Gerd Breker: Verwundert reibt man sich die Augen. Wie konnte diese Nicht-Entscheidung bloß zustande kommen? Die Mehrheit der Bundesbürger ist dagegen, die SPD ist dagegen, die CSU ist dagegen, und dennoch enthält sich die Bundesregierung, wenn es um die Zulassung von genverändertem Mais geht. Das Kanzleramt soll dafür verantwortlich sein, entscheiden soll nun die EU-Kommission, und die soll für den Anbau des genveränderten Maises sein. Denn - so heißt es - man wolle einem möglichen Freihandelsabkommen mit den USA keine Stolpersteine in den Weg stellen. Wir sind nun verabredet mit dem CDU-Europaabgeordneten Daniel Caspary. Er ist Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments. Guten Tag, Herr Caspary.
Daniel Caspary: Grüß Gott!
Breker: Hört man das auch in Brüssel, Wohlverhalten zum Wohle eines möglichen Freihandelsabkommens mit den USA?
Caspary: Ich bin gerade ehrlich gesagt sehr überrascht über den Zusammenhang, der gerade hergestellt wird. Ich halte den Zusammenhang für nicht gegeben, sondern die eine Diskussion ist das geplante Freihandelsabkommen mit den USA, wo wir ja gerade sicherstellen wollen, dass auch Standards in der Europäischen Union nicht verloren gehen, sondern aufrecht erhalten werden. Und das andere ist die Diskussion um den Genmais, und das hat aus meiner Sicht mit dem Handelsabkommen nichts zu tun. Wir haben ja in Europa schon seit 1999 Genmais zugelassen, und da war ja auch dieses geplante EU-Freihandelsabkommen noch gar nicht in Sicht. Also den Zusammenhang erkenne ich nicht.
Aufregung "nur begrenzt nachvollziehbar"
Breker: Wir brauchen also den gentechnischen Mais gar nicht anzubauen und können trotzdem unsere Autos weiterhin in den USA verkaufen?
Caspary: Ich sehe den direkten Zusammenhang wirklich nicht, sondern wir hatten jetzt eine Entscheidung hier im Europäischen Rat über die Frage, ob dieser Genmais angebaut werden darf oder nicht. Da hat der Rat keinen Widerspruch eingelegt. Und im Übrigen möchte ich noch mal sagen: Selbst wenn die Bundesregierung dagegen gestimmt hätte, hätte es keine ausreichende qualifizierte Mehrheit gegen diesen Genmais gegeben. Von daher ist auch die Aufregung in Deutschland über das Verhalten der Bundesregierung, glaube ich, nur begrenzt nachvollziehbar. Weil auf der einen Seite, ich kann natürlich die Bedenken verstehen, aber auf der anderen Seite gehört auch zur Wahrheit dazu, selbst wenn die Bundesregierung sich dagegen ausgesprochen hätte, die Entscheidung wäre ja genauso gefallen.
Breker: Dennoch stellt sich ja die Frage, Herr Caspary, warum die Bundesregierung keine eindeutige Meinung, keine eindeutige Stellungnahme genommen hat. Wenn CSU und SPD dagegen sind, dann muss es doch jemand sein, der gesagt haben muss, Moment, wir sagen aber nicht nein, sondern wir enthalten uns lieber.
Caspary: Ja gut. Wie man ja der Presse entnehmen kann, scheint es ja in der CDU auf Bundesebene die klare Meinung zu geben, dass man hier sich aus verschiedenen Gründen nicht für dieses Verbot aussprechen kann. Was aber gilt ist erstens: Theoretisch können wir ja in Berlin diese neue Sorte in Deutschland verbieten, wenn sie denn in Europa jetzt erst mal zugelassen ist. Wir müssen dann als Bundesrepublik Deutschland eben wissenschaftlich belegen, dass Risiken für Mensch und Umwelt da sind. Und ich würde mich freuen, wenn wir die Entscheidung von dieser Woche mal zum Anlass nehmen, in Deutschland wirklich über die Vor- und Nachteile der grünen Gentechnik zu sprechen. In der roten Gentechnik, wenn es um Medizin geht, wenn es zum Beispiel um gentechnisch verändertes Insulin und gentechnisch hergestelltes Insulin geht, da sind ja die Bedenken in der Bevölkerung, glaube ich, eher gering. Man nimmt die Medikamente ja millionenfach, weil wir ja leider so viele Diabetes-Fälle haben in Deutschland. Auf der anderen Seite haben wir die Debatte über die grüne Gentechnik, wo ich auch Sorgen habe, sage ich ganz offen, aber wo ich mich freuen würde, wenn wir wirklich mal eine offene Diskussion über die Vor- und Nachteile führen, und es gibt halt nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile.
"Eine breite Debatte führen"
Breker: Welche Vorteile sehen Sie da, Herr Caspary?
Caspary: Das Erste ist: Wir haben die Situation, wenn wir jetzt konkret über diese Sorte sprechen, dass wir davon ausgehen, dass rund vier Prozent der Maisernte durch diese Schädlinge jedes Jahr verloren gehen. Das Ziel, weniger Pestizide einzusetzen, deswegen auch umweltfreundlicher damit umzugehen, ist ja das Dilemma, in dem wir stecken. Das Zweite: Wir haben die Situation, dass wir Mais ja sehr massiv im Einsatz haben für die Tiermast, für Biogas-Anlagen, also auch, wenn es um die Produktion erneuerbarer Energien geht. Und wir stehen ja auch in dem Dilemma, wie gehen wir denn damit um, dass wir auf der einen Seite auf der Welt 850 Millionen hungernde Menschen haben, über zwei Milliarden Menschen haben, die Mangelernährung haben, dass wir jetzt in Europa und in Deutschland zunehmend aber auch diese Dinge wie zum Beispiel Mais anfangen, für Stromproduktion und anderes zu verwende. Und ich glaube schon, dass wir einfach - das ist das, was ich mir wünsche - die Aufregung dieser Tage wirklich mal nutzen, um mit den Menschen ins Gespräch einzusteigen über die Vorteile, über die Nachteile, über die Risiken. Und auch die normale Züchtung aus meiner Sicht - ich bin Volkswirt und kein Biologe -, aber wenn ich mir anschaue, dass sich wohl in den letzten 40 Jahren der Ertrag zum Beispiel pro Fläche bei Mais verdoppelt hat, dann scheint es ja auch in der normalen Züchtung ziemlich heftig herzugehen. Auch da werden dann ja verschiedene Genvarianten irgendwie gekreuzt, nach dem Zufallsprinzip, und deswegen: Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir eine breite Debatte führen über die Frage, wie schaffen wir es, unsere Standards in Europa zu halten - da kommt dann wieder das Freihandelsabkommen mit den USA ins Gespräch -, aber wenn wir wirklich mal die Vor- und Nachteile der grünen Gentechnologie besprechen, weil bei der roten Gentechnologie ist die Stimmung ja eine ganz andere.
Breker: Der Wunsch des CDU-Europaabgeordneten Daniel Caspary war das. Danke für dieses Gespräch.
Caspary: Ich danke Ihnen!
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