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Gentherapie gegen brüchige Knochen

Gentechnik. - In den letzten zehn Tagen machten wieder allerlei medizinische Versprechungen die Runde. Parkinson, Diabetes, Alzheimer und noch mehr Krankheiten könnten in Zukunft geheilt werden, hieß es. Hoffnungsträger diesmal: Stammzellen aus geklonten Embryonen. Derartige Heilsversprechen sind allerdings nicht neu. Um sie besser zu verstehen, lohnt ein Blick auf einen ehemaligen Hoffnungsträger.

Von Michael Lange |
    Wenn vor fünf oder zehn Jahren von revolutionären Heilmethoden der Zukunft die Rede war, sprachen die Wissenschaftler meist von Gentherapie. Vor mittlerweile 13 Jahren wurden die ersten Heilversuche mit Genen unternommen. Heute, über 500 Studien später sind die hochfliegenden Hoffnungen weitestgehend verflogen. Die Gentherapeuten sind – nach allerlei Rückschlägen - größtenteils zurückgekehrt in ihre Labors, wo sie nach verbesserten Methoden suchen.
    Verschiedene Krankheitsbilder werden unter dem Begriff Glasknochenkrankheit zusammengefasst. Häufig brechen die Knochen unter der Last des Körpers, sie wachsen nur langsam, oder sie verbiegen sich. Über 4000 Menschen in Deutschland leiden an dieser Erbkrankheit, bei der die Knochen- und Knorpelbildung gestört ist. Eine Heilung gibt es nicht.
    Wissenschaftler von der Universität von Washington in Seattle präsentieren nun ein Verfahren, das Hoffnung macht. David Russell:

    Wir möchten die Glasknochenkrankheit mit einer Gentherapie behandeln. Dabei verändern wir gezielt das mutierte Gen – also die Erbanlage, die durch seine Veränderung die Krankheit ausgelöst hat. Das machen wir mit einem Virus, das neue Erbmoleküle in die Zelle einschleust. Mit dem Virus behandeln wir ausschließlich die knochenbildenden Zellen des Patienten.

    David Russell verwendet adeno-assoziierte Viren. Das sind abgeschwächte Erkältungsviren. Sie wurden schon häufig in der Gentherapie eingesetzt. Zu hoch dosiert können sie das Immunsystem anstacheln. Und das kann lebensbedrohlich sein, wie der Fall des Jugendlichen Jesse Gelsinger zeigte. Er kam vor drei Jahren bei einer Gentherapie mit falsch dosierten adeno-assoziierten Viren ums Leben.

    Russell und sein Team umgehen dieses Risiko, indem sie die Viren ausschließlich auf Zellen loslassen, die zuvor dem Patienten entnommen wurden. Die Gentherapie findet also nicht im Patienten, sondern in der Zellkultur-Schale statt.

    Es ist wirklich neu, dass wir eine Gentherapie gegen die Glasknochenkrankheit mit adulten Stammzellen aus dem Patienten selbst durchführen wollen. Die Zellen heißen mesenchymale Stammzellen. Sie sitzen im Innern der Knochen: im Knochenmark. Aus ihnen entwickeln sich die Osteoblasten, die den Knochen aufbauen.

    Aber auch eine Gentherapie, die außerhalb des Körpers stattfindet, ist nicht ohne Risiko. Das mußten vor zwei Jahren Ärzte aus Paris feststellen, als sie Kinder, die an einer Immunschwäche litten, mit genetisch veränderten Blutzellen behandelten. Bei drei von zwölf Kindern traten Leukämien auf, weil durch den Eingriff ins Erbgut der Zellen versehentlich ein Krebsgen aktiviert wurde. Bei dem neuen Konzept aus Seattle kann das angeblich nicht geschehen.

    Wir verändern ganz gezielt eine einzelne Erbanlage. Das heißt: Wir wissen an welcher Stelle wir das Erbgut in den Zellen beeinflussen. Wir schalten das defekte Gen aus, und platzieren an dessen Stelle ein neues Gen. Wir nennen das "Knock in". Eine richtige genetische Reparatur, wie sie anfangs vielen Gentherapeuten vorschwebte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dabei andere Gene irgendwie beeinflusst werden, wie das bei der Gentherapie in Paris passiert ist. Das Konzept ist also viel sicherer, denn wir haben eine genaue Vorstellung, wie es funktioniert.

    Das hatten Wissenschaftler bei früheren Gentherapien allerdings auch gedacht, aber es kam anders. Um zu erfahren, wie sich die genetisch reparierten Zellen im Körper der Patienten verhalten werden, will David Russell zunächst einige Hunde behandeln. Denn auch bei Hunden kommt die Glasknochenkrankheit gelegentlich vor. Sollten die Tiere tatsächlich geheilt werden, ohne dass irgendwelche Gefahren deutlich werden, könnten die ersten menschlichen Patienten folgen. Erst dann wird sich zeigen, ob das neue Konzept in der Medizin hält, was es im Labor verspricht.