auditierenden Unternehmen besteht."
Aus Sicht der Gemeinwohl-Ökonomie leben Unternehmer heute in einer verkehrten Welt: Wenn sie über die Gesetzesvorgaben hinausgehend ökologisch und sozial nachhaltiger wirtschaften, haben sie einen Kosten- und damit Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen, die dies nicht tun. Viele Firmen verlagern ihre Produktion sogar dorthin, wo sie leichter Mensch und Umwelt ausbeuten können. Christian Felber erklärt, wie die GWÖ-Verfechter die Verhältnisse umdrehen wollen.
"Je höher der gesellschaftliche, ökologische und insgesamt ethische Mehrwert eines Unternehmens in Gestalt seines Gemeinwohl-Bilanz-Ergebnisses in Punkten, desto weniger Steuern zahlt es im Vergleich, desto niedrigere Zölle zahlt es im Vergleich, desto günstigere Finanzierung erhält es, oder Vorrang im öffentlichen Einkauf oder bei der Wirtschaftsförderung zum Beispiel, sodass in Summe die ethischsten, die nachhaltigsten, und die Unternehmen, die die Verfassungswerte eines demokratischen Staats- und Gemeinwesen am konsequentesten leben, den Endverbraucherinnen preislich günstiger anbieten können. Das wäre dann eine ethische Marktwirtschaft - oder eben eine Gemeinwohl-Ökonomie."
Möglich sei eine solche Förderung schon heute, sagt Stefanie Deinert, die an der Hochschule Fulda Jura lehrt. Weil ihr Mann die Geschäfte bei dem Märkischen Landbrot führt, beschäftigt sie sich schon seit Jahren mit rechtlichen Fragen der Gemeinwohl-Ökonomie. Ein Vorschlag lautet:
"Allein diese Tatsache, dass zertifiziert wird von einem Externen, reicht aus, um die Vergünstigung zu erhalten."
Das radikale Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie hat unter Unternehmern schon einige Anhänger: Zu den größeren Betrieben zählen in Deutschland die Sparda-Bank München oder der Outdoorhersteller Vaude. Ohne eine Beteiligung der wirklich Großen dürfte der Ansatz jedoch in der Nische stecken bleiben. Immerhin beschäftigten sich einige Großunternehmen mit der GWÖ, etwa die Otto Group mit 55.000 Beschäftigten. Otto-Nachhaltigkeits-Manager Stephan Engel:
"Den Gesamtansatz finde ich gut und inspirierend und auch innovationsfördernd."
Interesse auch bei größeren Unternehmen
Firmengründer Michael Otto hatte schon vor 30 Jahren ökologische Fragen auf die Agenda des Versandhändlers gesetzt. Doch ist die Otto Group noch weit von einer echten Nachhaltigkeit entfernt - wie alle anderen Großkonzerne auch. Echte Nachhaltigkeit würde bedeuten, dass ein Unternehmen dem Ökosystem nicht mehr Ressourcen entnimmt, als sich dort regenerieren können oder ihm zurückgegeben werden, etwa indem Bäume gepflanzt werden.
"Das ist auch unser Verständnis als Kaufleute, als Unternehmer auch, dass wir unsere Grundlagen, auf denen wir handeln, nicht untergraben können, weil sonst verlieren wir unsere Existenzgrundlage."
Der Konzern beteiligte sich an der Studie der Universitäten Kiel und Flensburg - ebenso wie der Energiehersteller EON, der LKW-Hersteller MAN oder die Drogeriemarktkette DM. Mit ihnen führten die Forscher zwei Workshops zur GWÖ durch. Die Deutsche Post DHL Group winkte dagegen bald ab - das Konzept sei nicht auf das Unternehmen übertragbar.
Etwa über Lohnspreizung und bessere Löhne für die Beschäftigten entlang der Lieferketten habe man offen mit den Konzernvertretern diskutieren können, betonen die Forscher. Aber es gab auch Grenzen. Nicht vorstellen mag man sich etwa bei der Otto Group einen bewussten Verzicht auf betriebliches Wachstum.
"Wenn es schrumpfen heißt, heißt wir müssen uns von Mitarbeitern trennen - das entspricht nicht unseren Genen, unserer Leidenschaft auch, die wir im Unternehmen haben."
Bewegung mit politischen Ambitionen?
Wissenschaftlerin Josefa Kny aus Flensburg sieht unterschiedliche Hürden für die Übertragung des GWÖ-Ansatzes auf Großunternehmen.
"Eine wirkliche Übernahme der Gesamtheit der Ideen der Gemeinwohl-Ökonomie beziehungsweise dessen, was in der Gemeinwohl-Bilanz steht, ist nicht wirklich absehbar, gerade wenn es darum geht, die Eigentümerstrukturen beispielsweise so zu verändern, dass auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einen großen Teil mit besitzen, oder auch, wenn es darum geht, ethische Finanzierungen im großen Maßstab einzuführen."
Doch einmal abgesehen von den ganz zentralen Fragen nach Eigentum und Wachstum gibt es auch aus anderer Ecke Kritik am Gemeinwohl-Konzept. Mancher hält die GWÖ eher für eine Bewegung mit politischen Ambitionen. So sprach der Gemeinwohlforscher Timo Meynhardt in einem Interview der österreichischen Tageszeitung "Die Presse" von einer ...
" ... "im Embryonalzustand befindlichen Partei, die sich eher in die antiliberale Tradition des Gemeinwohldiskurses stellt."
Noch lebt diese Form der Alternativökonomie auch vom restlichen bestehenden System. Der Ökonom Mathias Binswanger:
"Am Schluss ist das erfolgreiche Funktionieren eben dieser Nischen auch abhängig davon, dass der Rest der Wirtschaft gut funktioniert und die entsprechenden Einkommen schafft, damit die Menschen dann diese lokalen Nahrungsmittel zum Beispiel einkaufen können."
Wirtschaften - aber nicht wachstumsorientiert
In der Tat wäre eine Ausdehnung der Gemeinwohl-Ökonomie über die Nische hinaus nur durch gravierende Veränderungen möglich. Ab einem bestimmten Punkt wären Schutzmaßnahmen, sprich Handelsschranken, an den nationalen oder auch EU-Außengrenzen nötig. Die Lebensqualität für viele Menschen dürfte steigen, weil sie sich etwa wieder stärker als Teil von Gemeinschaften erleben würden. Andererseits dürfte der materielle Lebensstandard sinken. Matthias Binswanger:
"Wenn wir jetzt eigentlich eine andere Art von Wirtschaft wollen, die eigentlich nicht mehr wachstumsorientiert ist, dann ist das mit dermaßen großen Umstrukturierungen verbunden - oder mit dermaßen großen Änderungen, dass kaum jemand bereit wäre, das heute wirklich zu tun, weil das wäre dann mit erheblichen Wohlstandseinbußen verbunden."
Durchsetzen wird sich ein am Gemeinwohl orientiertes Wirtschaften in unserer Demokratie nur, wenn sich dafür eine politische Mehrheit findet. Die GWÖ findet zwar Widerhall in der Politik. So will Baden-Württemberg einen Landesbetrieb entsprechend zertifizieren, und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat sich im September 2015 mit großer Mehrheit für eine Integration der GWÖ in den Rechtsrahmen der Union und ihrer Mitgliedsstaaten ausgesprochen. Aber eine politische Mehrheit für wirklich weitreichende Änderungen unserer Wirtschaftsordnung ist aktuell nicht einmal im Ansatz erkennbar. Eine Etablierung der Gemeinwohl-Bilanz als weitere Zertifizierungsmethode für nachhaltiges unternehmerisches Wirtschaften dagegen schon. Das birgt jedoch eine Gefahr, sagt Wissenschaftler Bernd Sommer.
"Aber die Erfahrung mit vergleichbaren Zertifizierungen ist, dass dann auch eine Schleifung der Inhalte stattfindet, das prominenteste Beispiel wäre das Biosiegel der Europäischen Union."
Solange sich die Regeln nicht für alle Unternehmen ändern, werden die am Gemeinwohl orientierten Unternehmer an Grenzen stoßen. Christoph Deinert:
"Wir sind ja hier in einem Wirtschaftssystem, da unterliegt man auch als Gemeinwohlunternehmen einem gewissen Kostendruck. Und da muss man immer gucken, wo steckt man Geld rein, wo muss man sparen."
Aber erst einmal lassen sie sich beim Märkischen Landbrot nicht von ihrem Weg abbringen. Künftig soll der Betrieb einer Stiftung gehören, und demnächst wollen sie vier Bienenstöcke auf das Fabrikdach setzen.
"Die Bienen sorgen ja dafür, dass wir was zu essen haben, die Pollen zu verteilen ist einfach eine lebenswichtige Aufgabe für uns Menschen, nicht nur für die Bienen." Ohne den Erhalt unserer Lebensgrundlagen macht Wirtschaften keinen Sinn. In irgendeiner Form wird das Gemeinwohl daher in der Volkswirtschaft eine stärkere Rolle spielen müssen - früher oder später.