"Ich glaube, dass man Transparenz nicht geringschätzen sollte", meinte Hannack. Diese werde zu einem "Kulturwandel" in den Unternehmen führen. Gleichwohl hätte sich die Gewerkschafterin eine weitergehende Neuregelung gewünscht als den gestern vom Bundeskabinett gebilligten Gesetzentwurf.
"Es wäre besser gewesen, den Gewerkschaften ein Verbandsklagerecht zu geben", betonte sie. Dann müssten sich Betroffene nicht individuell gegen Diskriminierung zur Wehr setzen.
Ungerechtigkeit vor allem in kleinen Betrieben
Diskriminierung von Frauen bei den Gehältern gibt es nach Einschätzung der stellvertretenden DGB-Chefin vor allem in kleinen Unternehmen. Diese würden "leider von der Reichweite des Gesetzes nicht erfasst". Vieles spreche dafür, dies noch zu ändern, meinte Hannack, die auch Mitglied im CDU-Bundesvorstand ist.
Der vom Kabinett auf den Weg gebrachte Gesetzentwurf von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sieht vor, dass in Unternehmen ab 200 Beschäftigten sowohl Männer als auch Frauen Auskunft darüber verlangen können, welcher Lohn für eine gleichartige Tätigkeit gilt. Firmen mit mindestens 500 Mitarbeitern müssen zudem regelmäßig darlegen, nach welchen Kriterien die Entgeltzahlung erfolgt.
Das komplette Interview zum Nachlesen:
Jasper Barenberg: Vor einer dreiviertel Stunde hatte ich Gelegenheit, über das Gesetz mit der stellvertretenden Vorsitzenden des DGB zu sprechen, mit Elke Hannack. Sie ist auch Mitglied im Bundesvorstand der CDU.
- Frau Hannack, wird es bald keine Unterschiede mehr geben bei der Bezahlung zwischen Frauen und Männern?
Elke Hannack: Das wäre sehr schön. Das würde ich mir wünschen. Das gibt das Gesetz, was jetzt im Kabinett verabschiedet wurde, allerdings nicht her. Es wird zu mehr Transparenz in den Betrieben führen, was die Löhne anbelangt. Frauen und Männer haben jetzt einen individuellen Auskunftsanspruch, können auch vergleichbare Löhne erfragen. Das führt zu mehr Transparenz, das wird auch das Tabu brechen, über Löhne zu sprechen. Das wird aber nicht per se zu mehr Lohngleichheit führen.
Barenberg: Das Gesetz soll eigentlich für Lohngerechtigkeit sorgen, ändert aber gar nichts an der unterschiedlichen Bezahlung?
Hannack: Es ändert im ersten Schritt nichts an der unterschiedlichen Bezahlung. Das heißt, wenn Entgelt-Diskriminierungen im Betrieb festgestellt werden, dann müssen die Betroffenen diese Diskriminierungen auch individuell vor den Arbeitsgerichten erstreiten.
Barenberg: Da lässt man die Frauen nach wie vor allein im Regen stehen?
Hannack: Ja! Da wäre es besser gewesen, das war auch eine unserer gewerkschaftlichen Forderungen, den Gewerkschaften ein Verbandsklagerecht zu geben. Darüber hätten wir, glaube ich, ein größeres Stück an Lohngleichheit und Lohngerechtigkeit in den Betrieben herstellen können.
Barenberg: Was taugt denn ein Gesetz, was für mehr Transparenz sorgt, wie Sie es beschrieben, aber an den eigentlichen Problemen gar nichts ändern wird auf absehbare Zeit?
"Rechtsanspruch auf Auskunft ist ein erster wichtiger Schritt"
Hannack: Es taugt insofern schon was, dass wir einen Rechtsanspruch haben, diese Auskunft verlangen zu können bei den Betroffenen. Das ist, glaube ich, schon mal ein erster wichtiger Schritt, weil wir haben Lohnungerechtigkeiten in den Betrieben in Deutschland, an die wir nicht herankommen konnten bisher. Und insofern, glaube ich, darf man die Transparenz, die wir bekommen werden, gar nicht zu gering schätzen. Die wird schon auch einen Kulturwandel in den Betrieben herbeiführen.
Barenberg: Wenn Sie von Ungerechtigkeiten sprechen und von Transparenz, sagen Sie damit auch, in den Personalabteilungen von Firmen und Behörden in Deutschland werden Frauen diskriminiert?
Hannack: Es gibt diese Diskriminierungen in den Betrieben und auch Dienststellen. Mit denen sind wir als Gewerkschaft natürlich auch befasst. Wir kennen da auch ganz konkrete Fälle. Diese Diskriminierungen passieren gar nicht so sehr in Großbetrieben, für die das Gesetz ja jetzt im Grunde auch Regelungen schafft, sondern eher in den kleinen und Kleinstbetrieben, also in den Betriebsgrößen unter 200 Beschäftigten. Und die sind von der Reichweite des Gesetzes leider nicht erfasst.
Barenberg: Das spricht noch mal gegen das Gesetz?
Hannack: Das spricht nicht gegen das Gesetz, aber es spricht dafür, dieses Gesetz auszuweiten und auch die Reichweite auszuweiten. Es ist ja noch nicht durch den Bundestag. Und wir erhoffen uns natürlich als Gewerkschaften schon, dass der Bundestag hier noch mal Änderungen vornimmt und den Auskunftsanspruch für alle Beschäftigten in allen Betriebsgrößen auch zulässt.
Barenberg: Da müssen Sie aber Ihren Kolleginnen und Kollegen, Ihren Parteifreunden im Bundesvorstand der CDU noch ein bisschen Nachhilfe geben, weil Widerstand kommt ja vor allem aus der Union, gerade aus der CDU. Und im Moment sieht es eher danach aus, als würden in die andere Richtung noch Änderungen verlangt, nämlich weniger Berichtspflichten einzuführen mit dem Gesetz.
"Berichtspflichten sind auf freiwilliger Basis"
Hannack: Die Berichtspflichten selber sind ja schon alle auf freiwilliger Basis. Die Prüfverfahren, die das Gesetz angelegt hat, die eigentlich hätten verpflichtend sein sollen für Betriebe ab 500 Beschäftigte, sind jetzt als Aufforderung formuliert. Das heißt, sie sind freiwillig. Lediglich der Lagebericht nach HGB, also nach dem Handelsgesetzbuch, ist verpflichtend. Alle fünf Jahre müssen Betriebe, die tarifgebunden sind, so einen Bericht erstellen. Alle anderen Betriebe, die nicht tarifgebunden sind, müssen ihn alle drei Jahre erstellen. Das, finde ich, ist nun wirklich auch kein bürokratisches Monster oder Hindernis. Das müssten die Betriebe eigentlich jährlich machen, damit klar ist, gibt es Diskriminierung im Betrieb und muss ich meine Entgeltpraxis umstellen oder nicht.
Barenberg: Wie wollen Sie denn Ihre CDU-Parteifreunde davon überzeugen?
Hannack: Na ja. Am Wochenende ist erst mal Bundesvorstandsklausur des CDU-Bundesvorstandes. Da werden wir sicherlich auch als Gewerkschaften - unser DGB-Vorsitzender ist dort als Gast eingeladen - das noch mal mit dem CDU-Bundesvorstand thematisieren. Aber es ist in der CDU ja nicht jeder gegen das Lohngerechtigkeitsgesetz, sondern es ist vorwiegend der Wirtschaftsflügel und die Mittelstandsvereinigung. Und die Wirtschaft hat im Vorfeld schon deutlich gemacht, sie will überhaupt kein Gesetz. Das ist natürlich gleichstellungspolitisch absolut rückschrittlich und da werden wir noch mal versuchen, mit Argumentationen gegenzuhalten.
Barenberg: Frauen wählen öfter schlecht bezahlte Berufe als Männer und Frauen entscheiden sich viel mehr für Teilzeit-Beschäftigungen als Männer. Wann werden diese wichtigen Ursachen für die ungleiche Bezahlung angegangen?
Hannack: Sie werden jetzt angegangen. Manuela Schwesig, die Bundesministerin, hat ja gesagt, es ist im Grunde ein Gesamtpaket, was auf den Weg gebracht wurde. Andrea Nahles als Arbeitsministerin wird in dieser Legislaturperiode noch das Rückkehrrecht aus Teilzeit auch in ein Gesetz fassen. Das ist natürlich wichtig. Und das wird die Entgeltlücke weit mehr schließen als das Lohngerechtigkeitsgesetz. Aber wir brauchen natürlich auch noch mal einen Ausbau der Ganztagsbetreuung von Kindern bis ins Schulalter. Wir brauchen faire Karrierechancen für Frauen. Und wir müssen auch bei den Arbeitszeiten was machen. Die Arbeitszeiten müssen sich den Bedürfnissen der Beschäftigten anpassen lassen. Dann, glaube ich, kommen wir auch weg aus der Teilzeitfalle für die Frauen.
Barenberg: All das, was Sie jetzt an Möglichkeiten und Maßnahmen geschildert haben, würden Sie sagen, das ist alles noch viel wichtiger als das Gesetz, was jetzt auf den Weg gebracht wurde?
Hannack: Ich sehe das wie Manuela Schwesig. Es ist ein Gesamtpaket und wir brauchen jedes einzelne Rädchen, um das große Rad, die vollzeitige Erwerbsbeteiligung von Frauen zu erhöhen, dann auch durchzusetzen.
Barenberg: Ist denn ungleiche Bezahlung immer automatisch eine Diskriminierung?
"Echte Form der Diskriminierung auf einem sehr, sehr kleinen Niveau"
Hannack: Nein. Ich persönlich kenne auch viele Fälle, wo einfach vielleicht Unkenntnis besteht, welcher Tarifvertrag gilt, wo falsche Tarifverträge angewendet werden, wo keine Tarifverträge angewendet werden und Männer beispielsweise über Zulagen auch mehr Entgelt bekommen als Frauen, was aber über beispielsweise längere Berufsjahre zu begründen ist, oder, oder, oder. Da gibt es tausend Kriterien, wie in Deutschland Entgelte auch zustande kommen. Und ich unterstelle auch nicht jedem Arbeitgeber automatisch Diskriminierung. Die echte Form der Diskriminierung, glaube ich, bewegt sich auf einem sehr, sehr kleinen Niveau. Aber so klein sie auch ist, da müssen wir ran. Das ist überhaupt gar keine Frage. Aber ich glaube, wir müssen zu klaren Regeln kommen, was die Bezahlung von Frauen und Männern bei gleicher Tätigkeit anbelangt. Und da ist das Lohngerechtigkeitsgesetz durchaus ein erster Schritt, hat ja auch zu vielen Diskussionen in den Betrieben geführt.
Barenberg: Und es soll die Arbeitgeber ja auch verpflichten, nicht nur gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu garantieren, sondern auch gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Dann wird die Kantinenfachkraft verglichen mit einem Fachinformatiker?
Hannack: Nein, das ist überhaupt nicht vorgesehen mit dem Gesetz. Das wäre, glaube ich, auch relativ absurd. Aber dass man beispielsweise mal darüber nachdenken muss, ob beispielsweise eine Bürokauffrau oder ein Bürokaufmann, egal in welcher Branche erarbeitet, auch einen Anspruch auf ein gleiches Entgelt hat, das, finde ich, ist schon durchaus auch im Sinne der Sache.
Barenberg: Und diese Diskussion wird befördert mit dem Lohngleichheitsgesetz?
Hannack: Die wird damit auch befördert. Auch das gehört zum Gesamtpaket. Aber es gibt ja auch andere Aussagen im Koalitionsvertrag, wo man sich auch noch mal bestimmte Branchen anguckt. Und ich glaube, der nächste Schritt muss wirklich sein, branchenübergreifend wirklich zu gucken, welche Entgeltstrukturen haben wir in unserem Land und an welchen Stellen muss man nachbessern.
Barenberg: ... sagt Elke Hannack, die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Ich bedanke mich für das Gespräch heute Morgen.
Hannack: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.