Es diskutierten:
Sebastian Sons, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Johannes Varwick, Universität Halle-Wittenberg
Charlotte Wiedemann, freie Journalistin
Michael Wolffsohn, Historiker und Publizist
Diskussionsleitung: Marcus Pindur
Sebastian Sons, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Johannes Varwick, Universität Halle-Wittenberg
Charlotte Wiedemann, freie Journalistin
Michael Wolffsohn, Historiker und Publizist
Diskussionsleitung: Marcus Pindur
In der multipolaren Weltordnung von heute zerbrechen alte Allianzen, Geopolitik scheint komplexer denn je. Staaten arbeiten temporär und punktuell zusammen, stehen sich in anderen Belangen jedoch frontal gegenüber. Dazu bemerkt die Auslandsreporterin und Buchautorin Charlotte Wiedemann:
"Ich denke, dass die Phase westlicher Ordnungspolitik und westlich dominierter Geopolitik ohnehin zu Ende ist. Wir gehen in eine multipolare Welt und das ist gut so."
Mit Blick auf den Nahen und Mittleren Osten führt der Politikwissenschaftler Johannes Varwick aus:
"Man muss schon sagen, dass die Landkarten derzeit neu gezeichnet werden und zwar einerseits machtpolitisch, aber möglicherweise auch in nicht allzu weiter Zukunft geografisch: Die nahöstliche Staatenordnung ist massiv unter Druck und im Fluss: Der Irak zerfällt, Syrien zerfällt, Iran könnte profitieren vom Aufheben der Sanktionen und sein machtpolitisches Gewicht steigern, Saudi-Arabien hält dagegen. Insofern ist in der Tat sehr viel Unruhe da."
"Es haben sich neue Allianzen gebildet!"
Der Historiker Michael Wolffsohn verweist darauf, dass sich krisenbezogen neue Bündnisse ergeben, selbst zwischen alten Konfliktparteien:
"Es haben sich neue Allianzen gebildet! Hinter den Kulissen arbeiten Israelis, Saudis, Golfstaaten ganz eng zusammen und im Grunde genommen ganz offen. (…) Faktisch besteht hier eine operative Allianz: Strategisch, bei der Terrorabwehr, bei der Planung militärischer Aktionen und auch wirtschaftlich wird sehr eng zusammengearbeitet. (…) Das sind Dinge, die sich offenbar in Deutschland nicht herumgesprochen haben. Es wird aber Zeit, dass man das registriert und nicht mit den ollen Kamellen versucht eine neue Nahost-Politik zu gestalten.
Der Politikwissenschaftler Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erläutert:
"Die einigende Klammer dieser Annäherung ist der gemeinsame Feind Iran. Das ist momentan aus saudischer Perspektive viel wichtiger als irgendwelche ideologischen Differenzen, die man mit Israel hat. (…) Es geht darum, dass man sich in gewisser Weise von traditionellen Verbündeten im Stich gelassen fühlt und dass man das Gefühl hat, vom Iran von allen Seiten umzingelt zu sein. Und diese Iranoia, wie ich das nennen würde, ist eine Triebfeder im außen- und innenpolitischen Handeln Saudi-Arabiens."
Wie wäre es mit mehr Zurückhaltung?
Am Beispiel des deutsch-französischen Militär-Einsatzes in Mali kritisiert die Journalistin Charlotte Wiedemann grundsätzlich die Interventionspolitik westlicher Staaten und mahnt mehr Zurückhaltung an:
"Ich möchte dem, was ich so ein bisschen als Feldherrenblick ansehe, dass man ständig von Führungsrollen und einem ständigen Machbarkeitswahn solcher Länder oder Staatenbündnisse wie der EU spricht – dem möchte ich eine schnöde Realität entgegensetzen: Ich glaube, ganz oft wäre weniger mehr! Wenn wir in Mali mit viel weniger Geld, viel weniger Soldaten, etwas mehr Ruhe und viel Hören auf die internen einheimischen Kräfte geholfen hätten, dann hätte das dem Land wirklich genutzt. So haben wir einen Prozess von außen aufgedrückt (…) und wir stehen dort heute vor einem Debakel."